Krankenhaushygiene up2date 2024; 19(03): 195-197
DOI: 10.1055/a-2329-9796
Editorial

Infektionsprävention und antimikrobielle Resistenz – globale Perspektive 2024 auf der UN Generalversammlung

Tim Eckmanns
,
Muna Abu Sin

Infektionsprävention und Krankenhaushygiene haben während der COVID-19-Pandemie weltweit an Aufmerksamkeit und Bedeutung gewonnen, was sich unter anderem auch in der Verabschiedung eines Globalen Aktionsplan zur Infektionsprävention während der diesjährigen Weltgesundheitsversammlung, die das höchste Entscheidungsgremium der Weltgesundheitsorganisation ist, widerspiegelt. Der Globale Aktionsplan zur Infektionsprävention zeigt an vielen Stellen die wichtige Verknüpfung zu dem Thema antimikrobielle Resistenz (AMR) und insbesondere Antibiotikaresistenz auf [1]. „Prevention first“ – die Verhinderung von Infektionen durch Zugang zu sauberem Wasser, Sanitäranlagen und Hygiene sowie Impfungen und der Zugang zu effektiver Diagnostik und sachgerechter Therapie im Falle von Infektionen sind Grundvoraussetzungen, um der Entwicklung von AMR weltweit entgegenwirken zu können.

Am 26.09.2024 wird nach 2016 zum zweiten Mal ein hochrangiges Treffen zu AMR bei der Vollversammlung der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen in New York stattfinden [2]. AMR wird dieses Jahr also weit oben auf der politischen Agenda stehen. Dennoch stellt sich die Frage, wie gerade auch angesichts zahlreicher auf globaler Ebene miteinander um Ressourcen konkurrierender Gesundheitsthemen das notwendige Bewusstsein und Engagement für nachhaltige Veränderungen und Fortschritt in den Bereichen Infektionsprävention und Kontrolle von AMR erreicht und erhalten werden kann.

Eine Herausforderung stellt sicherlich die Komplexität des Themas dar – es handelt sich bei AMR nicht um ein klassisches Gesundheitsthema, das sich mit einer Krankheit beschäftigt. Im Rahmen eines One-Health-Ansatzes sind zudem die Bereiche Tiergesundheit, Lebensmittelproduktion und Umwelt ebenfalls betroffen. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang das übergeordnete Ziel im Hinblick auf Aktivitäten und Maßnahmen hervorzuheben: die Effektivität von antimikrobiellen Substanzen und insbesondere Antibiotika zur Behandlung von Infektionen zu erhalten. Hierzu gehört auch der nachhaltige Zugang zu Antibiotika. Ohne diesen können auch Antibiotic-Stewardship-Maßnahmen nicht greifen.

Im Vorfeld des diesjährigen Treffens bei den Vereinten Nationen sind zahlreiche wissenschaftliche Publikationen, Untersuchungen und Positionspapiere veröffentlicht worden – unter anderem zur Krankheitslast von antibiotikaresistenten Erregern und der Bedeutung von Surveillance, zur Effektivität und Kosten von Maßnahmen und Kosten von Nichthandeln sowie zu Maßnahmen, die dem Versagen des Marktes und von Public Health bei der Entwicklung von und den Zugang zu neuen und existierenden Antibiotika entgegenwirken können.

Auf drei Punkte möchten wir im Folgenden kurz näher eingehen: die Herausforderung und Bedeutung von Kommunikation, von geeigneten Zielvorgaben und einer validen Datengrundlage.

Im Zusammenhang mit der Bedrohung durch Pandemien wurde AMR als stille oder auch schleichende Pandemie bezeichnet. Dieses Bild ist aus unserer Sicht wenig hilfreich, um Aufmerksamkeit zu erhalten und vor allem auch zeitnahes und nachhaltiges Handeln zu erreichen. AMR ist keine Krankheit und kein Syndrom. Infektionskrankheiten lassen sich häufig hinsichtlich Prävention, Symptomen, Diagnose und Therapie, aber auch Aspekten wie Surveillance, Forschung und Entwicklung sowie Finanzierung klarer umreißen. Und die Weltgesundheitsorganisation hat für viele der Infektionskrankheiten krankheitsspezifische vertikale Programme aufgelegt. AMR ist eher ein Phänomen und wie Infektionsprävention im Kontext Gesundheitssystem als Querschnittsthema anzusehen. Die Stärkung von Infektionsprävention und der Kontrolle von AMR sollte immer auch zu einer Stärkung des Gesundheitssystems als Ganzem führen. Wenn wir über das Thema AMR reden, ist unser Fokus aber häufig Erreger und „drug-bug“ fokussiert. Eine im Juni 2024 in der Fachzeitschrift Lancet erschienene Reihe verschiebt die Perspektive und setzt den Fokus etwas anders [3]. Maßnahmen sollten darauf abzielen, Patientinnen und Patienten für alle behandlungsbedürftigen bakteriellen Infektionen überall Zugang zu bezahlbaren und effektiven Antibiotika zu gewähren.

Der kürzlich veröffentlichte Aktionsplan zur Deutschen Antibiotika Resistenzstrategie (DART 2030) enthält Indikatoren und konkrete Zielvorgaben zum Antibiotikaverbrauch und zu Resistenzraten, die die EU-Ratsempfehlungen zu AMR von 2023 aufgreifen [4] [5]. Auch im Zusammenhang mit den Verhandlungen zur politischen Deklaration des diesjährigen hochrangigen Treffens zu AMR bei den Vereinten Nationen sind Zielvorgaben, sogenannte „targets“ sowohl auf globaler als auch auf Ebene der Mitgliedsstaaten ein viel diskutiertes Thema, um Effektivität von Maßnahmen und Fortschritt bei der Kontrolle von AMR abbilden zu können. Auch wenn in vielen Ländern und Regionen die Datenlage lückenhaft ist, wird in der Bereitschaft Zielvorgaben zu formulieren und dann hoffentlich auch zu implementieren, ein Instrument gesehen, um Gesundheitssysteme sowie Kapazitäten für Labordiagnostik und somit auch für die Generierung von Surveillance-Daten basierend auf klinischen Routinedaten zu stärken.

Die Zahlen zur „Krankheitslast“ in Zusammenhang mit AMR im Jahr 2019 sind viel zitiert und zeigen die Bedeutung einer validen Datengrundlage.

Die Global Burden of Disease Study des Instituts für Health Metrics and Evaluation (IHME) dient vielen Ländern als eine Entscheidungsgrundlage für die Priorisierung von Gesundheitsmaßnahmen [6]. Auch bei den Zahlen zur AMR „Krankheitslast“ sollten wir den Gesamtkontext nicht aus den Augen verlieren. Gemeinsam mit der Universität Oxford hat das IHME im GRAM-Projekt die AMR „Krankheitslast“ beruhend auf den Todesfällen in Verbindung mit Sepsis berechnet. Im Jahr 2019 sind dies geschätzte 13,7 Millionen Todesfälle. Schätzungsweise 7,7 Millionen Todesfälle davon stehen mit 33 bakteriellen Erregern und 11 Infektionssyndromen in Zusammenhang, von denen wiederum 4,95 Millionen Todesfälle auf Infektionen mit resistenten Bakterien zurückzuführen sind. Davon sind mindestens 1,27 Millionen Todesfälle direkt auf AMR zurückzuführen, die anderen Patientinnen und Patienten wären auch verstorben, wenn der Erreger nicht resistent gewesen wäre [7] [8]. Bisher ist leider noch keine direkte Einordnung von Todesfällen bzw. „Krankheitslast“ in Zusammenhang mit AMR in die Gesamtliste durch IHME erfolgt, was die hohe Relevanz sowohl im globalen Kontext aber auch für Deutschland im Vergleich zu Todesfällen in Zusammenhang mit nicht-übertragbaren Erkrankungen und durch Unfälle deutlich aufzeigen würde.

In Zeiten von Kürzungen gerade auch in Bereichen, die vermeintlich nur Kosten aber keine Einnahmen generieren wie in der Krankenhaushygiene, sind dies gute Argumente mehr für den Infektionsschutz und zur Kontrolle von Infektionen mit resistenten Erregern zu machen.

Ihre

Tim Eckmanns und Muna Abu Sin



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Article published online:
13 August 2024

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