Aktuelle Rheumatologie 2011; 36(1): 17
DOI: 10.1055/s-0031-1271799
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

CRPS 2010: Von der entzündlichen Knochenatrophie zum Komplexen regionalen Schmerzsyndrom

CRPS 2010: From Inflammatory Bone Atrophy to Complex Regional Pain SyndromeC. Tomiak
Further Information

Publication History

Publication Date:
25 February 2011 (online)

C. Tomiak

Paul Hermann Martin Sudeck (* 28.12.1866 Pinneberg, † 28.9.1945 Saalfeld/Saale), publizierte Anfang des 20. Jahrhunderts [1] [2] erstmals seine Vorstellungen zur „entzündlichen Knochenatrophie”, die er später auch als „akute trophoneurotische Knochenatrophie” [3] bezeichnete. Die radiologische Charakterisierung wird Robert Kienböck (österreichischer Radiologe; *11.1.1871 Wien, † 8.9.1953 Wien) zugeschrieben [4]. Bis heute sind Pathogenese und Pathophysiologie umstritten, die Heterogenität des Krankheitsbildes spiegelt sich in den unterschiedlichen Bezeichnungen wider, die in den vergangenen 100 Jahren verwendet wurden ([Tab. 1]).

Tab. 1 Unterschiedliche Krankheitsbezeichnungen in den letzten 100 Jahren. Akute Knochenatrophie Akute trophoneurotische Knochenatrophie Algodystrophie Algoneurodystrophie Charcotsche Knochenatrophie (?) Complex Regional Pain Syndrome (CRPS) Diabetische Cheiropathie (?) Frozen shoulder (?) Kausalgie Morbus Sudeck Postinfarkt-Sklerodaktylie Post-Traumatisches-Vasomotorisches Syndrom Posttraumatische schmerzhafte Osteoporose Posttraumatische sympathische Dystrophie Reflexdystrophie RSD (Reflex Sympathetic Dystrophy) Schulter-Hand-Syndrom (?) Sudeck-Atrophie Sympathische Paralyse Transiente Osteoporose Wandernde Osteolyse

Autonome, sensorischen und motorische Störungen sowie „inadäquate” Schmerzen prägen das Krankheitsbild. Im klinischen Alltag bestehen nicht selten Schwierigkeiten bei der frühzeitigen Erkennung, stadienadaptierten Behandlung und in der Einschätzung der Prognose. Die Betroffenen sind häufig nachhaltig beeinträchtigt, da es z. T. zu erheblichen funktionellen Einschränkungen der betroffenen Extremität kommt. Lange Arbeitsunfähigkeitszeiten und Einschränkungen des beruflichen Leistungsvermögens sowie der ungewisse Verlauf und eine schwierig zu kontrollierende Schmerzsymptomatik haben gravierende Auswirkungen auf Lebensqualität und -planung der Patienten.

Eine neue Nomenklatur führte 1995 die unterschiedlichen Bezeichnungen „unter dem Schirm” [5] „chronic regional pain syndrome” zusammen und differenziert 2 Formen (CRPS 1 und 2), wenn auch die o. g. Bezeichnungen nicht vollständig aus der Literatur verschwunden sind. 2008 wurde unter der Federführung von Prof. Birklein (Mainz) eine (deutsche) Leitlinie zu Diagnostik und Therapie publiziert [6].

Dieses Schwerpunktheft der Aktuellen Rheumatologie setzt sich mit den Themen Pathophysiologie, Klassifikation und Klinik, Diagnostik und Therapie differenziert auseinander.

Gemeinsame fachübergreifende und multidisziplinäre Anstrengungen sind erforderlich, um Betroffene frühzeitig zu identifizieren und einer adäquaten Behandlung zuzuführen.

Über 100 Jahre nach Sudecks' Publikation stellt das komplexe regionale Schmerzsyndrom eine Differenzialdiagnose in der rheumatologischen und orthopädischen/chirurgischen Praxis dar.

Literatur

  • 1 Sudeck PHM. Über die akute entzündliche Knochenatrophie.  Archiv für klinische Chirurgie, Berlin. 1900;  62 147
  • 2 Sudeck PHM. Über die akute (reflektorische) Knochenatrophie nach Entzündungen und Verletzungen an den Extremitäten und ihre klinischen Erscheinungen.  Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen. 1901/1902;  5 277
  • 3 Sudeck PHM. Über die akute (trophoneurotische) Knochenatrophie nach Entzündungen und Traumen der Extremitäten.  Deutsche Med Wochenschrift. 1902;  28 336-338
  • 4 Kienböck R. Über akute Knochenatrophie bei Entzündungsprozessen an den Extremitäten (fälschlich sogenannte Inaktivitätsatrophie des Knochens) und ihre Diagnose nach dem Röntgenbilde.  Wiener medizinische Wochenschrift. 1901;  1346-1348, 1389–1392, 1427–1430, 1462–1466, 1508–1511, 1591–1596
  • 5 Stanton-Hicks M, Jani W, Haselbusch S. et al . Reflex sympathetic dystrophy: changing concepts and taxonomy.  Pain. 1995;  63 127-133
  • 6 http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/030-116.htm

Korrespondenzadresse

Dr. med. Christian Tomiak

Reha-Zentrum Bad Aibling

Deutsche Rentenversicherung

Bund

Rheumazentrum – AHB

Kolbermoorer Straße 56

83043 Bad Aibling

Phone: + 49/08061/27 164

Fax: + 49/08061/27 182

Email: Drmed.Christian.Tomiak@drv-bund.de

    >