Nephrologie aktuell 2024; 28(03): 108
DOI: 10.1055/a-2214-2939
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Herz und Niere: eine unheilige Allianz

Vincent Brandenburg
1   Würselen
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Das gemeinsame Auftreten einer Herz- und Nierenerkrankung und deren wechselseitige Verstärkung sind Ärzten seit Jahrzehnten bestens bekannt. Neuen Schub hat diese unheilige Allianz im Bewusstsein durch eine systematische Nomenklatur und pathophysiologische Definition erhalten, die C. Ronco und Mitarbeitende vor gut 15 Jahren entwickelt haben Ronco (Ronco C et al. Nat Clin Pract Nephrol 2008; 4: 310–311. DOI: 10.1038/ncpneph0803). Auch wenn sich die damals entwickelte Klassifikation in 5 Subtypen nicht vollumfänglich im klinischen Alltag durchgesetzt hat (und eine genaue Benennung der pathophysiologischen Kaskade oftmals auch nicht möglich ist), so hat die Arbeitsgruppe doch damals einen substanziellen Beitrag für das allgemeine Bewusstsein geschaffen und den Terminus „kardiorenales Syndrom“ fest zu etablieren geholfen. Gibt man als Suchbegriff unter www.pubmed.gov „cardiorenal syndrome“ ein, so zeigt sich bei ca. 2500 Zitationen insgesamt (Stand Januar 2024) eine beinahe kontinuierlich wachsende jährliche Publikationsdichte zu dem Thema. Dieser Zuwachs illustriert das steigende klinisch-wissenschaftliche Interesse an der Interaktion von Herz und Niere.

Die in dieser Ausgabe der „Nephrologie aktuell“ dargestellten Übersichten einer gemischten Autorengruppe mit kardiologischem und/oder nephrologischem Hintergrund greifen 4 wichtige Themenkomplexe aus dem weiten Feld des kardiorenalen Syndroms auf und präsentieren jeweils eine aktuelle Übersicht mit gezieltem klinisch-therapeutischem Schwerpunkt. Die beiden wichtigsten Grunderkrankungen eines kardiorenalen Syndroms, nämlich die arterielle Hypertonie (Dr. Leonard Boger und PD Dr. Turgay Saritas, Aachen) und der Diabetes mellitus mit der diabetischen Nephropathie (PD Dr. Thilo Krüger, Geilenkirchen), werden durch jeweils einen eigenen Beitrag gewürdigt. Während bei der Therapie der arteriellen Hypertonie und begleitender Nierenerkrankung der Einsatz von Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Systems seit Jahren fest gesetzt ist, ist die Therapie der diabetischen Nephropathie heute mit einem breiten therapeutischen Armamentarium möglich, das vor wenigen Jahren noch ungläubiges Staunen verursacht hätte. Die hierbei mit hoher Evidenz in Leitlinien geadelte Therapie mit einem SGLT-2-Inhibitor schlägt den Bogen direkt zu einem weiteren Thema – der Therapie der Herzinsuffizienz bei chronischer Nierenerkrankung (Prof. Dr. Michael Becker und Prof. Dr. Dr. Vincent Brandenburg, Würselen). Auch hier spielt diese Substanzklasse eine hervorgehobene therapeutische Rolle. Abgeschlossen wird die Publikationsreihe durch eine Abhandlung des Themas orale Antikoagulation bei Vorhofflimmern und Nierenerkrankung (Prof. Dr. Dr. Vincent Brandenburg, Würselen, und Prof. Dr. Gunnar Heine, Frankfurt a. M.). Das ist für Kliniker ein Dauerbrenner, der ebenfalls illustriert, wie wichtig ein enger Austausch beiderlei Fachdisziplinen (Kardiologie und Nephrologie) am einzelnen Patienten sein kann, um nach aktuellem Kenntnisstand das beste Therapieregime festzulegen.

Wissenschaftlich ist es beruhigend festzustellen, dass zunehmend Studienprogramme aufgelegt werden, die sich neben der Untersuchung von MACE („major adverse cardiovascular events“) auch der potenziellen Reduktion des Auftretens von „MARE“ („major adverse renal events“) widmen, wie z. B. der Verhinderung der Dialysepflichtigkeit. Der Bedeutung des kardiorenalen Syndroms und die Herausforderungen bei dessen Therapie im klinischen Alltag können nicht genügend betont werden. Ob es wohl zukünftig eine internistische Weiterbildung oder Zusatzbezeichnung „Kardio-Nephrologie“ geben wird?



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Article published online:
19 April 2024

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