Dtsch Med Wochenschr 2008; 133: S300
DOI: 10.1055/s-0028-1105865
Editorial

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Enzymtherapie – von den ersten Beobachtungen zu den aktuellen Erklärungsmodellen

Enzyme therapy – from first observations to current explanation modelsD. Adam1
  • 1Wissenschaftliche Gesellschaft zur Förderung der Enzymtherapie in München
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Publication Date:
11 December 2008 (online)

Die wissenschaftliche Begründung der Enzymtherapie begann mit den Beobachtungen von Ernst Freund und Gisa Kaminer, die 1932 Tumorzellkulturen anlegten. Um das Wachstum darin zu ermöglichen, inkubierten sie die Zellen mit Serum der Tumorpatienten. Als davon nicht genug vorhanden war, benutzten sie Serum von Gesunden, mussten aber feststellen, dass sich die Tumorzellen darin auflösten. Wenn sie Serum von Gesunden und Tumorpatienten zu gleichen Teilen mischten, blieb die Lyse der Tumorzellen aus. Sie folgerten, dass Serum von Tumorpatienten einen Stoff enthält, der die Lyse der Zellen verhindert.

Wenige Jahre später entdeckte Max Wolf, dass der unbekannte Hemmstoff im Serum von Tumorpatienten Proteasen wie Chymotrypsin hemmen kann. Durch Zusatz von Proteasen ließ sich nämlich die lytische Eigenschaft des Serums wieder herstellen. Auf dieser Grundlage entwickelte Adolf Gaschler 1938 das erste Enzym- bzw. Fermentpräparat (Carzodelan) [1], das die hydrolytische Aktivität im Serum von Tumorpatienten wieder herstellen sollte. Das i. m. oder als Aerosol angewendete Präparat, enthielt neben Proteasen (Chymotrypsin und Trypsin) auch Lipasen, Amylasen, Ribonukleasen und Desoxyribonukleasen. Es wurde seit 1948 klinisch getestet, erwies sich allerdings bei Krebspatienten nicht als besonders wirksam [2].

Den Gedanken, dass eine verminderte hydrolytische und fibrinolytische Aktivität des Serums, wie bei alten Menschen häufig vorhanden, zu dem erhöhten Tumorrisiko im höheren Lebensalter beitragen könnte, verfolgten Max Wolf und Helene Benitez in den 1940er Jahren systematisch, indem sie in vielen Reihen die Sensitivität unterschiedlicher Tumorzellen gegen Enzyme testeten. Sie untersuchten tierische Enzyme, wie Cathepsin, Pepsin, Trypsin, Chymotrypsin, Katalase, Lysozym, Hyaluronidase, sowie pflanzliche Enzyme, wie Bromelain, Papain, Ficin. Sie testeten die unterschiedlichen Tumorzellen nicht nur gegen die Einzelenzyme, sondern auch gegen Kombinationen. Dabei erwiesen sich bestimmte Kombinationen als besonders wirksam. Die Wissenschaftler, zu denen Karl Ransberger gestoßen war, überprüften auch das Verhalten von gesunden Zellen gegenüber den wirksamen Kombinationen, um nur solche weiter zu erforschen, die gesunde Zellen nicht angriffen. Seit den späten 1950er Jahren, als die ersten Enzymgemische als Medikamente eingeführt wurden, haben sich die Indikationen der systemischen Therapie auf viele Autoimmunerkrankungen ausgeweitet. Empirisch hat sie sich bewährt: Viele Patienten berichten, dass sie sich unter einer Enzymtherapie besser fühlen. Dieses Supplement soll einen Ausgangspunkt und Aufbruch markieren: Welche wissenschaftliche Basis hat die Enzymtherapie heute und wie können wir sie auf eine noch solidere Basis stellen?

Ein „Comeback” für die Bedeutung der Proteasen bei Entzündung, Thrombose usw. war die Erkenntnis, dass Protease-aktiviertes a2-Makroglobulin ein wesentliches Regulatormolekül für den Haushalt an Zytokinen und Wachstumsfaktoren darstellt [3] [4] . Mit der Entdeckung der Protease-aktivierten Rezeptoren (PARs) und dem Nachweis der Elimination von Zytokinen und Wachstumsfaktoren über das Low Density Lipoprotein Receptor-Related Protein (LRP) und die Regulation über den a2-Makroglobulin Signal-Rezeptor (MSR) kristallisierte sich in den letzten Jahren auch ein völlig neues Konzept der Wirkweise von Proteasen wie Thrombin, Plasmin oder oral zugeführten Proteasen heraus [5] [6].

Die 2007 gegründete „Wissenschaftliche Gesellschaft zur Förderung der Enzymtherapie (WGFE)” soll die Erforschung der Enzymtherapie sowie die Information medizinischer Fachkreise fördern und die wissenschaftliche Begründung der Enzymtherapie auch dem breiten Publikum zugänglich machen. Zu diesem Zweck unterstützt die WGFE Forschungsvorhaben und die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen. Mit dem Ziel der Forschungsförderung hat die WGFE den „Deutschen Enzympreis” ausgelobt, der 2008 erstmalig vergeben wurde.

Autorenerklärung: Der Autor hat Verbindungen zu folgenden Firmen: Bayer, Wyeth, Arpida, Mucos-Pharma, Haupt-Pharma, Medifact (Wyeth), Amgen, Apogepha, Riemser, PaediaCRO gmbH, Pfizer, Essex-Pharma und GSK.

Literatur

  • 1 Gaschler A. Fermente und Krebs. Hippokrates 1957 2B: 68-75
  • 2 Wolf M, Ransberger K. Enzymtherapie. Wien: Maudrich Verlag
  • 3 Lauer D. et al . Beeinflussung der Wachstumsfaktor-bindenden Eigenschaften von a2-Makroglobulin durch Enzymtherapie.  Cancer Chemother Pharmacol. 2001;  47 (Suppl) S4-S9
  • 4 Paczek L. et al . Protease administration decreases enhanced transforming growth factor-beta 1 content in isolated glomeruli of diabetic rats.  Drugs Exp Clin Res. 2001;  27 141-149
  • 5 Hollenberg M D. et al . Proteinases as hormone-like signal messengers. Proteinase-activated receptors and the pathophysiology of inflammation, pain, cardiovascular disease and cancer.  Swiss Med Wkly. 2005;  135 425-436
  • 6 Misra U K. et al . Coordinate regulation of the a2-macroglobulin signaling receptor and the low density lipoprotein receptor-related protein/a2-macroglobulin receptor by Insulin.  J Biol Chem. 1999;  274 25785-25791

Prof. Dr. Dr. Dieter Adam

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