Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2024; 31(04): 156-157
DOI: 10.1055/a-2351-8379
Magazin

Neues aus der Reisemedizin

Ausgewählte Meldungen und aktuelle Entwicklungen
Unn Klare
1   Behnkenhagen
› Author Affiliations

Zunahme hitzebedingter Todesfälle durch Klimawandel

Mindestens 6 Touristen, die im Juni in verschiedenen Regionen Griechenlands während einer Hitzewelle bei bis zu 45 °C zu Wanderungen aufgebrochen waren, verstarben infolge der extremen Temperaturen. Etwa zeitgleich litt das indische Neu-Delhi unter einer der längsten und heißesten Hitzeperioden, die dort je gemessen wurden – bis Mitte Juni wurden dort etwa 40 000 Verdachtsfälle eines Hitzschlags registriert und Dutzende, wenn nicht Hunderte Menschen starben infolge der Rekordtemperaturen von teilweise mehr als 52 °C. Und während der muslimischen Hadsch-Pilgerreise nach Mekka in Saudi-Arabien gab es Mitte Juni innerhalb von 6 Tagen sogar etwa 1300 Todesfälle – Grund war auch hier bei Temperaturen von teilweise über 50 °C meistens ein Hitzschlag.

Diese 3 Meldungen – die noch durch weitere aktuelle Beispiele aus Westafrika, Südostasien oder Amerika ergänzt werden könnten – zeigen eindrücklich, dass der Klimawandel und seine Folgen keine Probleme der Zukunft sind: Bereits jetzt führen die steigenden Temperaturen vielerorts zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität, des Gesundheitszustands und auch der Lebensdauer.

Das Robert Koch-Institut (RKI) schätzt, dass es vergangenes Jahr in Deutschland mindestens 3200 hitzebedingte Sterbefälle gab, für die 5 Jahre davor schwankt dieser Wert – je nach Temperaturverlauf des Sommers – zwischen 1700 und 8700 [1]. Für ganz Europa lag die Zahl der hitzebedingten Todesfälle laut einer anderen Studie [2] im Jahr 2022 sogar bei etwa 62 800.

Natürlich sind diese Werte nur Schätzungen: Meist führt die Hitzeeinwirkung nicht wie beim Hitzschlag unmittelbar zum Tod, sondern wirkt in Kombination mit bereits bestehenden Vorerkrankungen (welche dann auf dem Totenschein als Todesursache angegeben werden), sodass die Zahl der Hitztoten über die Übersterblichkeit errechnet werden muss. Dies kann – je nach Methodik – durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, wie auch die beiden oben zitierten Studien zeigen: Während das RKI die Zahl der hitzebedingten Sterbefälle in Deutschland für das Jahr 2022 mit etwa 4500 angibt, kommen Ballester et al. auf fast 8200. Und natürlich gab es auch schon früher Hitzewellen mit Hitzetoten und bei aktuellen Rekordtemperaturen spielen auch natürliche Phänomene wie El Niño eine Rolle.

Aber der Trend ist eindeutig: Zum einen ist seit der vorindustriellen Zeit ein weltweiter Temperaturanstieg um ca. 1,1 °C belegt [3]. Und da sich Landmassen schneller erwärmen als Ozeane, ist die Mehrheit der Erdbevölkerung von noch stärkeren Temperaturerhöhungen betroffen: In Deutschland beispielsweise ist der Jahresmittelwert der Lufttemperaturen im bundesweiten Durchschnitt von 1881–2021 statistisch gesichert um 1,6 °C angestiegen [4]. Darüber hinaus – und für die Betrachtung der hitzebedingten Todesfälle noch relevanter – nimmt auch die Zahl der Hitzetage zu: Einer Ende Juni veröffentlichten Studie des Internationalen Institus für Umwelt und Entwicklung (iied) zufolge erhöhte sich die Anzahl der Tage mit mindestens 35 °C in den 20 bevölkerungsreichsten Hauptstädten der Welt innerhalb der letzten 30 Jahre um 52 % [5]. Einer der deutlichsten Anstiege war in Jakarta zu beobachten: Zwischen 1994 und 2003 gab es dort insgesamt lediglich 28 Tage, an denen 35 °C erreicht wurden. Im folgenden Jahrzehnt waren es 153 Tage und von 2014–2023 dann 167 Tage extremer Hitze [5]. Auch Regionen außerhalb der Tropen und Subtropen sind betroffen: So hat sich in Deutschland die Anzahl der „heißen Tage“ (also der Tage, an denen die Höchsttemperatur 30 °C erreicht) über das ganze Land gemittelt seit den 1950er-Jahren von etwa 3 auf derzeit durchschnittlich 9 Tage pro Jahr verdreifacht [4].

Und dieser Anstieg von Durchschnittstemperatur und Anzahl der Hitzetage hat eben auch messbare Folgen auf die Gesundheit: Laut dem aktuellen „Lancet Countdown Europe“ [6] stieg die Zahl hitzebedingter Todesfälle in Europa von ca. 51 pro 100 000 Einwohnern im Zeitraum von 2003–2012 auf 68 im Zeitraum von 2013–2022. Weltweit hat sich die hitzebedingte Sterblichkeit der über 65-Jährigen (der neben Babys gefährdetsten Bevölkerungsgruppe) vom Zeitraum 1991–2002 bis zum Zeitraum 2013–2022 um 85 % erhöht – ohne den Klimawandel wäre in diesem Zeitraum aufgrund demografischer Veränderungen nur ein Anstieg um 38 % zu erwarten gewesen [3]. Sollte der Temperaturanstieg auf knapp unter 2 °C begrenzt werden können, würde sich der Wert bis Ende des Jahrhunderts Prognosen zufolge auf 683 % erhöhen. Sollte es jedoch keine deutlichen Änderungen der politischen Ansätze geben, steuert die Welt bis zum Jahr 2100 auf eine Temperaturerhöhung von etwa 2,7 °C im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu – die hitzebedingte Sterblichkeit der über 65-Jährigen würde dann im Vergleich zum Zeitraum 1991–2002 sogar um 1537 % ansteigen [3].

Und dies sind nur die direkt auf zunehmende Hitze zurückzuführenden Todesopfer. Hinzu kommen weitere Aspekte, die den Gesundheitszustand und die Lebensdauer beeinflussen: Länger andauernde Hitze minimiert die Zeit, in der wir gefahrlos körperlich aktiv sein und so etwas für unsere physische und mentale Gesundheit tun können – vergleicht man die Zeiträume 1991–2000 und 2023–2022 so nahm die Anzahl der Stunden, in denen selbst leichte Outdooraktivitäten aufgrund von Hitzestress ein zumindest moderates Gesundheitsrisiko darstellten, bereits um mehr als 20 % pro Person und Jahr zu.

Hinzu kommen weitere Negativfolgen der Hitze für die menschliche Gesundheit:

  • Eine erhöhte Gefahr von Waldbränden kann nicht nur zu mehr Toten in den Feuern selbst sondern auch zu einem steigenden Gesundheitsrisiko durch eingeatmete Rauchpartikel führen.

  • Das Vorkommen von Krankheitserregern und ihren Überträgern kann sich sowohl geografisch als auch zeitlich ausweiten (betrifft u. a. West-Nil-, Dengue-, Zika- und Chikungunya-Viren, Malaria, Vibrionen und verschiedene durch Zecken übertragene Erreger).

  • Durch eine Zunahme von Dürren sind mehr Menschen von Wasser- und Nahrungsmittelknappheit betroffen. Hinzu kommt ein steigendes Risiko, Opfer von Gewalt zu werden, etwa weil Frauen und Mädchen längere Strecken zum Wasserholen zurücklegen müssen, Familien ihren Wohnort aufgeben und zu Flüchtlingen werden oder weil es bewaffnete Konflikte um Land gibt.

Des Weiteren beinhaltet der Klimawandel ja nicht nur eine Zunahme von Hitzetagen, sondern auch von anderen Extremwetterlagen, welche ebenfalls zahlreiche Gesundheitsrisiken bergen. Auch ohne die Betrachtung der erheblichen ökonimischen und ökologischen Folgen sollte daher eigentlich jedem bewusst sein, dass schnellstmöglich und konsequent gehandelt werden muss, um den Temperaturanstieg zu stoppen. Nur so können die negativen Folgen des Klimawandels zwar nicht mehr verhindert, zumindest aber eingedämmt werden.



Publication History

Article published online:
07 August 2024

© 2024. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany