Sprache · Stimme · Gehör 2012; 36(S 01): e19
DOI: 10.1055/s-0032-1304916
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wissenschaftliche Logopädie an der RWTH Aachen

Logopaedic Science at RWTH Aachen University
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Publication Date:
06 June 2012 (online)

Veränderte Strukturen im Gesundheits- und Sozialwesen sowie in der Bevölkerung führen zu neuen Anforderungen an die Logopädie, für deren Bewältigung eine fundierte wissenschafts- und evidenzbasierte Ausbildung zunehmend notwendig wird. Dies spiegelt sich auch in der berufs- und gesundheitspolitischen Debatte wider, die aktuell über die Akademisierung der Gesundheitsfachberufe geführt wird.

Mit dem interdisziplinären Diplomstudiengang Lehr- und Forschungslogopädie an der Medizinischen und Philosophischen Fakultät der RWTH Aachen wurde im Wintersemester 1991/92 berufspraktisch ausgebildeten Logopädinnen und Logopäden erstmalig die Möglichkeit geboten, in Deutschland ein grundständiges Studium zur Weiterqualifikation zu absolvieren. 2007 erfolgte die Überführung des Diplomstudiengangs in den Bachelorstudiengang „Logopädie“ (BSc) und den konsekutiven Masterstudiengang „Lehr- und Forschungslogopädie“ (MSc). Dabei steht im Bachelorstudiengang der Erwerb von Kenntnissen und Fertigkeiten der evidenzbasierten Praxis im Vordergrund, während das Masterstudium sowohl zu einer wissenschaftlich begründeten Lehre in der berufspraktischen und akademischen Logopädenausbildung als auch zu eigener Forschung in Diagnostik und Therapie qualifiziert.

Seit 15 Jahren gehört es zur Tradition des Studiengangs, dass alle Abschlussarbeiten im überregionalen Aachener Kolloquium zur Logopädie vorgestellt werden. Umrahmt von Gastvorträgen renommierter Vertreter und Vertreterinnen der Logopädie sowie ihrer Bezugswissenschaften präsentieren Masterstudierende die Ergebnisse einer selbstständig durchgeführten empirischen Studie zur Therapie- oder Lehr- und Lernforschung. Die Bachelorstudierenden zeigen in der begleitenden Postersession an Einzelfällen auf, wie modell- und hypothesengeleitete Diagnostik, Therapie und Evaluation in die Berufspraxis integriert werden können.

Das 15. Aachener Kolloquium zur Logopädie 2011 stand in Gedenken an Frau Dr. Luise Springer, die als langjährige Leiterin der Aachener Lehranstalt und als Dozentin in den Logopädiestudiengängen viele Studierende für ihr Fach begeistern konnte. Ihr Engagement hat die Entwicklung der akademischen Logopädie in Deutschland entscheidend geprägt. Die Themenbreite der Vorträge und Poster erstreckte sich von der Sprachförderung bei Kindergarten- und Grundschulkindern über Therapie bei Demenz bis hin zu problemorientiertem Lernen in der Logopädieausbildung. Das methodische Spektrum reichte von behavioralen Studien über Studien mit Magnetresonanztomografie zu Blickbewegungsmessungen.

Die vorliegende Sonderausgabe stellt Ihnen eine Auswahl von Beiträgen des 15. Aachener Kolloquiums zur Logopädie vor. Zwei Einzelbeiträge stehen zu Beginn: B. Schumann erforscht Risikofaktoren für Pneumonie bei akuten Schlaganfallpatienten mit Dysphagie. C. Eckers überprüft die Effektivität eines Singseminars auf die Sing- und Sprechstimme bei Lehramtsstudierenden.

Die Dyslexieforschung bildet einen Schwerpunkt dieser Sonderausgabe. R. Hillen und C. Kohlen beschäftigen sich mit den Grundlagen der Dyslexie: Sie untersuchen Aktivierungen im Gehirn und Blickbewegungen beim Lesen von Sätzen, Pseudowortsätzen und in sprachfreien Leseaufgaben. Es folgen 2 Beiträge zur kindlichen Dyslexie. A. Zschornak erforscht, ob grundlegende visuomotorische Leseprozesse schon bei Vorschulkindern existieren. M. Brinkhaus zeigt neuronale Korrelate visueller Aufmerksamkeit nach Dyslexietraining auf. Zwei Beiträge befassen sich mit erworbener Dyslexie. A. Ullmann weist die Auswirkungen erworbener Dyslexien auf die visuelle Informationsaufnahme und Wortverarbeitung bei lexikalischer und segmentaler Lesestrategie nach. K. Weisse untersucht die Effektivität einer blickbewegungsgesteuerten Dyslexietherapie auf das Einzelwortlesen bei verschiedenen Leserouten.

In den folgenden 3 Beiträgen werden Studien zu Aphasie vorgestellt. F. Blömer und A. Zilger überprüfen die Eignung eines sprachsystematischen Aphasiescreenings für die Erstellung eines individuellen Leistungsprofils und die Therapieplanung. N. Jacobs und M. Kleine-Katthöfer untersuchen den Einsatz einer um Objekt-Verb-Kollokationen und Nomina Komposita erweiterten Constraint-Induced Aphasia Therapy im Gruppen- und Einzeltherapiesetting. S. Friede beschreibt den Langzeitverlauf von Aphasien bei Kindern und Jugendlichen.

Wir hoffen mit dieser Sonderausgabe von Sprache – Stimme – Gehör Ihr Interesse für die Arbeiten der Absolventinnen und Absolventen des Masterstudiengangs Lehr- und Forschungslogopädie geweckt zu haben, und wünschen Ihnen eine spannende Lektüre.

Ihre
F. Binkofski, B. Kröger und E. Oetken

(für die Logopädiestudiengänge und die Lehranstalt für Logopädie des Universitätsklinikums der RWTH Aachen)

E. Schönberger, K. Dressel, L. Etcheverry Sáez und S. Heim (stellvertretend für die Organisatoren)