Gastroenterologie up2date 2008; 4(4): 286-287
DOI: 10.1055/s-2008-1077748
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Nicht alkoholische Steatohepatitis: Notwendigkeit der Leberbiopsie bei Adipösen ist abschätzbar

Christian  Trautwein, Daniela  Kroy
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Publication Date:
09 December 2008 (online)

Kommentar zu:

Ein klinisches Score-System zur Vorhersage einer nicht alkoholischen Steatohepatitis bei hochgradig adipösen Patienten

A clinical scoring system for predicting nonalcoholic steatohepatitis in morbidly obese patients

Campos GM, Bambha K, Vittinghoff E, Rabl C, Posselt AM, Ciovica R, Tiwari U, Ferrel L, Pabst M, Bass NM, Merriman RB; Department of Surgery, University of California San Francisco, San Francisco, CA 94 143 – 0790, USA

Hintergrund: Bei stark adipösen Patienten kommt häufig eine nicht alkoholische Steatohepatitis (NASH) vor. Eine Leberbiopsie ist aber bei diesen Patienten nicht einfach. Das Risiko einer NASH und damit die Notwendigkeit einer Biopsie lässt sich vorab mithilfe einiger Faktoren abschätzen, wie eine Studie von G.M. Campos und Kollegen zeigt.

Methoden: Während der bariatrischen Operation hochgradig adipöser Patienten entnahmen die Autoren intraoperativ Leberbiopsien und ließen diese pathologisch untersuchen. Der Body-Mass-Index der Patienten lag im Median bei 48 kg/m², maximal bei 55 kg/m². Bei keinem der Patienten gab es zuvor Hinweise auf eine andere Lebererkrankung. Die pathologische Diagnose einer NASH wurde mit demografischen, klinischen und Laborparametern korreliert, um relevante Prädiktionsfaktoren zu ermitteln.

Ergebnisse: Als unabhängige Prädiktoren für ein erhöhtes Risiko einer NASH stellten sich Hypertonie, Typ-2-Diabetes, Schlafapnoe, erhöhte Transaminasenwerte (Alaninaminotransferase [ALT] und/oder Aspartataminotransferase [AST] ≥ 27 IU/l) und nichtschwarze Hautfarbe heraus. Entsprechend der Einflussstärke in der Regressionsanalyse entwickelten die Autoren ein Punktesystem, das helfen soll, die Notwendigkeit einer Biopsie anhand der Wahrscheinlichkeit einer NASH abzuschätzen (Tab. [1]). Dabei wurden 4 Risikokategorien (niedrig, mittel, hoch und sehr hoch) unterschieden. In der Gruppe mit dem geringsten Risiko lag die Wahrscheinlichkeit, eine nicht vorhandene NASH richtig einzuschätzen bei 93 %, bei einer Überkreuz-Validierung mit 87 % etwas niedriger (Tab. [2]). Die Autoren sehen darin eine ausreichend hohe Aussagekraft, um diesen Patienten zumindest zunächst eine Leberbiopsie ersparen zu können. Hier, wie evtl. auch bei den Fällen mit mittlerem Risiko, kann bei regelmäßigen Kontrollen zugewartet werden.

Folgerungen: Das NASH-Risiko morbid adipöser Patienten lässt sich anhand verschiedener Risikofaktoren abschätzen. Patienten mit einem nach dem hier entwickelten Punktesystem geringen Risiko müssen keiner Biopsie unterzogen werden, es genügt eine Weiterbeobachtung, so die Autoren.

Hepatology 2008; 47: 1916 – 1923
(zusammengefasst von Friederike Klein, München)

Tabelle 1  NASH-Punktesystem bei extremer Adipositas: unabhängige Prädiktoren. Faktor Odds Ratio Punktwert Bluthochdruck 2,4 1 Typ-2-Diabetes 2,6 1 AST ≥ 27 IU/l 2,9 1 ALT ≥ 27 IU/l 2,9 1 Schlafapnoe 4,0 1 Nichtschwarze Hautfarbe 8,4 2

Tabelle 2  NASH-Punktesystem bei extremer Adipositas: Risikokategorien. Punktsumme NASH-Risikoklassifikation Prävalenz einer NASH 0 – 2 niedrig 13 % 3 – 4 mittel 29 % 5 hoch 59 % 6 – 7 sehr hoch 80 %

Leberbiopsie bei Adipositas. Die Fettleber bzw. die im Verlauf folgende Fettleberhepatitis ist eines der am schnellsten wachsenden medizinischen Probleme der westlichen Industrieländer. Dabei kommt der nicht alkoholischen Steatohepatitis (NASH) eine immer größere Bedeutung zu, da die Adipositas als Risikofaktor eine große Rolle spielt (2 – 3 % Fettleber in der Normalbevölkerung gegenüber 25 % bei Adipösen). Die zur Diagnosesicherung führende Leberbiopsie stellt bei adipösen Patienten häufig eine technische Herausforderung mit höheren Komplikationsraten dar. Während die Gesamtkomplikationsrate bei der transkutanen Leberbiopsie lediglich bei 0,22 – 0,29 % liegt, steigt das Risiko in der Population der Adipösen.

Nicht invasives Punktesystem. Die Studie von Campos et al. hatte zum Ziel, ein nicht invasives Punktesystem zu entwickeln, mit dem das Vorliegen einer NASH abgeschätzt werden kann, um somit auf eine Leberbiopsie verzichten zu können. In das Punktesystem fließen insgesamt 6 Faktoren ein:

Bluthochdruck Typ-2-Diabetes AST-Spiegel ALT-Spiegel Schlafapnoe nicht schwarze Hautfarbe

Der daraus errechnete Punktwert wurde mit den bei adipösen Patienten intraoperativ (bariatrische Operation) entnommenen Leberbiopsien korreliert.

Das durch die Autoren entwickelte Punktesystem trägt dazu bei, das NASH-Risiko bei adipösen Patienten auch ohne Leberbiopsie abschätzen zu können. Die Studie von Campos et al. reiht sich damit in die stetigen Bestrebungen nach nicht invasiver Diagnostik ein. Es wäre daher wünschenswert, wenn dieses Punktesystem in den klinischen Alltag Einzug halten könnte, um das NASH-Risiko bei Übergewichtigen einzuschätzen.

Weitere nicht invasive Verfahren. Im Moment stellt die Studie jedoch sicher nur einen Anfang dieser sinnvollen Entwicklung dar. Folgestudien müssen zeigen, ob das hier vorgestellte Punktesystem auch an anderen Studienkollektiven reproduzierbare Ergebnisse ergibt und dadurch als Grundlage zukünftiger klinischer Entscheidungen valide Aussagen ermöglicht. Zusätzlich ist es wünschenswert, weitere Parameter kontinuierlich zu testen, um dadurch die Sicherheit von nicht invasiven Verfahren zu verbessern.

Zur Primärdiagnose und auch zur Verlaufsuntersuchung erscheint der bei vielen anderen Lebererkrankungen sehr erfolgreich durchgeführte Fibroscan bei hochgradig adipösen Patienten problematisch, da die Vorlaufstrecke des Geräts bei Adipositas zu lang ist und zusätzlich die Fetteinlagerung in der Leber die Ergebnisse verfälscht.

Fazit. Zum jetzigen Zeitpunkt erscheint somit die Durchführung einer Leberbiopsie – evtl. unter laparoskopischen Bedingungen – unverändert der Goldstandard in der Stadieneinteilung der Fettleber bzw. Fettleberhepatitis (Histopathologie) zu sein. Damit ist derzeit am sinnvollsten eine Prognoseabschätzung und zukünftig möglicherweise eine Therapieentscheidung für den Patienten verbunden. Diese Abschätzung kann aktuell durch kein anderes Verfahren besser getroffen werden. Daher sind weitere Anstrengungen auf dem Gebiet der nicht invasiven Diagnostik dringend erforderlich, um langfristig die Indikation zur Leberbiopsie bei NASH zu reduzieren.

Christian Trautwein

Medizinische Klinik III
Universitätsklinikum Aachen

Pauwelsstraße 30
52074 Aachen

Email: ctrautwein@ukaachen.de

Daniela Kroy

Medizinische Klinik III
Universitätsklinikum Aachen

Pauwelsstraße 30
52074 Aachen

Email: dkroy@ukaachen.de