Laryngorhinootologie 2011; 90(6): 373
DOI: 10.1055/s-0030-1267956
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(Ruf-)Bereitschaftsdienst kann auch bei Chefärzten nicht pauschal abgegolten werden

Urteil des LAG Düsseldorf vom 06.05.2010 – 13 Sa 1129/09 A. Wienke
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Publication Date:
25 May 2011 (online)

Eine Klausel in Chefarztverträgen, wonach die Ableistung von (Ruf-)Bereitschaftsdiensten „im üblichen Rahmen” durch die vertraglich vereinbarte Vergütung und/oder ein eingeräumtes Liquidationsrecht abgegolten sein soll, ist wegen eines Verstoßes gegen das Transparenz-gebot Allgemeiner Geschäftsbedingungen unwirksam. Dies hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in seiner jetzt bekannt gewordenen Entscheidung vom 06.05.2010 im Fall eines Chefarztes einer Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe so entschieden.

Dienstverträge für Chefärzte enthalten in der Regel den Passus, dass der Chefarzt organisatorisch den Bereitschaftsdienst und die Rufbereitschaft in seiner Abteilung sicherzustellen und erforderlichenfalls auch an solchen Diensten selbst teilzunehmen hat. Auch Chefärzte müssen daher bei Bedarf an (Ruf-)Bereitschaftsdiensten teilnehmen; dies ist nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts mittlerweile anerkannt. Bei den Vergütungsregelungen wird in diesem Zusammenhang in den Chefarztverträgen darauf hingewiesen, dass mit der Vergütung für die Dienstaufgaben und der Einräumung eines Liquidationsrechts die Wahrnehmung solcher Bereitschafts- und Rufbereitschaftsdienste ebenso abgegolten ist, wie etwaige Überstunden sowie Mehr-, Samstags-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit jeder Art. Auch der Mus­tervertrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) enthält in seiner aktuellen Fassung eine solche Bestimmung.

Mit seinem Urteil vom 06.05.2010 hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf nun auf die Klage eines Chefarztes den Krankenhausträger dazu verurteilt, an den Chefarzt über die vertragliche Vergütung ­hinaus die vom Chefarzt abgeleisteten Rufbereitschaftsdienste nachzuvergüten. Dabei hat das Landesarbeitsgericht die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem vom Chefarzt unterzeichneten Arbeitsvertrag um Allgemeine Geschäftsbedingungen handele, da der Arbeitsvertrag zahlreiche Klauseln enthalte, die nicht auf die individuelle Vertragssituation des klagenden Chefarztes abgestimmt seien, sondern in einer Vielzahl von ähnlichen Fällen zur Anwendung gelangten. Insoweit verletzte die Abgeltungsregelung im Arbeitsvertrag des Chefarztes das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Zum einen nämlich werde nicht ersichtlich, in welchem Umfang die Abgeltungsregelung des Vertrages die Ableistung von Bereitschaftsdiensten abgelte. Zum anderen sei die Regelung intransparent, weil nicht deutlich werde, welcher Teil der Vergütung eine Abgeltung der Rufbereitschaften darstellen solle und welcher Teil für die „normale” Arbeitsleistung gedacht sei. Selbst wenn man eine bestimmte Anzahl von Rufdiensten je Zeiteinheit als üblich definieren könne, wäre für den Chefarzt nicht erkennbar, in welcher Höhe er hierfür vergütet werden solle und welcher Teil der Vergütung die Gegenleistung für die übrige Arbeitsleistung darstelle.

Wegen des Verstoßes gegen das Transparenzgebot sei die Abgeltungsklausel im Chefarztvertrag daher unwirksam, sodass der klagende Chefarzt einen Anspruch auf zusätzliche Vergütung der von ihm abgeleisteten (Ruf-)Bereitschaftsdienste geltend machen könne.

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, sodass eine abschließende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu der Frage der Wirksamkeit der Abgeltungsklausel abgewartet werden muss. Unabhängig davon ist aber schon jetzt zu bedenken, dass Chefärzte, die vergleichbare Abgeltungsregelungen in ihren Dienstverträgen vereinbart haben und von der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf profitieren ­wollen, eine gesonderte Vergütung für (Ruf-)Bereitschaftsdienste nur dann beanspruchen können, wenn solche Ansprüche nicht zwischenzeitlich durch Zeitablauf verfallen oder verjährt sind. Regelmäßig enthalten Chefarztverträge nämlich Bestimmungen, wonach Ansprüche aus dem Dienstverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist, meist von 6 Monaten, nach Fälligkeit vom Arzt schriftlich geltend gemacht werden. Betroffene Chefärzte sollten daher unter Berufung auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 06.05.2010 eine zusätzliche Vergütung für abgeleistete (Ruf-)Bereitschaftsdienste schon jetzt beim jeweiligen Arbeitgeber schriftlich geltend machen, um sich etwaige Ansprüche für die Zukunft zu sichern. Dies setzt selbstverständlich voraus, dass auch das Bundesarbeitsgericht die Auffassung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf zur Unwirksamkeit der Abgeltungsklausel bestätigt und der jeweilige Chefarztvertrag vergleichbare Regelungen enthält.

In ähnlicher Weise hatte bereits das Landesarbeitsgericht Hamm in seinem Urteil vom 18.03.2009 – 2 Sa 1108/08 – eine Klausel in einem Dienstvertrag für intransparent und damit unwirksam gehalten, wonach die Ableistung von Überstunden mit der vereinbarten monatlichen Vergütung abgegolten werden sollte. Auch insoweit können Chefärzte unter Berufung auf diese Entscheidung gegebenenfalls angefallene Vergütungsansprüche frühzeitig schriftlich beim Arbeitgeber anmelden, um sich etwaige zusätzliche Zahlungsansprüche zu erhalten. Eine Überstundenvergütung werden Chefärzte regelmäßig aber nur dann durchsetzen können, wenn in den Dienstverträgen Regelungen über feste wöchentliche Arbeitszeiten enthalten sind. Dies dürfte bei Chefärzten eher die Ausnahme sein.

Köln im September 2010

Rechtsanwalt Dr. A. Wienke
Fachanwalt für Medizinrecht



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