ergopraxis 2023; 16(11/12): 18-20
DOI: 10.1055/a-2132-8468
Wissenschaft

Internationale Studienergebnisse

Effektive Beratung zu Sexualität und Intimität – Menschen mit geistiger Behinderung

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Die meisten Menschen haben sexuelle Bedürfnisse – ob mit oder ohne geistiger Behinderung. Quelle: © K.Oborny/Thieme

Ergotherapeut*innen haben Schwierigkeiten, mit Menschen mit geistiger Behinderung über Sexualität und Intimität zu sprechen. Zu diesem Ergebnis kamen die Forschenden um Diana K. Piantedosi, Kirk Reed und Amie O’Shea aus Melbourne, Australien.

An ihrer qualitativen Studie nahmen sechs Ergotherapeut*innen teil, die Erfahrung in der Arbeit mit Menschen mit geistiger Behinderung hatten oder in ihrer Praxis einen Schwerpunkt auf Sexualität legten. Die Forschung war partizipativ gestaltet und umfasste zwei 90- minütige Online-Gruppen, in denen die Teilnehmenden ihre Erfahrungen austauschten.

Die Forschenden verfolgten das Ziel, eine praxisorientierte Ressource zu entwickeln, und identifizierten im Austausch fünf Hauptthemen:

  • theoretische Erklärungen

  • praktische Ratschläge

  • die Einordnung von Sexualität in das Feld der Ergotherapie

  • die Bestätigung, dass Menschen mit geistiger Behinderung sexuelle Wesen sind

  • die Notwendigkeit der Selbstreflexion für Therapeut*innen

Die Studie zeigte, dass sich viele Ergotherapeut*innen unwohl damit fühlen, das Thema Sexualität anzusprechen, obwohl es ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Lebens und der täglichen Aktivitäten ist. Deshalb ist es wichtig anzuerkennen, dass Menschen mit geistiger Behinderung die gleichen sexuellen Erfahrungen und Wünsche haben wie andere, allerdings häufiger Gewalt und Missbrauch ausgesetzt sind. Die Selbstreflexion von Ergotherapeut*innen hilft, sich der individuellen Bedürfnisse ihrer Klient*innen bewusst zu werden. Um effektiv über Sexualität sprechen zu können, ist es essenziell, dass sie Wissenslücken erkennen und sich weiterbilden. Darüber hinaus zeigte die Studie, dass bestehende ergotherapeutische Modelle bei der Konzeptualisierung von Sexualität hilfreich sein können, da sie eine ganzheitliche und klientenzentrierte Versorgung unterstützen. Sie können dazu beitragen, Barrieren zu überwinden, die durch das eigene Komfortniveau der Therapeut*innen beim Ansprechen des Themas Sexualität entstehen.

Die Studie schlussfolgert, dass die Förderung des Dialogs über Sexualität die Qualität der Therapie verbessern kann, da er eine ganzheitlichere und integrativere Therapie ermöglicht. Die Bereitstellung von Ressourcen und Schulungen unterstützt Ergotherapeut*innen dabei, kompetent und sensibel mit dem Thema umzugehen und ihre Berufszufriedenheit sowie ihr Selbstvertrauen zu erhöhen.

kb

Aust J Occup Ther 2023; 70: 581–598



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
03. November 2023

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