PSYCH up2date 2024; 18(04): 301-319
DOI: 10.1055/a-2077-9660
Schizophrenien und andere psychotische Störungen

Schizophrenien und andere psychotische Störungen in der ICD-11

Frauke Schultze-Lutter
,
Eva Meisenzahl
,
Chantal Michel

Das Kapitel „Schizophrenie oder andere primäre psychotische Störungen“ erfährt in der 11. Revision der International Classification of Diseases (ICD-11) einige umfassende Revisionen. Es nähert sich damit der 5. Edition des Diagnostischen und Statistischen Manuals Psychischer Störungen (DSM-5) an. Der Beitrag zeigt die Änderungen und die Konsequenzen für den klinischen Alltag auf.

Kernaussagen
  • Die Revisionen im Kapitel „Schizophrenie und andere primäre psychotische Störungen“ in der ICD-11 stellen eine weitgehende Annäherung an das DSM-5 dar, wobei sie im Gegensatz dazu nicht auf der Längs-, sondern auf der Querschnittbetrachtung basieren.

  • Der besondere Stellenwert der Schneider‘schen Erstrangsymptome wurde in der ICD-11-Definition der Schizophrenie aufgegeben, so dass jetzt immer mind. 2 Symptome der Schizophrenie (mind. 1 davon ein Positivsymptom) vorliegen müssen, psychotische Störungsbilder ohne Positivsymptomatik (z.B. Schizophrenia simplex) nicht mehr als psychotische Störung kodierbar sind und auch bizarre Wahninhalte – mit Ausnahme von Ich-Störungen – als wahnhafte Störungen bewertet werden können.

  • Die klassischen Subtypen der Schizophrenie werden nicht mehr unterschieden; stattdessen können neu 6 relevante Symptomdimensionen zur besseren Typisierung in einer 4-stufigen obligatorischen Zusatzkategorie quantifiziert werden.

  • Die ICD-11 setzt für die Diagnose einer schizoaffektiven Störung das zeitgleiche Vorliegen einer mind. mittelschweren affektiven Episode und einer schizophrenen Episode über mind. 1 Monat voraus.

  • Die akute vorübergehende psychotische Störung der ICD-11 korrespondiert nur noch mit der akuten polymorphen psychotischen Störung ohne Symptome einer Schizophrenie, wobei auch die Unterscheidung von mit und ohne akute Belastung aufgegeben wurde.

  • Die Kodierung wahnhafter Überzeugungen im Zuge von Zwangs- und verwandten (inkl. körperdysmorpher und hypochondrischer) Störungen erfolgt nur noch dort mit der neuen Zusatzkodierung „mit schlechter oder fehlender Krankheitseinsicht“ und nicht mehr als wahnhafte Störung.

  • Psychomotorische Symptome werden in der eigenständigen Kategorie „Katatonie“ zusammengefasst, deren Zusammenhang mit anderen psychischen oder somatischen Störungen zusätzlich kodiert wird.



Publication History

Article published online:
10 July 2024

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