Zeitschrift für Phytotherapie 2018; 39(03): 101
DOI: 10.1055/a-0629-3593
Editorial
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Cannabis – ein Jahr in der Legalität

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Publication Date:
25 July 2018 (online)

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Dr. Ilse Zündorf

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Prof. Dr. Theo Dingermann

Am 10. März 2017 trat das „Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ („Cannabis als Medizin“) [1] in Kraft, mit dem Änderungen des Betäubungsmittelgesetzes, der Betäubungsmittel-Außenhandelsverordnung, der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung, des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und des Grundstoffüberwachungsgesetzes festgeschrieben wurden.

Imposant allemal! Und warum auch nicht? Denn schließlich war damit Cannabis endlich (?) auch in Deutschland in der Legalität angekommen.

Vorausgegangen war eine lange, kontrovers geführte Debatte, die sich von der Legalisierung von Cannabis als Genussdroge bis hin zur Verwendung von Cannabis bei chronisch Kranken erstreckte. Schließlich einigte man sich über Parteigrenzen hinweg auf einen legalen Einsatz in der Medizin.

An Fahrt hatte diese Debatte noch einmal durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln im Juli 2014 gewonnen, nachdem drei chronisch kranken Patienten unter bestimmten Bedingungen erlaubt wurde, Cannabis in der für sie notwendigen Menge selbst anzubauen und zu verarbeiten. Ein Katastrophenurteil, wenn man pharmazeutisch denkt, das allerdings insofern dahingehend korrigiert wurde, dass mit Inkrafttreten des „Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ der Eigenanbau rechtssicher verboten wurde.

Aber zu welchem Preis erfolgte diese dringende Korrektur? Durch die Gesetzesänderung können Ärzte nun neben Fertigarzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon auch Medizinal-Cannabisblüten oder Cannabisextrakt in pharmazeutischer Qualität verschreiben. Das mag den ein oder anderen Anhänger einer klassischen Phytotherapie erfreuen, anderen jagt dies einen Schauer über den Rücken.

Ist es angebracht, eine zweifelsfrei interessante Arzneidroge, bei der hochwirksame Inhaltsstoffe eindeutig bekannt sind, als Droge – vielleicht auch als Extrakt  –  zu verordnen? Darüber lässt sich vielleicht streiten. Aber als state of the art kann man das nicht bezeichnen.

Schließlich lässt die Verwendung von Drogen oder Extrakten mit stark wirksamen Wirkkomponenten Erinnerungen an die frühere Verwendung von beispielsweise Digitalisextrakten aufkommen, die – selbst nachdem eingestellte Extrakte zur Verfügung standen – völlig zugunsten der isolierten Reinstoffe aufgegeben wurde. Wer es mit dem medizinischen Einsatz von Cannabis ernst meint und nicht insgeheim an die „Genussdroge“ Cannabis denkt, sollte sich konsequent für den Einsatz von Cannabis-Reinsubstanzen (durchaus auch in Kombinationen) einsetzen. Höchste pharmazeutische Standards sind hier zu fordern, nicht zuletzt auch deshalb, weil es nach wie vor schwierig ist, eine eindeutige Wirksamkeit bei unterschiedlichen Indikationen zu belegen. Zudem ist es naiv, darauf zu vertrauen, dass der/die Patient/in die Droge „schon richtig dosieren und anwenden wird“. Mit pharmazeutischen Qualitätsstandards jedenfalls hat diese Verwendung von Cannabis nichts zu tun.

Dr. Ilse Zündorf und Professor Dr. Theo Dingermann