NOTARZT 2008; 24(5): 175-176
DOI: 10.1055/s-2008-1067458
Berufspolitik

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Eckpunkte – Notfallmedizinische Versorgung der Bevölkerung in Klinik und Präklinik

Fundamentals – Populations Preclinical and Clinical Emergency Medical Careagswn, INM, BÄK, BAND, DGU, DGCH, DGAI, DGK, DGNC, ASB, BKS, DRK, JUH, MHD, SKRD auf Initiative des Institutes für Notfallmedizin und Medizinmanagement, München (INM) und der Arbeitsgemeinschaft der Südwestdeutschen Notärzte (agswn)
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Publication Date:
10 October 2008 (online)

Notfallmedizinische Versorgung der Bevölkerung – Eckpunkte aus akutmedizinischer Sicht – Einführungzum Thema

K.-H. Altemeyer, B. Dirks, C. K. Lackner, K. H. Schindler

Krankenhäuser haben mit enormen finanziellen Problemen zu kämpfen. Ursachen sind gedeckelte Budgets bei gestiegenen Betriebs- und Personalkosten sowie die Umstellung der Leistungsvergütung auf fallbezogene Pauschalen. Diese Belastungen zwingen die Krankenhäuser zur Überprüfung und Anpassung ihrer Strukturen und Abläufe, um ihre Leistungen effizient erbringen zu können. Betriebswirtschaftliche Aspekte, die erhebliche Veränderungen in der Krankenhauslandschaft nach sich ziehen, treten dabei zwangsläufig in den Vordergrund. Krankenhäuser schließen oder ändern ihr Versorgungsportfolio in einer Weise, dass sie de facto nicht mehr rund um die Uhr für die Notfallversorgung zur Verfügung stehen.

Dies trifft die Notfallversorgung der Bevölkerung zweifach:

Krankenhäuser streichen die Notfallversorgung ganz oder teilweise aus ihrem Portfolio Krankenhäuser stellen keine Notärzte mehr zur Verfügung

Dadurch ist die zeitgerechte und flächendeckende Notfallversorgung der Bevölkerung bereits heute deutlich gefährdet.

Ein vom Institut für Notfallmedizin und Medizinmanagement (INM) des Klinikum der Universität München durchgeführter Experten-Workshop auf der Reisensburg im Februar 2007 befasste sich ausführlich mit den Auswirkungen der gDRGs auf die notfallmedizinische Versorgung in Deutschland. Bei dem Treffen, das mit Unterstützung der Stiftung BINZ ausgerichtet wurde, kamen die Probleme der Notfallversorgung zur Sprache, sie fanden ihren Niederschlag im Gutachten 2007 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Im Gutachten wird deutlich darauf hingewiesen, dass das im Artikel 20 des Grundgesetzes verankerte Sozialstaatprinzip die unverrückbare Verantwortung des Staates für die Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhausleistungen bedingt und damit der Staat eine ausreichende Versorgung mit Krankenhausleistungen gewährleisten muss. Es stellt aber auch kritisch fest, dass es Bund und Ländern bisher nicht gelungen ist, die zentralen Elemente des ordnungspolitischen Rahmens für Krankenhausleistungen zu reformieren, insbesondere die Krankenhausplanung und die öffentliche Investitionsförderung durch die Länder.

Die fehlenden Rahmenbedingungen und der enorme finanzielle Druck, der auf den Krankenhäusern lastet, führen dazu, dass schon jetzt die Vorgaben für die Krankenhausplanung durch die tatsächliche Situation überholt sind, obwohl es auch heute schon auf der Ebene der Bundesländer ausreichend Steuerungselemente gibt, um Defiziten in der Notfallversorgung rechtzeitig vorzubeugen. Die Krankenhausrahmenplanung ist Ländersache. Man muss jedoch feststellen, dass bisher nur in wenigen Bundesländern Konzepte vorliegen, welche die notfallmedizinische Akutversorgung sicherstellen können. Oft sind auch die Zuständigkeiten für den Rettungsdienst und die Krankenhausplanung in verschiedenen Ministerien angesiedelt, so dass die Notfallversorgung nicht als Einheit von präklinischer und innerklinischer Akutversorgung wahrgenommen wird.

In Kenntnis dieser Rahmenbedingungen gelangten wir zu der Überzeugung, dass die Notfallmedizin klare, medizinisch gesicherte Vorgaben erarbeiten müsse, die der Politik als Grundlage für eine sinnvolle Rahmenplanung dienen können. Die Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Notärzte (agswn) und das Institut für Notfallmedizin und Medizinmanagement (INM) des Klinikums der Universität München veranstaltete im Juni 2007 erneut mit Unterstützung der BINZ-Stiftung ein zweites Symposium in München, zu dem Vertreter aller medizinischen Fachgesellschaften und Organisationen, die an der Notfallversorgung beteiligt sind, eingeladen wurden.

Ziel dieses Treffens war, einen Konsens zu einem Eckpunktepapier der notfallmedizinischen Versorgung der Bevölkerung in Akut-Klinik und Rettungsdienst zu erarbeiten, der, von allen an der Notfallmedizin beteiligten medizinischen Fachgesellschaften und Hilfsorganisationen beschlossen und gebilligt, den verantwortlichen Behörden und Ministerien als Vorgabe für die weiteren Planungen zur Verfügung gestellt werden soll.

Dieses Eckpunktepapier liegt nun vor.

Die Fachgesellschaften und Organisationen, die mitgearbeitet haben, sind aus der Zusammenstellung am Schluss des Papiers zu ersehen.

Im Mittelpunkt und als entscheidende Größe steht die Zeitschiene, das heißt, die Zeitspanne, die für die Fahrt zum Notfallort, die außerklinische Erstversorgung und den anschließenden Transport ins nächste geeignete Krankenhaus zur Verfügung steht, um eine sachgerechte Versorgung der betroffenen Patienten sicher zu stellen.

Die Standortplanung von Rettungswachen, Notarztstandorte und auch für die erforderlichen Zielkrankenhäusern muss auf dem Boden dieser Zeitvorgaben erfolgen. Nur so kann eine Erstversorgung von akut erkrankten oder verletzten Patienten auf dem Niveau sichergestellt werden, das von den Fachgesellschaften gefordert wird und in den entsprechenden Leitlinien festgelegt wurde.

Dr. rer. nat. Dr. med. Burkhard Dirks

Sektion Notfallmedizin
Klinik für Anästhesiologie
Universitätsklinikum Ulm

89070 Ulm

Email: burkhard.dirks@uni-ulm.de