Aktuelle Neurologie 2009; 36: S287
DOI: 10.1055/s-0029-1220443
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Pharmakologische Parkinson-Therapie im Spannungsfeld differenzierter klinischer Herausforderungen

Modern Pharmacological Therapy for Parkinson's DiseaseH.  Reichmann1
  • 1Klinik und Poliklinik für Neurologie, Dresden
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Publication Date:
21 October 2009 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

1817 verfasste James Parkinson seinen berühmten „Essay on the shaking palsy”. Wir müssen zwar einräumen, dass wir nach wie vor die Ursache und die genaue Einordnung der Ätiopathogenese für diese in Deutschland bei etwa 300 000 Menschen vorliegende Erkrankung nicht kennen, andererseits aber doch in den letzten Jahren unglaubliche Fortschritte gerade bei dieser neurodegenerativen Erkrankung erzielt haben. Aus diesem Grunde ist es auch immer wieder ein Erlebnis, im Expertenkreis über dieses so facettenreiche Krankheitsbild zu diskutieren. Das vorliegende Supplement aus der „Aktuellen Neurologie” soll Ihnen einige wichtige Anregungen in der Diagnostik und Therapie des idiopathischen Parkinson-Syndroms vermitteln. Namhafte deutsche Parkinson-Experten haben sich an 2 Tagen in Stuttgart getroffen und viele, auch für den niedergelassenen Kollegen wichtige Gesichtspunkte in diesem Supplement zusammengetragen. Neben dem frühen Einsatz von MAO-B-Hemmern und Dopaminagonisten sowie der neuen Empfehlung, die Parkinson-Therapie möglichst früh zu beginnen, hat das Konzept der kontinuierlichen dopaminergen Ersatztherapie und der dadurch hoffentlich bedingten kontinuierlichen Dopaminrezeptorstimulation eine sehr hohe Akzeptanz bei niedergelassenen und klinisch tätigen Parkinsonologen gefunden. Ein besonders interessantes Instrument, eine kontinuierliche Dopaminersatztherapie zu betreiben, ist eine Pflastertherapie, weil bei entsprechender Galenik hierdurch eine kontinuierliche Freisetzung, z. B. des Dopaminagonisten Rotigotin, erreicht werden kann. Die pharmakologischen Grundlagen dieser Pflastertherapie wurden durch Prof. Jost, Wiesbaden, ausführlich diskutiert und in seinem Beitrag werden die Vorzüge und Nachteile dieser Therapieform sehr ausgewogen dargestellt.

In meinem eigenen Beitrag wird die Frage diskutiert, welche Frühsymptome, die nicht motorischer Art sind, auf ein möglicherweise beginnendes Parkinson-Syndrom hinweisen können. Im Vordergrund dieser Diskussion stehen die Hyposmie / Anosmie, Depression, REM-Schlaf-Verhaltensstörung und Obstipation. Es wird ausführlich diskutiert, dass z. B. bei Patienten, die Mitte 50 sind und eine Riechstörung entwickeln, deren Genese vonseiten eines HNO-Kollegen nicht geklärt werden kann, zu 10 % die Gefahr besteht, dass sie später ein klassisches motorisches Parkinson-Syndrom entwickeln. Mit der Obstipation ist auch der Magen-Darm-Trakt angesprochen, dessen Fehlfunktionen beim idiopathischen Parkinson-Syndrom von Herrn Woitalla, Bochum, ausführlich diskutiert werden. Es ist offensichtlich, dass die gestörte Darmmotorik ein klassisches Zeichen für autonome Dysfunktionen beim Parkinson-Syndrom einerseits darstellt und andererseits für Therapieversagen aufgrund gestörter Resorption in hohem Maße mit verantwortlich ist.

Zunehmend häufiger wenden sich Parkinson-Patienten mit schweren Dyskinesien an uns mit der Frage, ob für sie eine Tiefe Hirnstimulation infrage kommt. Im Beitrag von Herrn Timmermann aus Köln werden nicht nur die Einschluss- und Ausschlusskriterien für diese invasive Therapiemaßnahme diskutiert, sondern insbesondere die Chancen der Tiefen Hirnstimulation erörtert. Noch informativer sind sicherlich die Vorschläge, die er für den postoperativen Verlauf aufzeigt.

Die Frage, wie man eine adäquate Parkinson-Therapie bei geriatrischen Patienten aufbaut, wird von Herrn Buhmann aus Hamburg diskutiert. Gerade geriatrische Patienten leiden an vielfältigen anderen Erkrankungen, haben aufgrund moderner Antiparkinsonmittel nennenswerte Nebenwirkungen und Interaktionen zu erwarten und weisen andererseits Problemsymptome wie Verwirrtheit, Delir, Dyskinesien, Störungen des autonomen Nervensystems und kognitive Leistungseinbußen auf. Der adäquate Umgang mit diesen Spätsymptomen des idiopathischen Parkinson-Syndroms wird ausführlich diskutiert.

Gerade durch die Vielfalt der behandelnden Themen hoffe ich, dass das Ihnen hier vorliegende Supplement der Aktuellen Neurologie für Sie für den Umgang mit Parkinson-Patienten von persönlichem Gewinn sein wird.

Prof. Dr. med. Heinz Reichmann

Klinik und Poliklinik für Neurologie

Fetscherstr. 74

01307 Dresden

Email: heinz.reichmann@mailbox.tu-dresden.de

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