Rofo
DOI: 10.1055/a-2272-5388
The Interesting Case

Synonyma: Canalis incisivus – Ductus nasopalatinus? „Das Seltene ist selten …?“

Synonyms: Canalis incisivus – Ductus nasopalatinus? “The rare is rare …?”
Jens Thiele
1   Radiology, HELIOS Klinik Schkeuditz, Schkeuditz, Germany (Ringgold ID: RIN62489)
,
Oliver Schilling
2   Clinic of Radiology, HELIOS Vogtland-Klinikum Plauen, Plauen, Germany (Ringgold ID: RIN14954)
› Author Affiliations

Einleitung

Der offene Ductus nasopalatinus (DNP) ist eine seltene Missbildung im vorderen Oberkiefer, die erstmals 1881 von Leboucq (Leboucq H. Arch Biol Paris 1981; 2: 386–397) zitiert wurde. In der Literatur sind ca. 40 Fälle eines offenen DNP beschrieben (Lundner AS. Am J Orthod Dentofacial Orthop 2006; 130: 96–99).

Der DNP entwickelt sich innerhalb der ersten Fetalwoche innerhalb des Canalis incisivus aus Epithelresten und bildet sich in den späteren Fetalwochen zu einer Verbindung von Mundhöhle und Nasenhöhle ([Abb. 1]). Vor der Geburt verschließt sich der Gang spontan. Bei vielen Säugetieren lokalisiert sich das vomero-nasale-Organ (Jacobson-Organ) in den vorderen Nasenboden an der Basis der Nasenscheidenwand und ist für die olfaktorische Wahrnehmung bestimmter Stoffe verantwortlich. Das Vorhandensein und die Funktion des Jacobsen-Organs (Cartilago vomero-nasalis) wird beim Menschen kontrovers diskutiert (Smith TD. J Anat 2000; 197: 421–436). Embryonal ist der Canalis incisivus mit den paarigen Stenon’Foramina (nasal) und dem Foramen incisivum (oral), in dem Gefäße und Nerven vom Nasenboden zum anterioren Gaumen verlaufen (Nervus nasopalatinus und Arteria nasopalatina), vom Ductus nasopalatinus zu differenzieren. Unklare Sensibilitätsstörungen der zentralen Oberkieferzähne und andere Symptome wurden bei Vorhandensein eines DNP beschrieben (Ebinger A. Quintessenz 2011; 62(10): 1335–1338).

Zoom Image
Abb. 1 1. Ductus nasopalatinus 2. Nervus nasopalatinus 3. Arteria nasopalatina. Schematische Darstellung des Inhaltes des Canalis incisivus in der 12. Fetalwoche.

In den computertomografischen Aufnahmen des Mittelgesichts werden die Strukturen des harten Gaumens obligat abgebildet, sodass in den Untersuchungen von traumatischen Mittelgesichtsverletzungen, stomatologischen Untersuchungen und diagnostischen CT’s von HNO Erkrankungen ein Canalis incisivus gut erkennbar ist.

Da die klinischen Beschwerden des offenen DNP unspezifisch sind und meist auch unbekannt erscheinen, ist die Sensibilisierung auf die Region des harten Gaumens und der seltenen Entwicklungsstörung im diagnostischen Alltag besonders wichtig.

In den folgenden Abbildungen aus Routine CT-Untersuchungen werden unterschiedliche Formen des Canalis incisivus dargestellt ([Abb. 2], [Abb. 3], [Abb. 4]).

Zoom Image
Abb. 2 CT, sagittale Rekonstruktion. Canalis incisivus obliteriert (Pfeil).
Zoom Image
Abb. 3 CT, sagittale Rekonstruktion. Zarter Canalis incisivus (Pfeil).
Zoom Image
Abb. 4 CT, sagittale Rekonstruktion. Konischer Canalis incisivus (Pfeil).


Publication History

Received: 15 September 2023

Accepted after revision: 19 February 2024

Article published online:
04 April 2024

© 2024. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany