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DOI: 10.1055/a-2349-5884
Kommentar: Das Bessere ist der Feind des Guten
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Die meisten nicht refluxiven – nicht obstruktiven Megaureteren (MU) werden konservativ gemanaged. Nur wenige benötigen aufgrund einer verschlechterten ipsilateralen Nierenfunktion, einer zunehmenden Harntraktdilatation und/oder dem Auftreten klinischer Symptome – dann als „obstruktiv“ definiert – eine Rekonstruktion. Die Herausforderung bleibt das Management symptomatischen MU im ersten Lebensjahr. Die traditionellen operativen Harnleiterreimplantationen sind schon alleine wegen des relativen Missverhältnisses einer kleinen Blase und der oft erheblichen Ureterweite nicht ratsam. Zudem ist eine Beeinträchtigung der Blasenfunktion durch frühe Reimplantationen im ersten Lebensjahr möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich [1]. Eine gute Alternative bieten in diesen Konstellationen das einfach zu versorgende Ureterhautstoma, die einfache, d.h. refluxive „innere“ Ureterovesikostomie [2] oder auch die als „minimal“- invasiv bezeichnete Ballondilatation. Beide zuerst genannten offen-operativen Verfahren erfordern einen zweiten rekonstruktiven Schritt mit Resektion der Uretermündungsstenose und einer definitiven Ureterreimplantation. Alle von der Gruppe um Käfer unter Anwendung der refluxiven Ureterovesikostomie behandelten MU wurden reoperiert – entweder reimplantiert oder (bei ausbleibender Erholung der Nierenfunktion) nephrektomiert [3]. Die Ballondilatation hingegen strebt einzeitig einen kurativen Erfolg an. Eine 2023 publizierte Metaanalyse zeigte jedoch neben einer uneinheitlichen Indikationsstellung und einer sehr variablen Erfolgsrate eine nicht unwesentliche Komplikationsrate von 23–60% [4]. Daher ist fraglich, ob die Dilatation tatsächlich eine effektive Alternative darstellen könnte.
Soweit so gut. Was macht die Gruppe aus Toronto bei ihrer Methode der Ureterovesikostomie nun so grundsätzlich anders [5]? Im Gegensatz zu Käfer lassen die Torontonians die ureterovesikale Einheit unangetastet und schalten einen Seit-zu-Seit-Bypass (Ureter-Blasen-Bypass) vor. Durch diesen Bypass wird vermeintlich ein freier Abfluss, in jedem Fall aber eine u.U. hochgradige, frei refluxive Situation geschaffen. Die Autorengruppe legt perioperativ bis auf wenige Ausnahmen keinen einzigen Schlauch ein. Zudem werden grundsätzlich vorerst keine Reeingriffe geplant, solange keine klinischen Symptome wie Harnwegsinfektionen (HWI) oder Harntraktdilatationen (HTS) auftreten. Die Autoren führen als positive Argumente für diesen Bypass ein minimales Eingreifen in Ureter- und Blasendurchblutung bzw. – innervation an, zudem die meist regredienten Hydroureter- bzw. Hydrodronephrosegrade. Die Indikationen zum Bypass im Kollektiv wurden initial anhand der „klassischen“ Parameter gestellt. In einem Follow-up von median 45 Monaten (Range 23–67 Monaten) erhielten nur 15 % bei Symptomen (fieberhafte HWI/zunehmende HTS) eine Reimplantation im Verlauf. Allerdings muss betont werden, dass alle eine Prophylaxe erhielten; unklar ist wie lange. HWIs waren zwar die Hauptkomplikation in diesem retrospektiven Setting, jedoch nicht relevanter als nach konservativem oder offen operativem MU Management: 30% erlitten maximal einen HWI, > 50% davon erst ein Jahr nach dem „Bypass-Eingriff“.
Welche Schlussfolgerung ist nun zu ziehen? Die Möglichkeit eines inneren Bypasses zwischen Ureter und Blase ist bei den bekannten Indikationen zum operativen Vorgehen im frühen Säuglingsalter durchaus zu diskutieren. Hinsichtlich der Langzeitimplikationen sollte man vor allem wegen des „refluxiven“ Momentes des Bypasses, der derzeit noch begrenzten Nachsorgedauer und den unvorhersehbaren Auswirkungen auf die Blasenfunktion durch refluierende Volumenverschiebung vorsichtig sein. Zudem bleibt das Reflux-Moment durch den operativen Eingriff fixiert und kann vermutlich keinesfalls maturieren. Neu ist die Tatsache, dass in den allermeisten Fällen die eigentliche Obstruktion nicht mehr therapiert wird, sondern aus der einen Pathologie eine andere gemacht wird, die aber – so ist zu hoffen – offenbar in den meisten Fällen keinen Schaden anrichtet. Das mutet aus chirurgischer Sicht gewagt an. Ob eine so extreme konservative Methode wirklich und im Vergleich mit anderen ebenso vermeintlich „gering invasiv(er)en“ Methoden [4] sicher ist, bleibt abzuwarten. Unsere tradierte Denkweise herauszufordern, haben die Autoren jedoch erneut geschafft!
Publication History
Article published online:
06 February 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 de Kort LMO, Klijn AJ, Uiterwaal CSPM. et al. Ureteral reimplantation in infants and children: effect on bladder function. J Urol 2002; 167: 285-287
- 2 Lee SD, Akbal C, Kaefer M. Refluxing ureteral reimplant as temporary treatment of obstructive megaureter in neonate and infant. J Urol 2005; 173: 1357-1360
- 3 Kaefer M, Misseri R, Frank E. et al. Refluxing ureteral reimplantation: a logical method for managing neonatal UVJ obstruction. J Pediatr Urol 2014; 10: 824-830
- 4 Skott M, Gnech M, Hoen LA. et al. Endoscopic dilatation/incision of primary obstructive megaureter. A systematic review. On behalf of the EAU paediatric urology guidelines panel. J Pediatr Urol 2024; 20: 47-56
- 5 Khondker A, Rickard M, Kim JK. et al. Should a Refluxing Internal Diversion Be Considered a Temporizing Procedure? Extended Follow-up and Outcomes After Side-to-Side Ureterovesicostomy for Primary Obstructive Megaureter in Young Children. J Urol 2024; 212: 196-204