Aktuelle Urol 2024; 55(02): 90-92
DOI: 10.1055/a-2220-2433
Referiert und kommentiert

Kommentar zu: Prostatakarzinom-Staging: T-Stadium mit oder ohne Einbeziehung der Bildgebung?

Contributor(s):
Mike Wenzel
1   Klinik für Urologie, Universitätsklinikum Frankfurt, Frankfurt, Deutschland
› Author Affiliations

Die Veröffentlichung der Studienergebnisse von Chang et al. im Journal of Urology im August 2023 stellt eine zeitgemäße Validierung des wohlbekannten CAPRA-Scores durch Inkorporierung von klinischen Stagingbefunden durch den transrektalen Ultraschall (TRUS) bzw. das multiparametrische MRT (mpMRT) dar.

Insgesamt sind die Ergebnisse einer nahezu identischen Hazard Ratio (HR) von 1,54 für das DRU-basierte Modell und einer HR von 1,52 und für das Modell mit inkludierter Bildgebung mittels TRUS/mpMRT sowie die daraus resultierenden Areas under the Curve (AUC) von 0,76 bzw. 0,77 allerdings etwas überraschend, da man doch eine genauere Vorhersage durch die Integration von bildgebenden Verfahren in die präoperative Risikokalkulation erwartet hätte. Die daraus abzuleitenden Interpretationen der Studie bzw. ihre Limitationen sollen entsprechend in der Folge diskutiert werden:

Insgesamt gibt die Studie dem Leser das Gefühl, dass moderne bildgebende Verfahren als präoperative Variable im CARPA-Score genutzt wurden. Hier geht der Leser instinktiv davon aus, dass vor allem vom mpMRT gesprochen wird. Wenn man sich allerdings die präsentierten Daten genauer anschaut, stellt man fest, dass die allergrößte Mehrheit von 77% der inkludierten Studienpatienten nur einen präoperativen TRUS ohne weiteres mpMRT als Bildgebung erhalten haben. Lediglich 16% der eingeschlossenen Patienten hatte sowohl ein präoperatives mpMRT als auch ein TRUS. Dass die Sensitivität des TRUS zum präoperativen Staging, wie in der hiesigen Studie kategorisiert als T1c vs. T2a vs. T2b vs. T2c vs. T3a, gering sein dürfte, Bedarf wohl keiner weiteren Erklärung oder Interpretation [1].

Weiterhin wurden in die hier diskutierte Studie lediglich Patienten mit einem klinischen Stadium ≤T3a eingeschlossen. Die Autoren bleiben der Diskussion schuldig, wieso beispielsweise Patienten mit Verdacht auf Samenblaseninfiltration im mpMRT oder TRUS nicht inkludiert worden sind. Die Rationale dürfte sein, dass ein cT3b-Stadium in einer DRU nahezu nicht feststellbar sein mag und somit in dem initial DRU-basiert entwickeltem CAPRA-Score eine nicht inkludierte und somit hochgradig unterrepräsentierte Vergleichskohorte darstellte. Aber ist es nicht dennoch das, was sich Urologen und Urologinnen unter anderem vom mpMRT versprechen [2]: Eine präzise präoperative Ausbreitungsdiagnostik? Leider gibt die Studie zudem nicht an, wie viele gescreente radiografische T3b-Patienten nun initial exkludiert worden sind. Beachtenswerterweise wurden zudem 12% der Patienten mit TRUS/mpMRT-Bildgebung „understaged“ und wiesen im finalen histopathologischen Präoperativ eine Samenbläscheninfiltration auf (pT3b). Dies führt unweigerlich zu dem Thema, dass auch ein präoperatives mpMRT (vom TRUS ganz abgesehen), eine geringe Sensitivität hinsichtlich der Prädiktion des finalen T-Stadiums darstellt. Beispielsweise konnten Humke et al. bereits zeigen, dass in einer D’Amico-high-risk-Prostatakarzinom-Kohorte mit präoperativ durchgeführtem mpMRT nur eine Konkordanz von 66% bezüglich des radiografischen Stagingbefundes und des finalen histopathologischen T-Stadiums zu verzeichnen war [3]. Darüber hinaus zeigte sich, dass 48% der High-risk-Patienten mit T2-Stadium im mpMRT ein ≥pT3-Prostatakarzinom im histopathologischen Befund aufwiesen. Eine solche Kreuztabelle wäre in der hier diskutierten Studie zwecks Interpretation sicherlich für den Leser hilfreich.

Durch die hier diskutierten Limitationen wird klar, wieso die AUC zwischen der DRU- und TRUS/mpMRT-basierten CAPRA-Auswertung nahezu identisch waren. Insgesamt lässt sich somit leider zusammenfassen, dass die hier präsentierte Studie nicht als „Gamechanger“ in die klinische Praxis der Prostatakarzinom-Historie eingehen wird. Die Studie wird maßgeblich limitiert durch oben genannte Punkte (neben weiteren klassischen Limitationen wie einer Single-Center-Analyse ohne externe Validierung, Interobserver-Bias etc.) und stellt somit lediglich eine longitudinale Validierung der eigenen Ergebnisse der CAPRA-Score-Entwickler von 2005 an einer zeitgemäßeren Kohorte dar.



Publication History

Article published online:
27 March 2024

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