Dtsch Med Wochenschr 1938; 64(8): 264-266
DOI: 10.1055/s-0028-1122068
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© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Über die sogenannte Vertebra plana

J. Schüller - Leiter der Orthopädischen Abteilung
  • Chirurgisch-Orthopädischen Klinik der Medizinischen Akademie in Düsseldorf. Direktor: Prof. E. K. Frey
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Publication Date:
05 May 2009 (online)

Zusammenfassung

Das Alter der Kinder betrug bei Beginn der Erkrankung 6œ—7Œ Jahre. ln zwei Fällen ging der Erkrankung ein Trauma voraus (Fall auf den Rücken, Autounfall, wobei gleichzeitig eine Klavikularfraktur entstand). Im Schrifttum finden sich vier weitere derartige Beobachtungen; bei dreien von ihnen läßt sich eine Einwirkung des Traumas auf die Erkrankung nicht von der Hand weisen. Allerdings dürfte man nach unserer Vorstellung von der Art der Erkrankung das Trauma nicht als die alleinige Ursache ansprechen, sondern wohl nur als auslösendes Moment. Daß ein Trauma, besonders ein solches wie in unserem dritten Fall, geeignet ist, einen in seinem Aufbau minderwertigen Wirbel erheblich zu schädigen, ist nicht abzustreiten. Es scheint mir sogar durchaus möglich, daß gelegentlich ein Trauma das Manifestwerden der Wirbelerkrankung verschulden kann in Fällen, die sonst symptomlos verlaufen wären.

Die Symptome konnten in zwei von unseren Fällen durchaus für die Diagnose „Spondylitis” gewertet werden, weshalb in den meisten Fällen zumindest anfangs diese Fehldiagnose gestellt werden dürfte. In dem anderen Falle waren die Beschwerden derart heftig, daß von dem einweisenden Arzt eine Fraktur oder Luxation im Bereich der Halswirbelsäule angenommen worden war. Solche akuten Symptome sind ebenfalls schon mehrfach beschrieben worden; viermal waren in den bisher beschriebenen Fällen so heftige Leibschmerzen vorhanden, daß eine abdominale Erkrankung vorzuliegen schien. Einmal erfolgte sogar nachts Krankenhauseinweisung unter der Diagnose: „Akute Appendizitis.”

Ein Gibbus war in keinem unserer Fälle zu erkennen. Ein leichter Gibbus kann jedoch nach dem Schrifttum vorhanden sein, selten auch eine leichte Kyphose an der erkrankten Stelle ohne ausgesprochenen Gibbus. In zwei von unseren Fällen war ein Klopf- und Stauchungsschmerz in der Gegend des erkrankten Wirbels vorhanden, im dritten Falle waren die Symptome so akut, daß schon bei geringem Druck in der Umgebung heftige Schmerzen geäußert wurden. Nach dem Schrifttum zu schließen, scheint der Stauchungsschmerz meistens zu fehlen. Bewegungen der erkrankten Wirbelsäule waren in zwei Fällen schmerzhaft, im dritten Falle wurde die kranke Partie steif gehalten, wenn auch kein Schmerz zugegeben wurde.

Neurologische Symptome, wie in dem einen unserer Fälle, wurden auch gelegentlich beschrieben, einmal sogar ein positiver Babinski. Dabei ist m. E. nicht anzunehmen, daß das Vorquellen des Wirbelkörpers nach der Seite, also auch in der Richtung zum Rückenmarkskanal, allein diese Erscheinungen verursacht, sondern es spielen wahrscheinlich, ähnlich wie bei der in seltenen Fällen beobachteten Rückenmarksschädigung bei Kyphoskoliose, Zirkulationsstörungen, lokales Ödem oder dergleichen hier mit eine Rolle, weil man auch bei ihnen unter Umständen einen völligen Rückgang einer hochgradigen Lähmung erlebt, ohne daß sich die Kyphoskoliose irgendwie ändert.

Die Blutkörperchensenkungsreaktion (Bl.S.R.) ist bisher, wenn sie ausgeführt wurde, niemals erhöht gefunden worden; sie scheint allerdings nur in knapp einem Drittel der Fälle ausgeführt zu sein. Wir fanden bei zwei Fällen eine leichte Erhöhung in den ersten Monaten; bei dem dritten Kranken, der die akuten Symptome bot, war die Senkung sogar eine Zeitlang deutlich erhöht.

Bei zwei von unseren Kranken wurden im Anfang bisweilen subfebrile Temperaturen gemessen, bei dem dritten war die Temperatur dauernd normal. Hierbei ist hervorzuheben, daß gerade der Fall mit den akuten Symptomen und der deutlich erhöhten Senkungsreaktion dauernd normale Temperaturen zeigte. Nach dem Schrifttum besteht meist kein Fieber, doch sind auch Ausnahmen hiervon beobachtet. Vier Fälle zeigten subfebrile Temperaturen, einer sogar drei Wochen lang hohes Fieber, ohne daß man einen Grund hierfür hätte finden können.

Das Blutbild sowie die Wassermannsche und Pirquetsche Reaktion boten, wo sie ausgeführt wurden, in Übereinstimmung mit dem Schrifttum nichts Besonderes.

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