Klin Monbl Augenheilkd 2024; 241(01): 15-29
DOI: 10.1055/a-2165-6550
Klinische Studie

Solitär fibröse Tumoren der Orbita – klinisch-pathologische Charakteristik, Therapie und Prognose

Article in several languages: deutsch | English
Chiara Meier
1   Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- & Gesichtschirurgie, Klinken Essen-Mitte, Essen, Deutschland
,
Anja Eckstein
2   Orthoptik, Universitäts-Augenklinik Essen, Deutschland
,
Hideo Andreas Baba
3   Pathologie, Universitätsklinikum Essen, Deutschland
,
Lara Helena Sichward
3   Pathologie, Universitätsklinikum Essen, Deutschland
,
Florian Grabellus
4   Pathologie, Zentrum für Pathologie Essen-Mitte, Essen, Deutschland
,
Yan Li
5   Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie, Universitätsklinikum Essen, Deutschland
,
Christoph David Ziegenfuß
5   Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie, Universitätsklinikum Essen, Deutschland
,
Christopher Mohr
1   Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- & Gesichtschirurgie, Klinken Essen-Mitte, Essen, Deutschland
,
Roman Pförtner
1   Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- & Gesichtschirurgie, Klinken Essen-Mitte, Essen, Deutschland
› Author Affiliations

Zusammenfassung

Hintergrund Aufgrund der Seltenheit der solitär fibrösen Tumoren ist das Ziel dieser Studie, die klinischen Charakteristika, die Therapie und das Outcome betroffener Patienten zu beschreiben und Faktoren zu identifizieren, die mit einer Rezidiventwicklung einhergehen.

Methodik Retrospektive Studie einer Kohorte von 20 Patienten, die zwischen 2002 und 2023 in der Universitätsklinik für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie an einem orbitalen solitär fibrösen Tumor operiert wurden. Demografische, klinische und therapeutische Daten sowie Ergebnisse aus der Tumornachsorge wurden gesammelt. Das Tumorvolumen und molekulargenetische Mutationen wurden nachbestimmt.

Ergebnisse Das mediane Alter bei Erstoperation lag bei 49,5 Jahren. In 65% der Fälle war die linke Orbita betroffen. Das häufigste klinische Symptom war der Exophthalmus (80%). Dieser wurde mit einer mittleren Seitendifferenz von 3,9 mm (Range 1 – 10 mm) angegeben. Die Tumoren waren vermehrt im Intra- und Extrakonalraum, im kraniolateralen Quadranten und mittleren Drittel lokalisiert. Die Tumorvolumina lagen im Median bei 7,66 cm³ (Range 2,15 – 12,57 cm³). Bei allen Patienten wurde die Diagnose durch pathologische Untersuchungsmethoden gestellt. Alle molekulargenetisch untersuchten Tumoren wiesen eine NAB2-STAT6-Mutation auf. Am häufigsten detektiert wurde die Fusion NAB2 Exon 4 – STAT6 Exon 2. Alle Patienten wurden initial über eine frontolaterale Orbitotomie behandelt. Bei 35% (n = 7) kam es zu einer unvollständigen Resektion (R1-Status). Die Rezidivrate lag bei 25% (n = 5) mit einem medianen krankheitsfreien Intervall von 45,5 Monaten (Range 23 – 130). 80% (n = 4) der Rezidive wurden initial R1-reseziert.

Schlussfolgerung Orbitale solitär fibröse Tumoren sind seltene Raumforderungen, die sich klinisch durch Zeichen der Bulbusverdrängung äußern. Die Diagnose wird durch histologische und immunhistochemische Untersuchungen gestellt und kann mit einem molekulargenetischen Nachweis der NAB2-STAT6-Mutation bewiesen werden. Der therapeutische Goldstandard ist die vollständige operative Entfernung. Eine R1-Resektion wird bei intrakonaler Lage sowie bei Lage im hinteren Orbitadrittel aufgrund der schwierigeren chirurgischen Erreichbarkeit wahrscheinlicher. Der größte Risikofaktor für die Entwicklung eines Rezidivs im weiteren Krankheitsverlauf ist die unvollständige operative Entfernung. Späte Rezidive sind möglich, weswegen eine langfristige Anbindung an eine spezialisierte Klinik notwendig ist.

Fazit
  • Der solitär fibröse Tumor ist eine seltene Tumorentität, der auch in der Orbita vorkommen kann. In den meisten Fällen zeigt er einen benignen Verlauf.

  • Der therapeutische Goldstandard ist die vollständige operative Entfernung des Tumors. R1-Resektionen sind in der Orbita aufgrund der erschwerten operativen Zugänglichkeit häufiger als in anderen Lokalisationen.

  • Nach einer R1-Resektion ist das Rezidivrisiko erhöht. Risikofaktoren für eine R1-Resektion sind die Lokalisation des Tumors in dem Intrakonalraum und/oder im hinteren Orbitadrittel.

Conclusion
  • Solitary fibrous tumors are a rare tumor entity that can also occur in the orbit. In most cases, the course is benign.

  • The therapeutic gold standard is complete surgical removal of the tumor. R1 resections are more common in the orbit than in other localizations due to impaired surgical accessibility.

  • After R1 resection, the risk of recurrence is increased. Risk factors for R1 resection are localization of the tumor in the intraconal space and/or in the posterior third of the orbit.



Publication History

Received: 05 July 2023

Accepted: 30 August 2023

Article published online:
15 November 2023

© 2023. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany