Senologie - Zeitschrift für Mammadiagnostik und -therapie 2022; 19(03): 232-234
DOI: 10.1055/a-1826-6837
Aktuell diskutiert

Klinische Praxis und Ergebnisse der neoadjuvanten Chemotherapie bei frühem Brustkrebs – Analyse der Daten von 94638 Patienten*innen aus 55 zertifizierten Brustkrebszentren

Olaf Ortmann
,
Jens-Uwe Blohmer
,
Nora Tabea Sibert
,
Sara Y. Brucker
,
Wolfgang Janni
,
Achim Woeckel
,
Anton J. Scharl
,
Sebastian Dieng
,
Julia Ferencz
,
Elisabeth C. Inwald
,
Simone Wesselmann
,
Christoph Kowalski

Analyse der Daten von 94638 Patienten*innen aus 55 zertifizierten Brustkrebszentren

Seit 2004 wurden über 1700 Onkologische Zentren und Organkrebszentren durch die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) zertifiziert. Sie stellen, wie im Nationalen Krebsplan gefordert, einheitliche Versorgungseinrichtungen dar, deren Qualität regelmäßig in Audits von OnkoZert überprüft wird. In Deutschland existieren derzeit 287 durch die DKG und die Deutsche Gesellschaft für Senologie (DGS) zertifizierte Brustkrebszentren.

Die Zentren müssen jährlich in Vorbereitung der Zertifizierungsaudits die Umsetzung der Anforderungen berichten. Dies erfolgt über Erhebungs- bzw. Kennzahlbögen, in denen die Kennzahlen aggregiert für den Standort dokumentiert werden. Die erhobenen Kennzahlen werden in Jahresberichten veröffentlicht. Diese sind auf den Seiten der DKG einsehbar [1]. Die Ergebnisse aus den Jahresberichten werden zusätzlich für Fachveröffentlichungen aufbereitet, um den Entwicklungsstand der Qualitätsmessung einem größeren Publikum zugänglich zu machen. Neben dem primären Ziel der Qualitätssicherung eignen sich DKG-zertifizierte Zentren mit ihrer Datenerhebung für Versorgungsforschung und registerbasierte klinische Krebsforschung. Diese Möglichkeit wurde in der Vergangenheit nur unzureichend genutzt. Neben der Dokumentation von Kennzahlen für die Zertifizierung müssen zertifizierte Zentren auch an klinische Krebsregister berichten. Grundlage der Dokumentation stellt der ADT-/GEKID-Basisdatensatz dar. Die OncoBox erleichtert die Bedienung beider o.a. Dokumentationsaufgaben und nimmt zusätzlich eine Qualitätssicherung der Daten vor. Die OncoBox Research ist eine inhaltliche Erweiterung der OncoBox und soll die von der OncoBox qualitätsgesicherten Daten für Forschungszwecke nutzbar machen. Sie existiert für Brust-, Darm- und Prostatakrebszentren. Für Darm- und Prostatakrebszentren wurde diese bisher projektbezogen eingesetzt. Die „OncoBox Research Mammakarzinom“ wurde etabliert, um diverse Fragestellungen der Versorgungsforschung und registerbasierten Krebsforschung zu untersuchen. In 2 kleineren Pilotprojekten konnte bereits die erfolgreiche Arbeit mit Daten aus Brustkrebszentren für Versorgungsforschungsprojekte belegt werden. In diesen Projekten wurden die Inanspruchnahme von sozialmedizinischer Beratung und die Empfehlung von adjuvanter Trastuzumab-Therapie bei HER2-neu positivem frühen Brustkrebs untersucht [2] [3].

Die OncoBox Research Mammakarzinom wurde etabliert, um größere Forschungsprojekte durchzuführen, die neben Qualitätssicherungsdaten auch Daten zu klinischen Charakteristika, Therapien und deren Ergebnissen benötigen. Sie beinhaltet derzeit Datensätze von ca. 130000 Patienten*innen. In einem aktuellen umfangreichen Projekt sollte die derzeitige klinische Praxis der NACT und ihre Effektivität anhand der pCR geprüft werden. Die Daten wurden kürzlich im Journal of Cancer Research and Clinical Oncology publiziert [4]. An der Studie beteiligten sich 55 DKG-/DGS-zertifizierte Brustkrebszentren. Insgesamt wurden Daten von 94638 Patienten*innen im Beobachtungszeitraum von 2007 bis 2018 analysiert. Imm Gesamtzeitraum erhielten 37885 Patienten*innen (40%) eine Chemotherapie. Von diesen erhielten 10372 eine NACT, 27107 eine ACT und 406 beide Therapieoptionen. Die Rate der NACT stieg von 5% im Jahr 2007 auf 17,3% im Jahr 2016. In den Folgejahren blieb sie stabil. Die Anwendung der ACT fiel über den Beobachtungszeitraum ([Abb. 1]). Das Patientenkollektiv enthielt 598 männliche Patienten. Bei diesen betrug die NACT-Rate 4,3%, während sie bei Frauen bei 11,4% lag.

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Abb. 1 ACT und NACT beim frühen Mammakarzinom. Daten nach [4]. ACT = adjuvante Chemotherapie; NACT = neoadjuvante Chemotherapie; NACT_ACT = neoadjuvante Chemotherapie plus adjuvante Chemotherapie.

Erwartungsgemäß wurde die NACT bei den Brustkrebssubtypen unterschiedlich häufig eingesetzt. Bei triple-negativem Brustkrebs betrug die Rate der NACT bzw. NACT + ACT 31,8%. Bei HR-positivem, HER2-positivem Brustkrebs betrug die Rate 26,5%. Bei HR-negativem, HER2-positivem Brustkrebs lag sie bei 31,9%. Die niedrigste Rate der NACT-Anwendung fand sich bei HR-positivem, HER2-negativem Brustkrebs mit 5,8%.

Als Outcome-Parameter konnten wir die pCR-Raten analysieren. Die höchsten pCR-Raten fanden sich bei Patienten*innen mit HR-positiven, HER2-positiven, HR-negativen, HER2-positiven und triple-negativen Mammakarzinomen (36, 53 und 38%). Bei HR-positiven, HER2-negativen Tumoren lag sie bei lediglich 12%. Wir untersuchten die Zeitabhängigkeit der pCR-Raten zwischen 2007 und 2018. Es fand sich eine deutliche Zunahme der pCR-Raten bei HER2-positiven und triple-negativen Karzinomen ([Abb. 2]).

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Abb. 2 pCR-Raten bei Subtypen des Mammakarzinoms. Daten nach [4]. pCR = pathologische Komplettremission.

Für weitere Angaben über Methoden und zu detaillierten Ergebnissen verweisen wir auf die Originalpublikation [4].

Zusatzmaterial



Publication History

Article published online:
26 September 2022

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