Dtsch Med Wochenschr 1925; 51(45): 1851-1854
DOI: 10.1055/s-0028-1137312
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Kritische Betrachtungen ueber Bestimmung und Bewertung der Keimzahl Bakterieller Impfstoffe

H. Dold - Direktor des Instituts
  • Aus dem Institut für experimentelle Therapie „Emil v. Behring” in Marburg a. L.
Further Information

Publication History

Publication Date:
22 August 2009 (online)

Zusammenfassung

1. Die Keimzahl bakterieller Impfstoffe ist keine konstante Größe; sie nimmt bei den verschiedenen Impfstoffen infolge eintretender Autolyse in wechselndem Maße mit zunehmendem Alter des Impfstoffes ab.

2. Allen Verfahren der Keimzählung haften große Mängel an. Unter gewissen Voraussetzungen, die in praxi allerdings selten erfüllt werden, ist die direkte Auszählung in geeigneter Zählkammer das verhältnismäßig exakteste Verfahren.

3. Von den indirekten Methoden verdient die Abschätzung des Keimgehaltes durch Trübungsgradmessung mit Hilfe geeigneter Apparate (Nephelometer, Turbidokolorimeter) am meisten Vertrauen und genügt allen praktischen Bedürfnissen. Voraussetzung ist aber auch hier die Beachtung einer Reihe von Fehlerquellen. Auch hier ist die Grundlage des Verfahrens eine primäre genaue Auszählung des Impfstoffes zwecks Eichung des Apparates. Die dann gefundene Beziehung zwischen Keimzahl und Trübungsgrad gilt nur für die betreffende Bakterienart (unter Umständen nur für den betreffenden Bakterientyp).

Auch dieses Verfahren ist mit einer stark persönlichen Note behaftet.

4. Die Keimzahl drückt nicht den gesamten Antigenwert eines Impfstoffes aus, da außer dem ungelösten Antigen (suspendierte Bakterien) auch noch wechselnde Mengen gelösten Antigens in den Impfstoffen enthalten sind.

5. Aus den unter 1.—4. angeführten Gründen erscheint eine nachträgliche (etwa staatliche) Kontrolle der Keimzahl bakterieller Impfstoffe undurchführbar und zwecklos, da sie einer exakten wissenschaftlichen Grundlage entbehrt.

Es ist schließlich zu bedenken, daß der Effekt eines Impfstoffes nicht bloß von der Keimzahl bzw. von dem gesamten Antigengehalt (gelöstes plus ungelöstes Antigen) des Impfstoffes abhängt, sondern von der Qualität des Impfstoffes und von anderen Faktoren, insbesondere von der individuellen und wechselnden Reizbarkeit (Reaktionsfähigkeit) des Impflings.

    >