Der Klinikarzt 2019; 48(10): 377
DOI: 10.1055/a-1009-6086
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Der Mensch ist mehr als nur „potenzieller Organspender“ – ein kurzer Appell

Winfried Hardinghaus
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Publication Date:
17 October 2019 (online)

Anlässlich der vor kurzem, am 25.9.2019, im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages in Berlin stattgefundenen Anhörung zum Thema Neuregelung der Organspende und Erhöhung der Spenderbereitschaft begrüßen wir wohl alle die Bemühungen des Gesetzgebers, die Strukturen der Organtransplantation sowie deren Finanzierung zu verbessern.

Trotzdem muss davor gewarnt werden, die Organspende lediglich als einen zu optimierenden Prozess und den einzelnen Menschen hauptsächlich als „potenziellen Organspender“ zu verstehen, so meine Meinung und die des von mir vertretenden Deutschen Hospiz-und PalliativVerbands (DHPV).

Um lebenslimitierend erkrankte Menschen, die als Organspender in Betracht kommen, ihre Zugehörigen und den natürlichen Sterbeprozess nicht aus dem Blick zu verlieren, sei an dieser Stelle daran appelliert, die Betreuung dieser Menschen – wie im Bereich der Hospizarbeit und Palliativmedizin üblich – als multiprofessionellen und interdisziplinären Prozess zu gestalten, der neben dem Transplantationsbeauftragten auch Palliativmediziner, Psychologen und (sofern gewünscht) Seelsorger in die Begleitung einbezieht.

Vor diesem Hintergrund sehen wir auch die angedachte Widerspruchslösung kritisch. Im Zusammenspiel mit strukturellen und finanziellen Verbesserungen der Organspende wird aus Sicht des DHPV die Entscheidungslösung am ehesten dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht im Umgang mit den sensiblen Fragen rund um das Lebensende gerecht.

Statt des Zwangs über die Widerspruchslösung brauchen wir Aufklärung sowie Informations- und Beratungsangebote. Diese müssen auch auf mögliche Nachteile der Organ- und Gewebeübertragung, insbesondere im Hinblick auf palliativmedizinische und psychologische Implikationen für die Spender und deren Angehörigen, hinweisen. Auf die besonderen Belange von Kindern und Jugendlichen ist stets Rücksicht zu nehmen.

Wir plädieren für eine informierte Entscheidung und eine hospizliche Perspektive im Umgang mit lebenslimitierend erkrankten Menschen, die als Organspender in Betracht kommen.

Durch die Förderung eines solchen Prozesses zeigt sich auch, wie die Transplantationsmedizin ein Teil im System des Gesundheitswesens ist und zu der Humanisierung der gesamten Gesellschaft beitragen kann.

Eine aktuelle ausführliche Stellungnahme des DHPV zur Transplantationsmedizin und Organspende vom 25.9.2019 finden Sie, verehrte Leser, unter https://www.dhpv.de/aktuelles_presse_stellungnahmen.html.