Die Wirbelsäule 2021; 05(03): 186-190
DOI: 10.1055/a-1232-4485
Der interessante Fall

Versorgungskonzept einer Charcot-Arthropathie der Lendenwirbelsäule bei spastischer Tetraparese nach WS-Trauma und deren Folgen

Surgical concept in spinal Charcot arthropathy following traumatic spastic tetraparesia
Andrei Slavici
1   Klinik für Wirbelsäulenorthopädie und rekonstruktive Orthopädische Chirurgie, Sana Klinikum Offenbach
,
Marion Saur
2   Zentrum für Tetra- und Paraplegie, Orthopädische Klinik Hessisch Lichtenau gGmbH
,
Michael Rauschmann
1   Klinik für Wirbelsäulenorthopädie und rekonstruktive Orthopädische Chirurgie, Sana Klinikum Offenbach
,
Sven Schmidt
1   Klinik für Wirbelsäulenorthopädie und rekonstruktive Orthopädische Chirurgie, Sana Klinikum Offenbach
› Institutsangaben

Einführung

Die Inzidenz traumatischer Querschnittssyndrome in Deutschland erreicht 12:100.000 [1]. Mit dem Fortschritt der modernen operativen und rehabilitativen Therapiemöglichkeiten steigerte sich über die letzten Jahrzehnte sowohl die Lebenserwartung als auch die Mobilität. Somit häufen sich seltene Komplikationen und Spätfolgen wie die „Spinale Charcot Arthropathie“.

Analog zu den deutlich häufiger befallenen Lokalisationen der unteren Extremitäten, wie beispielsweise der Füße, wird durch die Neuropathie des Knochens und damit der Protektion dieser Strukturen, eine erosive Kaskade ausgelöst. Durch wiederholte Traumata kommt es letztendlich zu einer Inflammation mit Gelenkdestruktion und anschließender Zunahme der Instabilität, welche weiter den inflammatorischen Prozess unterstützt. Die grundlegenden Pathologien, die letztlich zu dieser seltenen Spinalarthropathie führen, sind mannigfaltig. So kann eine spinale Charcot Arthropathie im Rahmen einer multiplen Sklerose, diabetischer Polyneuropathie, amyotropher Lateralsklerose, von infektiösen Erkrankungen des zentralen Nervensystems, hereditären sensorischen und autonomen Neuropathien (z. B. congenital insensitivity to pain with anhidrosis) sowie eines posttraumatischen Querschnittsyndroms auftreten [2]. Bereits 1868 wird die „spinale neuropathische Arthropathie“ von Jean-Martin Charcot selber beschrieben [3]. Die erste dokumentierte Beschreibung, in der deutschen Literatur, ist die eines Patienten mit Tabes dorsalis im Rahmen einer tertiären Syphilis von 1884 durch Kronig [3].

Die häufigste Lokalisation ist im thorakolumbalen Übergang und in der lumbalen Wirbelsäule zu finden, ohne dass die initialen Rückenmarksläsionen eine Rolle spielen [2]. Nach durchgeführter operativer Stabilisierung zeigt sich eine Läsion meistens zwei Bewegungssegmente unterhalb des letzten instrumentierten Wirbelkörpers [4]. Anlassbezogene Abklärung erfolgt meistens aufgrund von zunehmenden lumbalen Schmerzen, Wahrnehmen von Krepitationsgeräuschen, sowie Veränderung des neurologischen Status mit Verschlechterung der Blasen- und Mastdarmfunktion und progredienten Paresen. Des Weiteren können je nach Lokalisation vegetative Symptome auftreten mit Variabilität des Blutdrucks sowie Beeinträchtigung der Atmung bei Kollaps des Rumpfes. Im Rahmen der klinischen Beobachtung können bei gut vorbekannten Patienten klinische Zeichen der Instabilität beobachtet werden, wie z. B. eine neue Angewohnheit, sich im Rollstuhl abzustützen. Bei auftretenden Deformitäten mit Versatz lassen sich dorsal Stufen tasten.

Die Therapie muss stets individuell angepasst werden und das entsprechende Ausmaß der Destruktion berücksichtigen. Leichtere Fälle können beobachtet und die entsprechenden Hilfsmittel angepasst werden. Zum Beispiel scheinen Rollstühle mit niedriger Rückenlehne durch einen höheren Freiheitsgrad des Rumpfes das Fortschreiten einer spinalen Charcot-Arthropathie zu begünstigen [2]. Bei bereits ausgeprägter Destruktion oder hochgradiger Instabilität steht die operative Stabilisierung im Vordergrund. Hierzu wird in der Literatur das dorsoventrale Vorgehen ausreichender ventraler Abstützung bevorzugt [5].



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
27. April 2021

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