Dtsch Med Wochenschr 1910; 36(16): 737-742
DOI: 10.1055/s-0028-1142715
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Ueber Wesen und Behandlung der Hysterie 1)

FortbildungsvortragErnst Romberg in Tübingen 1) Vortrag im Aerztlichen Bezirksverein II in Heilbronn am 16. Dezember 1909.
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Publication Date:
01 October 2009 (online)

Zusammenfassung

Die Hysterie kann als eine angeborene krankhafte Störung im Ablauf der Assoziationen angesehen werden. Die geschlossenen Verbindungen lösen sich leicht. Es geht für kürzere oder längere Zeit das Zusammenarbeiten einer größeren oder kleineren Zahl von Assoziationen verloren. Die Art und die Dauer des Defektes bedingen das Krankhafte der hysterischen Störung. Auch zur Erklärung der Reizsymptome kann man auf eine Schwäche assoziativer Vorgänge zurückgreifen, welche Hemmungen nicht in Aktion treten lassen. Vielleicht lösen sich aber bei der Hysterie Assoziationen nicht nur abnorm leicht, sondern knüpfen sich auch mit gesteigerter Lebhaftigkeit. Auch so würden die Reizerscheinungen zu erklären sein. Dafür sprechen weiter gewisse psychische Eigentümlichkeiten der Hysterie.

Für die Entstehung der einzelnen Krankheitserscheinung dürfte neben der Beeinflußbarkeit assoziativer Vorgänge durch innere und äußere Einflüsse wichtig sein, daß die auf den Ablauf der Assoziationen gerichtete Aufmerksamkeit ihr sicheres und leichtes Zustandekommen hemmt.

Bei der Behandlung der Hysterie sind vor allem die Beschwerden und Störungen als real anzuerkennen. Unrichtig ist es, die Kranken zur Anspannung ihres Willens zu ermahnen. Neben einer entsprechenden Allgemeinbehandlung ist meist die Beeinflussung der einzelnen Beschwerden unentbehrlich. Die Beseitigung hysterischer Störungen durch Ueberrumpelung, durch Vernachlässigung, durch zielbewußte Ausbildung der abnorm funktionierenden Assoziationen wurde kurz besprochen. Hypnose und Psycho-Analyse wurden berührt. Nur durch persönliche Mitwirkung des Arztes führt ein zweckmäßiger Heilplan zum Ziel. Der Arzt soll sich aber auch bei der Hysterie von allem Mystizismus in seinen Anordnungen freihalten.

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