Nephrologie aktuell 2023; 27(04): 145
DOI: 10.1055/a-2008-1919
Editorial

Mauerblümchen oder Edelrose?

Christian Schäfer
1   Stuttgart
› Author Affiliations
Zoom Image
Christian Schäfer, Redakteur (V.i.S.d.P.),Stuttgart

Der Frühling hat in den vergangenen Wochen Einzug gehalten – es grünt und blüht an allen Ecken und Enden. So zeigen sich Wildkräuter und Kulturpflanzen gleichermaßen in ihrem schönsten Gewand – vom sogenannten Mauerblümchen bis zur Edelrose sind saftige Blätter und farbenfrohe Blüten zu bewundern. Was das Wildkraut von der Kulturpflanze unterscheidet, ist zunächst einmal Folgendes: Das Wildkraut wächst mehr oder weniger in der natürlich vorkommenden Form (und wird bei unerwünschtem Vorkommen als Unkraut bezeichnet), während die Kulturpflanze vom Menschen kultiviert bzw. gezüchtet wurde.

So manchem Hobbygärtner und so mancher Hobbygärtnerin sind allerdings die positiven Eigenschaften vieler heimischer Wildkräuter nicht bewusst. So können einige als köstliche Zutaten für Mahlzeiten verwendet werden, andere haben wieder Eigenschaften, die man bei der Linderung von Krankheitssymptomen sowie bei der Therapie und Vorbeugung von Erkrankungen einsetzen kann. Ganz davon abgesehen haben vor allem heimische Wildkräuter eine wichtige Funktion im Erhalt des Ökosystems und somit auch vieler vom Aussterben gefährdeter Insekten. Hierzu gehören auch bestäubende Insekten wie Bienen, Hummeln etc., die bei der Produktion von vielen für den Menschen wichtigen Nahrungsmitteln eine entscheidende Rolle spielen. Ein gezielter Anbau oder das Nutzen der vorkommenden Wildkräuter statt eines undifferenzierten generellen Entfernens der Pflanzen kann so für Mensch und Natur große Vorteile haben.

Was hat dies nun mit der Nephrologie und Nierenersatzverfahren zu tun? Im Prinzip nimmt die Peritonealdialyse (PD) die Rolle des Mauerblümchens (Wildkraut) ein, während die Hämodialyse (HD) sozusagen die Edelrose (Kulturpflanze) ist. Die HD bietet natürlich gewisse Vorteile, aber auch Nachteile; die PD steht der HD grundsätzlich in nichts nach und hat wieder andere Vor- und Nachteile. So ist in bestimmten Situationen und für bestimmte Patienten die PD sogar im Vergleich zur HD als vorteilhafter zu bezeichnen, z. B. in den ersten 3–5 Jahren des Nierenersatzes und als Überbrückung bis zur Nierentransplantation. Schwierig wird es dann nach ein paar Jahren aufgrund von Problemen mit dem technischen Überleben des Verfahrens. Auch als Heimverfahren ist die PD sehr gut geeignet, gerade in Zeiten der Corona-Pandemie hatte dies Vorteile bei der Vermeidung von Kontakten. Schaut man sich aber an, welcher Anteil von dialysepflichtigen Patienten die PD in Deutschland nutzt, ist man im mittleren einstelligen Prozentbereich. Dies reflektiert bei Weitem nicht die Gleichwertigkeit der beiden Verfahren HD und PD und bietet einen großen Spielraum für eine künftige häufigere Nutzung der PD.

Um das Verfahren der PD mehr in den Fokus zu rücken, haben der Gasteditor Prof. Dr. Mark Dominik Alscher, Stuttgart, und ich den Schwerpunkt dieser Ausgabe der „Nephrologie aktuell“ mit dem Thema „Peritonealdialyse“ besetzt. Lesen Sie die informativen Artikel hierzu ab Seite 158. Sie finden weitere interessante Beiträge in den Rubriken „Gesellschaft“, „Magazin“, „Original & Übersicht“ und „Forum der Industrie“ im vorliegenden Heft. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre!



Publication History

Article published online:
31 May 2023

© 2022. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany