Aktuelle Urol 2024; 55(05): 400-404
DOI: 10.1055/a-2325-2035
Referiert und kommentiert

Kommentar zu: Therapie von Blasenhalsstrikturen mit der Technik nach Palminteri-Ferrari

Contributor(s):
1   Klinik und Poliklinik für Urologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland
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Margit Fisch
2   Klinik und Poliklinik für Urologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland
› Author Affiliations

Die rezidivierende Stenose der posterioren Harnröhre gilt als eine der anspruchsvollsten rekonstruktiven Herausforderungen im unteren Harntrakt. Häufig führt ausgeprägte Narbenbildung zu erschwerten Heilungsprozessen, was wiederholte Eingriffe und letztlich eine ausbleibende langfristige Heilung zur Folge haben kann. Palminteri und Ferrari [1] stellen in ihrem Protokoll eine Kombination zweier etablierter Behandlungsansätze für hauptsächlich iatrogene posteriore Harnröhrenstenosen vor: die endoskopische kreuzförmige Narbeninzision mittels Holmiumlaser in Verbindung mit der intraläsionalen Applikation eines antifibrotischen Wirkstoffs – des synthetischen Glukokortikoids Triamcinolonacetonid. Die Rationale dieses Ansatzes beruht auf einem stimulierenden Effekt auf die endogene Kollagenase und einer Herunterregulation der Kollagenablagerungen. Dies soll theoretisch zu einem optimierten mukosalen Heilungsprozess führen, der mit weniger Narbenbildung und Stabilisierung der Stenose und somit einem reduzierten Rezidivrisiko einhergeht [2].

Es muss festgehalten werden, dass die Datenlage zur Effektivität der Steroidinjektion als additive Prozedur zur endoskopischen Stenosenbehandlung mit großen Fragezeichen versehen ist. Während für die topische Salbentherapie mit Steroiden im Rahmen der intermittierenden Selbstdilatation (ISD) ein gewisser Nutzen gegenüber der alleinigen ISD gezeigt wurde (Stabilisierung der Stenose in 77% vs. 64%; p=0.04) [3], ist die Evidenz für intraläsionale steroidale Injektionen simultan zur Urethrotomie noch dünn. In einer Meta-Analyse der vorhandenen zwei randomisiert-kontrollierten Studien (RCTs) mit 50 [4] bzw. 70 [5] Patienten konnte kein Unterschied in den Rezidivraten nach Urethrotomia interna mit vs. ohne additiver submukosaler Steroidinjektion gezeigt werden (p=0.10) [6]. Daher empfiehlt die European Association of Urology (EAU) in den gültigen Leitlinien zur Harnröhrenstriktur die Anwendung dieser Wirkstoffe auch nur im Rahmen klinischer Studien [7]. Es sei außerdem erwähnt, dass alle oben genannten RCTs auf die Behandlung anteriorer Strikturen begrenzt waren, sodass für die intraläsionale Steroidinjektion mit Ausnahme von kleinen Fallserien keine gute Datengrundlage für die Blasenhalsstenose (BNS) oder vesikourethrale Anastomosenstenose (VUAS) nach Prostatektomie vorliegt [8] [9] [10].

Den Autoren ist zu gratulieren, da sie eine Explorationsstudie nach dem IDEAL-Protokoll durchgeführt haben, indem sie einen standardisierten Ansatz konsequent umsetzen konnten. Wie oft bei kleineren Fallserien stellt uns jedoch das Fehlen eines Komparators (endoskopische Inzision ohne Triamcinoloninjektion) vor das Problem der tatsächlichen Effektivitätsfrage. Die Reinterventionsrate eines Eingriffs in Narkose von 53% ist sicherlich hoch, und es stellt sich die Frage, ob z.B. auch eine einfache ambulante bzw. „out-of-office“ ISD ± topischem Steroid ähnliche Ergebnisse erzielen würde und somit dem Patienten ein Krankenhausaufenthalt und eine Narkose erspart werden könnte. Die Heterogenität des inkludierten Kollektivs unterstreicht außerdem die Vielschichtigkeit der Diagnose „Blasenhalsstenose“. Leider wird in der Literatur die BNS nach endoskopischer BPH-Chirurgie (TUR-Prostata, HoLEP) nach wie vor sehr oft mit der VUAS nach Prostatektomie gleichgesetzt bzw. „in einem Topf geworfen“, obwohl eine Unterscheidung dieser beiden gänzlich unterschiedlichen Erkrankungen [11] sowohl von der EAU [7] als auch von der American Urological Association (AUA) [12] klar gefordert ist.

Insgesamt lässt sich zusammenfassen, dass additive topische oder intraläsionale Wirkstoffe, einschließlich Steroide, zukünftig eine gewisse Rolle spielen können. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass wiederholte endoskopische Therapien von BNS und VUAS vorrangig für Patienten in Betracht gezogen werden sollten, die größere rekonstruktive Eingriffe wie die YV- oder T-Plastik zur Blasenhalsrekonstruktion oder eine offene vesikourethrale Reanastomose ablehnen oder für die solche Eingriffe nicht geeignet sind. Die Frage nach der Effektivität der additiven Steroidinjektion im Rahmen der endoskopischen Therapie erfordert weitere RCTs, um einen nachhaltigen zusätzlichen Nutzen im Vergleich zur alleinigen Inzision, Resektion oder Urethrotomie zu belegen. Das Palminteri-Ferrari-Protokoll legt einen vielversprechenden Grundstein für eine Therapiemodalität, die in solchen prospektiven Evaluierungen weiterhin überprüft werden müsste.



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Article published online:
29 August 2024

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