Laryngorhinootologie 2011; 90(3): 166-167
DOI: 10.1055/s-0031-1271642
Gutachten + Recht

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Aus der Gutachtenpraxis: Die mediocochleäre Schwerhörigkeit beim Lärmarbeiter

From the Expert Office: The Medio-Cochlear Hearing Loss in the Noise WorkerT. Brusis
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Publication Date:
04 March 2011 (online)

Einleitung

Die berufliche Lärmschwerhörigkeit ist durch 3 audiometrische Merkmale gekennzeichnet: Innenohrschwerhörigkeit, Symmetrie und c5-Senke. Typischerweise liegt die c5-Senke bei 4 000 Hz. Umgangssprachlich wird aber auch von einer c5-Senke gesprochen, wenn das Senkenmaximum bei 3 000 Hz oder 6 000 Hz festzustellen ist.

Die Lärmschwerhörigkeit beginnt typischerweise immer mit einer Hochtonsenke. Diese kann sich bei weiter bestehender – ungeschützter – Lärmbelastung vertiefen und verbreitern. Meist stellt die 1 000 Hz-Frequenz die sog. Grenzfrequenz dar, oberhalb derer die Senke beginnt. Erst wenn ein gewisser Sättigungsgrad im Hochtonbereich erreicht ist, der erfahrungsgemäß um 60 dB liegt, kann es bei fortbestehender ungeschützter Lärmbelastung auch zu einer beginnenden Beeinträchtigung der mittleren Frequenzen kommen. Es zeigen sich dann auch Hörverluste bei 1 000 Hz, sodass die 500 Hz-Frequenz nun zur Grenzfrequenz wird. Unterhalb 500 Hz liegt bei diesen Fällen dann evtl. noch ein normaler Kurvenverlauf vor. Bei jahrzehntelanger extrem hoher – ungeschützter – Lärmbelastung sind Hörverluste im Tieftonbereich möglich, die aber höchstens 20–30 dB erreichen. Derartige Lärmarbeitsplätze mit so hoher Lärmexposition gibt es in der Industrie heute wohl kaum noch.

Ein bogenförmiger Hochtonabfall oder ein gleichmäßiger Schrägabfall ist weder eine Hochtonsenke noch eine c5-Senke. Schon umgangssprachlich wäre eine solche Bezeichnung unzutreffend. Auch eine spitze Zackenbildung im Hochtonbereich ist keine c5-Senke. Das Merkmal einer Hochtonsenke bzw. c5-Senke setzt zum einen eine gewisse Knickbildung bei einer Grenzfrequenz voraus und zum anderen muss die Kurve im Bereich der hohen Frequenzen wieder ansteigen. Nur dann ist das tonaudiometrische Bild einer c5-Senke gegeben.

Die Entstehung der c5-Senke erklärt sich durch die Empfindlichkeitskurve des Ohres, die zwischen 1 000 und 4 000 Hz ihr Maximum erreicht. Da ein Breitbandgeräusch aus einer Anzahl reiner Töne besteht, wird die c5-Senke durch viele Einzelsenken hervorgerufen, die sich zwischen 1 000 und 4 000 Hz summieren. Durch die asymmetrische Ausbildung der Einzelsenken verschiebt sich das Maximum der gemeinsamen Senke bei der Addition in Richtung 4 000 Hz [4].

Literatur

  • 1 Brusis T. Berufliche Lärmschwerhörigkeit. Diagnose, Differenzialdiagnose und Begutachtung.  Trauma Berufskrankh. 2006;  8 65-72
  • 2 Brusis T. Schwerhörigkeit beim Lärmarbeiter = Lärmschwerhörigkeit?.  HNO-Nachrichten. 2007;  5 2-5
  • 3 Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Merkblatt zu der Berufskrankheit Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung: Lärmschwerhörigkeit
  • 4 Lehnhardt E. Lärmschwerhörigkeit und akutes Schalltrauma.  HNO. 1963;  11 273
  • 5 Lehnhardt E. Klinik der Innenohrschwerhörigkeiten.  Arch Oto-Rhino-Laryngol. 1984;  (Suppl. 1) 58-218
  • 6 Swoboda H, Welleschik B. Zur Entwicklung endogener Innenohrschwerhörigkeiten unter beruflicher Lärmexposition.  Laryngo-Rhino-Otol. 1991;  70 463-469

Prof. Dr. Tilman Brusis

Institut für Begutachtung

Dürener Straße 199–203

50 931 Köln



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