Aktuelle Urol 2022; 53(05): 396-397
DOI: 10.1055/a-1860-7090
Referiert und kommentiert

Kommentar zu Einzeitige Mundschleimhaut-Urethroplastik bei Lichen sclerosus-Strikturen

Contributor(s):
Martin Promm
1   Klinik für Kinderurologie, Barmh. Brüder – Klinik St. Hedwig, Regensburg, Deutschland
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Lichen sclerosus ist eine chronisch verlaufende, entzündliche Hauterkrankung, die beide Geschlechter und jede Altersgruppe betreffen kann. Bei Buben und Männern manifestiert sich die Krankheit zumeist am Präputium sowie an der Glans. Die Relevanz der frühzeitigen Therapie wird auch heutzutage noch immer unterschätzt. Beim Fortschreiten der Erkrankung zählen Harnröhrenstrikturen zu den relevanten Spätfolgen bei männlichen Patienten. Deren dauerhaft erfolgreiche Therapie bleibt bis heute eine große Herausforderung für den behandelnden Arzt. Verschiedene konservative sowie interventionelle (endoskopisch und offen chirurgisch) Therapiemöglichkeiten werden in der Literatur beschrieben, wobei die offene Rekonstruktion der Harnröhre die zentrale Rolle einnimmt [1].

Das vorliegende systematische Review untersucht die Rolle einer einaktigen operativen Korrektur mittels freiem Mundschleimhauttransplantat einer durch Lichen sclerosus bedingten Harnröhrenenge. Dabei wurden der Einfluss auf Faktoren der Lebensqualität und die Strikturfreiheit über mindestens 12 Monate erfasst. In dieser Arbeit konnten von 1912 gesichteten Abstracts lediglich 15 nicht randomisierte Studien aufgenommen werden, wobei es sich um 14 einarmige und eine zweiarmige Studien handelt.

Trotz der in den Studien beschriebenen guten postoperativen Ergebnisse hinsichtlich der oben genannten Outcomes wiesen diese aufgrund von deutlichen methodischen Einschränkungen einen geringen Evidenzgrad auf. Nichtsdestotrotz unterstreicht sie die bekannten Vorteile einer offenen Operation im Vergleich zur transurethralen Schlitzung oder Bougierung sowie die Verwendung eines freien Mundschleimhauttransplantats und nicht der Genitalhaut, um weitere Strikturen sowie einen erneuten Befall mit Lichen sclerosus zu vermeiden [1].

Alle ausgewerteten Untersuchungen zeigen erhebliche Einschränkungen seitens eines Verzerrungspotenzials (Risk of bias) und uneinheitliche Festlegung von Endpunkten und Definitionen. Es ist für qualitativ hochwertige Studien essenziell, dieselben Endpunkte und Aspekte einer Erkrankung zu betrachten, in gleicher Weise zu messen und somit miteinander vergleichbar zu machen. Die Aufgabe zur Ausarbeitung und Definition dieser Aspekte hat sich eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern, Behandlern, Mitgliedern von Selbsthilfegruppen und Patienten unter dem Namen Core Outcomes for Research in Lichen Sclerosus (CORALS) zum Ziel gesetzt. Dadurch sollen die Ergebnisse von klinischen Studien zu Lichen sclerosus leichter vergleichbar werden, um somit optimale Behandlungen mit einem hohen Evidenzgrad zu erreichen. Insgesamt zeigt dieses Review, dass eine optimale, evidenzbasierte Behandlungsstrategie noch nicht definiert werden konnte und weitere hochwertige Studien notwendig sind, um den Stellenwert dieses Verfahrens sicher zu klären [2].

Die einaktige Korrektur einer lichen-bedingten Harnröhrenstriktur mittels freien Mundschleimhauttransplantats ist nach Abwägen aller Vor- und Nachteile eine geeignete Therapie einer lichen-bedingten Harnröhrenstenose, sollte aber stets in der Hand eines erfahrenen Zentrums bleiben, um auf unvorhersehbare anatomische Verhältnisse oder Veränderungen durch Voroperationen adäquat reagieren zu können und somit eine ideale Versorgung gewährleisten zu können.

Stets sollte eine offene und ehrliche Aufklärung über die hohen Komplikationsraten erfolgen, um unrealistische Vorstellungen und Enttäuschungen zu vermeiden. Dieser Artikel bietet eine gute Grundlage, um dem Patienten dies fundiert zu verdeutlichen.



Publication History

Article published online:
02 September 2022

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