Dtsch Med Wochenschr 2024; 149(10): 541
DOI: 10.1055/a-2128-7324
Editorial

Invasive Pilzinfektionen: Herausforderungen und aktuelle Entwicklungen

Invasive fungal infections: Challenges and recent developments
Marylyn Addo

Invasive Pilzinfektionen (invasive fungal infections = IFIs) werden als systemische Infektionen definiert, die durch das Eindringen von Hefen oder Schimmelpilzen in tief liegende Gewebe entstehen. Im Gegensatz zu oberflächlichen Pilzinfektionen sind IFIs lebensbedrohliche Zustände, mit hohen Raten an Morbidität und Mortalität. Zur Risikogruppe gehören u.a. Organtransplantat-Empfänger, hämatologische Patienten, die eine Stammzelltransplantation benötigen, Patienten mit AIDS, Diabetes, Verbrennungen, Neoplasien, langfristiger Immunsuppression oder chronischen Atemwegserkrankungen.

Weltweit erkranken etwa 1,9 Mio. Patienten jedes Jahr an einer akuten invasiven Pilzinfektion (IFI), während etwa 3 Millionen weltweit unter schweren chronischen Pilzinfektionen leiden. Viele dieser Infektionen sind lebensbedrohlich, und es wird geschätzt, dass jährlich über 1,6 Millionen Todesfälle auf Pilzkrankheiten zurückzuführen sind. Fast 70% aller IFIs weltweit werden durch invasive Candidiasis verursacht, gefolgt von Kryptokokkose (20%) und Aspergillose (10%). Laut Überwachungsdaten des CDC (Center for Disease Control and Prevention) liegt die Krankenhaussterblichkeit bei Candidämie über 25%, während die invasive Aspergillose bei immungeschwächten Personen eine extrem hohe Sterblichkeit von 40–90% aufweist. Ein weiterer Grund zur Besorgnis ist das weltweite Auftreten multiresistenter Pilzerreger, was die Sterblichkeitsraten erhöht. Viele Pilzarten haben eine Resistenz gegen alle 4 Klassen von Antimykotika entwickelt, d.h. die Polyene, die Azole, die Echinocandine und das Pyrimidin-Analogon 5-Flucytosin. Darüber hinaus sind einige Pilzstämme von Natur aus resistent gegen diese Antimykotika. Aufgrund der begrenzten Anzahl systemisch verwendbarer Antimykotika ist die Behandlung von IFIs eine große klinische Herausforderung.

Das Dossier in diesem Heft beleuchtet klinisch relevante Facetten der Diagnostik und Therapie der invasiven Pilzinfektionen. Hierfür konnten wir national und international ausgewiesene Expert*innen zum Thema invasive Mykosen gewinnen, die in 3 exzellent ausgearbeiteten Artikeln wesentliche Aspekte und Neuerungen der Diagnostik und Therapie invasiver Pilzinfektionen diskutieren. Im ersten Beitrag wird eine ausführliche aktuelle Übersicht zu klinisch relevanten Aspekten der Diagnostik bei invasiven Mykosen (Whatʼs hot?) zusammengetragen. Die gesicherte und frühzeitige Diagnose einer invasiven Pilzinfektion bei den zumeist immungeschwächten Patienten ist oft schwierig und bedarf oft einer sog. „Puzzlediagnostik“, die mehrere Diagnostikmethoden umfasst. Im folgenden Artikel widmen sich die Autor*innen der Therapie der invasiven Mykosen und navigieren die Leserschaft durch das Spektrum innovativer Behandlungsstrategien und neuer Antimykotika. Im dritten Artikel beschreibt das Autorenteam das spannende Phänomen der COVID-19-assoziierten Mukormykose (CAM), ein Krankheitsbild, das in der zweiten Welle der COVID-19-Pandemie v.a. in Indien beobachtet wurde, mit mehr als 47500 Fällen zwischen Mai und August 2021. Die Mukormykose gehörte vor der Pandemie zu den sehr seltenen Erkrankungen (Inzidenz 2 pro 1 Million), die aber mit einer hohen Mortalität von bis zu 90% einhergehen kann.

Ich danke den Autorinnen und Autoren herzlich für ihre wertwollen und inhaltsstarken Beiträge und wünschen Ihnen, liebe Leserinnen und Lesern, eine aufschlussreiche und spannende Lektüre!

Ihre

Marylyn M. Addo



Publication History

Article published online:
24 April 2024

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