Aktuelle Dermatologie 2021; 47(08/09): 364-366
DOI: 10.1055/a-1514-1604
Interview

Mit Begeisterung und Mut zu Entscheidungen

Prof. Christiane Bayerl im Gespräch mit Dr. Pia Girbig
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Dr. med. Pia Girbig

Warum haben Sie die Dermatologie als Fachgebiet gewählt?

Ursprünglich habe ich mein Medizinstudium zunächst aufgenommen, weil ich in jugendlichem Leichtsinn und mit der Begeisterungsfähigkeit einer knapp 18-Jährigen eine wissenschaftliche Karriere in der Kinder- und Jugendpsychiatrie anstrebte.Nach dem Physikum wurde dann allerdings während Nachtwachen auf der Intensivstation unserer nahegelegenen Unfallklinik für Verbrennungsopfer mein Interesse für das Organ ‚Haut‘ geweckt. Die dermatologischen Vorlesungen und das Bedside-Teaching in der Universitätshautklinik Mannheim haben das zusätzlich bestärkt.Witzigerweise versuchten auch alle meine befreundeten Kommilitonen mich zu überzeugen, dass ich aufgrund meines Temperamentes als Kinder- und Jugendpsychiaterin völlig ungeeignet sei und sie mich daher eher als Dermatologin sehen würden.Natürlich nicht nur deshalb, sondern eher weil ich mir dann doch die Dermatologie nochmal genauer anschauen wollte, habe ich mich im Praktischen Jahr noch spontan entschlossen, meinen hart erkämpften PJ-Platz in der Pädiatrie gegen die Dermatologie zu tauschen. Ich war dann natürlich restlos begeistert und wollte unbedingt und aus voller Überzeugung Dermatologin werden. Als visueller Mensch war das genau das Richtige für mich! Die Verbindung der konservativen Medizin und der operativen Dermatologie mit der ganzen Bandbreite des Fachs haben mich sofort fasziniert.

Sie haben in Ihrer Karriere viel erreicht. Worauf sind Sie besonders stolz?

Stolz bin ich darauf, dass ich in meiner beruflichen Laufbahn einige recht mutige Entscheidungen zu Veränderungen getroffen habe. Nach meiner Facharztausbildung und einem Umzug von Mannheim nach Ulm, wo mein Mann eine Oberarztstelle antrat, habe ich hochschwanger meine erste Praxis in Günzburg als Gemeinschaftspraxis gegründet. Das zu organisieren war allerdings auch nicht ganz einfach. Für völlig verrückt wurden wir dann aber erklärt, als wir nach mehr als drei sehr erfolgreichen Jahren gemeinsam beschlossen, aus familiären Gründen wieder nach Mannheim zurückzukehren und meinen Praxisanteil einfach zu verkaufen. Stattdessen entschloss ich mich, wegen der gerade in Kraft getretenen Niederlassungssperre, übergangslos eine alteingesessene Praxis im Zentrum Mannheims als Einzelpraxis zu übernehmen. Genau diese Praxis war eigentlich schon als kleine Assistenzärztin immer mein Traum gewesen, und ich habe ihn mir tatsächlich erfüllt, obwohl meine Tochter damals erst 3 Jahre alt war.Auch darauf, dass ich deutlich vor dem Rentenalter meine Praxis in gute Hände übergeben habe, bin ich stolz. Dort arbeite ich mit großer Freude statt mit einer 60-Stundenwoche nur noch 2 Tage wöchentlich.Mit diesen Entscheidungen habe ich viele immer wieder überrascht, aber sie waren mit der Unterstützung meines Mannes gut überlegt. Meine Risikobereitschaft habe ich also nie bereut.Ebenso stolz bin ich im Nachhinein auch darauf, dass ich es trotz sehr hoher Arbeitsbelastung geschafft habe, im BVDD Baden-Württemberg und als Gründungsmitglied von JuDerm, der AG im BVDD zur Förderung der jungen Dermatologen, berufspolitisch aktiv zu werden. Und – last but not least – dass unsere Tochter vor Kurzem selbst ihre Facharztprüfung als Dermatologin abgelegt hat, macht mich ganz besonders stolz und spricht ja dafür, dass wir es als Familie ganz gut hinbekommen haben, alles zu vereinbaren.

Von wem haben Sie besonders viel gelernt?

Besonders viel gelernt habe ich natürlich von meinem ehemaligem Chef Herrn Professor Dr. Ernst G. Jung. Ihm bin ich unendlich dankbar, dass er mir trotz der damaligen sehr schwierigen Stellensituation nach einem kleinen Umweg eine Weiterbildungsstelle an der Universitätshautklinik Mannheim geben konnte und ich bei ihm meine gesamte Ausbildung in der ganzen dermatologischen Bandbreite absolvieren durfte. Er war in jeder Hinsicht für mich ein hervorragender Lehrmeister und ich fühle mich ihm auch heute noch sehr verbunden.Wahrscheinlich ist es aber wenigen Weiterbildungsassistenten vergönnt, gleichzeitig auch noch bei einem hervorragenden Leitenden Oberarzt lernen zu dürfen. Herr Professor Dr. Volker Voigtländer hat mich neben der konservativen Dermatologie in der Dermatochirurgie ausgebildet und sehr gefördert.

Wo sehen Sie die Zukunft der Dermatologie?

In den letzten Jahren haben wir sehr große wissenschaftliche Entwicklungen in der Dermatologie erleben dürfen. Allein durch die Systemtherapien im Bereich der Psoriasis und des atopischen Ekzems oder durch die Melanomtherapien haben sich Perspektiven eröffnet, von denen wir vor Jahren noch geträumt haben.Ich sehe die Zukunft der Dermatologie v. a. im wissenschaftlichen Bereich und durch deren Erkenntnisse im ambulanten Bereich, in dem sich viele unserer neuen Therapien umsetzen lassen.

Was war der beste Rat, den Sie während Ihrer Karriere erhalten haben?

Herr Professor Jung hat mir am Ende meiner Facharztzeit geraten, nicht in die Industrie zu gehen oder wissenschaftlich zu arbeiten, sondern mich in einer eigenen Praxis niederzulassen und mich dort zu verwirklichen, was ich nie bereut habe und was meinen Neigungen im täglichen Umgang mit meinen Patienten und meinem Team auch wirklich am meisten entsprochen hat.

Was raten Sie jungen Kollegen?

Wenn Sie Dermatologie machen wollen, seien Sie bereit, für Ihren Traum zu kämpfen! Die Stellensituation bei uns war und ist heute noch sehr schwierig. Machen Sie Ihre Famulatur, Ihr Praktisches Jahr und Ihre Dissertation in der Dermatologie und suchen Sie in dieser Zeit bereits Kontakte.Wenn in absehbarer Zeit keine Stelle frei ist, fragen Sie Ihren „Wunsch-Chef“, mit welchen Tätigkeiten Sie Ihre Chancen verbessern können, z. B. im theoretischen Bereich eines Instituts, im Ausland oder in einem anderen Fach wie der Chirurgie, Inneren Medizin oder Pathologie. Seien Sie bereit, auch Umwege zu gehen. Sie können in dieser Zeit viel profitieren, und es lohnt sich, denn die Dermatologie wird Sie glücklich machen!Sie können sich auch bereits im Studium und natürlich auch später berufspolitisch engagieren und hier wertvolle Kontakte knüpfen. Wir von JuDerm versuchen Sie bereits im Studium und v. a. in der Weiterbildungszeit, vor und zu Beginn Ihrer Praxistätigkeit tatkräftig zu unterstützen.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Pia Girbig
Mollstr. 35
68165 Mannheim
Deutschland
Pia.girbig@gmx.de



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
19. August 2021

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