Dtsch Med Wochenschr 2023; 148(23): 1483-1484
DOI: 10.1055/a-2133-8792
Aktuell publiziert

Kommentar zu „Bempedoinsäure reduziert kardiovaskuläre Ereignisse bei Statin-Intoleranz“

Rezensent(en):
Michael Wagner

In einer Hochrisikogruppe von Patienten mit Statin-Intoleranz führte der leberspezifische ATP-Citrat-Lyase-Inhibitor Bempedoinsäure [1] in der vorliegenden Studie zur Primärprävention korrigiert zu ca. 16% Reduktion im Serum-LDL-Cholesterol (LDL-C). Die Serum-Konzentration des hochsensitiven C-reaktiven-Proteins verringerte sich um ca. 22%. Bempedoinsäure bewirke über die Nachverfolgungszeit von knapp 40 Monaten eine ca. 30%ige Reduktion des Risikos für den primären Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod, nicht tödlichem Herzinfarkt, nicht tödlichem Schlaganfall oder koronarer Revaskularisation. Die absolute Risikoreduktion betrug 2,3%, die Number-Needed-to-Treat 43. Auch die Gesamtmortalität und andere sekundäre Endpunkte wurden deutlich vermindert. Numerisch erhöht waren Gicht, Cholezystolithiasis und Sehnenruptur sowie Kreatinin, Harnsäure und Leberenzyme im Serum. Myalgien traten numerisch seltener als unter Placebo auf.

Die Studie stellt eine von wenigen großen Studien zur Primärprävention durch LDL-C-Senkung dar. Sie ist eine aus einer ganzen Anzahl von präspezifizierten Subgruppen-Analysen der CLEAR-Outcomes-Studie [2]. Bei moderater LDL-C-Senkung wurde eine klinisch relevante Risikominderung erreicht. Als Subgruppen-Analyse weist die Studie natürlicherweise einige unvermeidbare Schwächen auf: So muss man davon ausgehen, dass bei einer hohen Zahl von untersuchten Subgruppen in einigen davon zufällig signifikante Ergebnisse erreicht werden. Darüber hinaus hat die Subgruppen-Analyse durch die Reduktion der Teilnehmerzahl gegenüber der Gesamtstudie mit hoher Wahrscheinlichkeit eine nur geringe statistische Teststärke (Stichwort „underpowered“), was zu einer Überschätzung des Effektes führen kann. Insgesamt weist die Studie auf einen erheblichen klinischen Nutzen von Bempedoinsäure in der Primärprävention von Hochrisikopatienten hin – die Ergebnisse sollten allerdings durch weitere Studien unterstützt und ergänzt werden.

Ist Bempedoinsäure nach dieser Studie eine Alternative zu Statinen in der Primärprävention? Für Patienten, die Statine in der für sie notwendigen Dosis gut vertragen, sicherlich nicht. Denn Statine sind besser untersucht, führen zu einer stärkeren LDL-C-Senkung und sind deutlich preisgünstiger. Für statinintolerante Patienten mit sekundärer Hypercholesterinämie und hohem kardiovaskulärem Risiko stellt Bempedoinsäure in der Primärprävention neben dem nur schwach wirksamen Ezetimib, das auch weiterhin als Kombinationspartner benötigt wird, einen wichtigen Ersatz für Statine dar. Allerdings leiden nur ca. 10% der Patienten, die angeben, Statine nicht zu vertragen, tatsächlich unter einer Statin-Intoleranz [3]. Deshalb dürfen wir es uns nicht zu leicht machen und diesen Patienten nun einfach Bempedoinsäure verordnen. Bevor die Diagnose Statin-Intoleranz gestellt werden kann, sollte zunächst eine Statin-Pause eingelegt werden. Persistieren die muskulären Symptome, sollte nach anderen Ursachen für diese geforscht werden. Falls die Symptome verschwinden, sollte die Therapie mit einem anderen Statin in der geringstmöglichen Dosis begonnen werden und diese bis zur maximal verträglichen Dosis gesteigert werden. Bei Nichterreichen des individuell festgelegten LDL-C-Zielwertes sollte eine Kombinationstherapie mit Bempedoinsäure und/oder Ezetimib begonnen werden [4]. Bei Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko und etablierter Statin-Intoleranz stellt Bempedoinsäure in der Primärprophylaxe eine wichtige neue Option zur LDL-C-Senkung dar.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
10. November 2023

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