Rehabilitation (Stuttg) 2008; 47(4): 199
DOI: 10.1055/s-0028-1082296
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Systematische Reviews und Metaanalysen in der medizinischen Rehabilitation

Systematic Reviews and Meta-Analyses in Medical Rehabilitation
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Publication Date:
14 August 2008 (online)

Die Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW) hat in ihrer Bestandsaufnahme zur Rehabilitationsforschung in Deutschland u. a. auf einen forschungsstrategischen und methodischen Weiterentwicklungsbedarf hingewiesen ([1], S. 142). Sie sieht diesen Entwicklungsbedarf in einem engen Zusammenhang mit der „Kommunizierbarkeit” von wissenschaftlichen Befunden. In der dazu erstellten Zusammenstellung vorrangiger Themen bzw. Instrumente werden „Übersichtsarbeiten und Metaanalysen” ausdrücklich genannt. Derartige wissenschaftliche Arbeiten sind nicht allein für die Forschung, sondern ebenso für die Praxis von enormer, häufig unterschätzter Bedeutung. Sie dienen nicht nur der Darstellung des Forschungsstandes in einem definierten Themenbereich oder der Konkretisierung und Spezifizierung von Forschungsbedarf. Sie tragen ebenso dazu bei, wissenschaftliche Ergebnisse in die Praxis hineinzubringen, Transferwege zu verkürzen und zugleich bestehende Unübersichtlichkeiten und Intransparenzen in der Forschungslandschaft zu mindern sowie wissenschaftliche Erkenntnisse für die Praxis besser und gezielter nutzbar zu machen. Auch die Entwicklung von Leitlinien ist auf systematische Reviews angewiesen. Sie sollen letztlich eine „Synthese für die beste Evidenz für klinische Entscheidungen” liefern.

Übersichtsarbeiten und Metaanalysen haben somit das Ziel, die Ergebnisse von durchgeführten Untersuchungen (Primärstudien) national wie international zu einem bestimmten Forschungsgebiet systematisch zusammenzufassen und zu bewerten. Metaanalysen i. e. S. beruhen in der Regel auf einem Vergleich quantitativer Studien mit statistischen Mitteln und können insofern als ein Spezialfall von Übersichtsarbeiten verstanden werden. In jedem Falle gehen auch wichtige Bedingungen des Forschungsprozesses mit in die Beurteilung ein, die die Qualität von Ergebnissen mitbestimmen oder beeinflussen können und zugleich Anregungen für die Organisation von Studien bieten. Für die Erstellung von Übersichtsarbeiten und Metaanalysen sind schon seit einiger Zeit Qualitätsstandards entwickelt worden, die als Orientierung dienen und möglichst eingehalten werden sollten. Speziell für die Beschreibung und den Vergleich randomisierter kontrollierter Studien (RCTs), die u. a. für die Evidenzbasierung der Rehabilitation von großer Bedeutung sind, ist die Leitlinie „Consolidated Standards of Reporting Trials” (CONSORT-Kriterien) zu nennen, deren Anwendung von der Cochrane Collaboration, aber auch von der DGRW empfohlen wird [2].

Reviews, Übersichtsarbeiten und Literaturstudien sind in dieser Zeitschrift immer wieder veröffentlicht worden (vgl. u. a. [3–5]). In dieser Ausgabe zeigen wir u. a. die Ergebnisse einer Metaanalyse zur orthopädischen Rehabilitation von Bethge und Müller-Fahrnow, die sich an den genannten Kriterien orientiert und insbesondere als Beispiel für einen systematischen Vergleich von Studien angesehen werden kann. Sie zeigt den „Zugewinn”, aber auch den erheblichen Aufwand, den derartige Analysen mit sich bringen. Sie lassen sich nicht „nebenher”, z. B. als Vorbereitung von Untersuchungen, durchführen, sondern bedürfen einer expliziten Förderung. In der Forschungsförderung sind sie auch deshalb zu unterstützen, weil sie dazu beitragen können, knappe Mittel effizienter einzusetzen. Der Wert der vorliegenden Studie liegt u. a. darin, dass sie bestätigt, dass neue Konzeptentwicklungen in der Rehabilitation – hier am Beispiel muskuloskelettaler Erkrankungen – Fortschritte in der Behandlung erzielen und so Weiterentwicklungen in der Rehabilitation unterstützen.

Bei allen Vorteilen, die systematische Reviews und Metaanalysen haben, erscheint es auch notwendig, auf Begrenzungen – vor allem aus der Sicht der Praxis – hinzuweisen. In der Regel bedeuten hohe methodische Standards zugleich „Verengungen” auf studiengerechte vergleichbare Patientenmerkmale, die denen der Patienten in der Praxis häufig nicht umfänglich entsprechen. Reviews und Metaanalysen dürfen deshalb den Blick für den Rehabilitationsbedarf des einzelnen Rehabilitanden in der klinischen Praxis nicht verstellen.

Neben dem Leitthema erscheinen in dieser Ausgabe auch Beiträge zur Patientenschulung, zur ICF und zu Methoden sowie verschiedene Berichte zu relevanten Tagungen.

Literatur auf S. 262 d. Z.

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