Dtsch Med Wochenschr 2008; 133(6): 229
DOI: 10.1055/s-2008-1017500
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kontrollierte Studien in deutschsprachigen Publikationen

Controlled studies published in German-language medical journalsM. Middeke1
  • 1DMW Chefredakteur, Blutdruckinstitut München
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Publication Date:
30 January 2008 (online)

Werden in deutschsprachigen Zeitschriften überhaupt noch klinische Studien publiziert, und werden diese international zur Kenntnis genommen?

Während die deutschsprachigen Zeitschriften in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts noch weltweit führend waren, hat ihre Bedeutung insbesondere für die Publikation wissenschaftlicher Originalarbeiten seit dem 2. Weltkrieg deutlich abgenommen.

Ein gewisser „Publikationsimperalismus” insbesondere angloamerikanischer Länder trägt ferner dazu bei, dass nicht alle deutschsprachigen Publikationen klinischer Studien auch der internationalen Wissenschaft zugänglich gemacht werden. Eine der wesentlichen Ursachen ist die elektronische Indexierung kontrollierter Studien z. B. in Datenbanken wie Medline: Sie hat große Lücken. Einige Zeitschriften werden von Medline komplett ignoriert, weil sie nach Angaben von Medline nicht deren Anforderungen entsprechen. Und die Krönung: Es gibt Zeitschriften, z. B. der Nature-Gruppe, die keine Zitate aus nicht-englischsprachigen Zeitschriften erlauben!

Das deutsche Cochrane-Zentrum in Freiburg hat daher nun in mühsamer Handsuche und mit großem Aufwand eine für die deutschsprachige wissenschaftliche Literatur sehr bedeutsame Untersuchung durchgeführt [1]. Danach sind 55 % der kontrollierten Studien aus der Untersuchung des Cochrane-Instituts in Medline nicht gelistet, und 32 % der untersuchten Zeitschriften sind mit keinem einzigen Medline-Zitat vertreten.

Dennoch werden selbstverständlich nach wie vor kontrollierte Studien in deutschsprachigen Zeitschriften publiziert. Tab. [1] zeigt die Rangfolge der deutschsprachigen Zeitschriften mit den meisten Publikationen kontrollierter Studien.

Tab. 1 Die 10 deutschsprachigen Zeitschriften mit den meisten klinischen Studien1 seit 1948 bis 2004 in der Rangfolge der Listung in Medline 1. Die vollständige Listung aller untersuchten Zeitschriften finden Sie online unter: www.thieme-connect.de/ejournals. Zeitschrift Klinische Studien1 Davon in Medline n % 1 Der Anaesthesist 805 599 73 2 Die Medizinische Welt 1150 553 48 3 DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 726 517 71 4 Fortschritte der Medizin2 421 377 89 5 Medizinische Klinik 588 361 61 6 Wiener Klinische Wochenschrift 390 269 69 7 AINS Anästhesiologie Intensivmedizin Notfallmedizin Schmerztherapie 362 256 71 8 Wiener Medizinische Wochenschrift 313 234 75 9 Schweizerische Rundschau Medizin Praxis 275 186 68 10 Ophthalmologie 279 177 63 1randomisierte kontrollierte Studien und kontrollierte Studien 2bis 1998, danach MMW Fortschritte der Medizin

Das führt aber zu dem Schluss, dass systematische Übersichtsarbeiten (Reviews) zu wichtigen klinischen Fragestellungen lückenhaft sein können und die Beurteilung des aktuellen Stands der klinischen Forschung verzerrt sein kann. Abgesehen davon werden möglicherweise unnötige klinische Studien erneut durchgeführt, obwohl die Fragestellung bereits ausreichend untersucht wurde. Hier berührt die weltweite Publikationsrealität durchaus auch ethische Aspekte.

Es ist ein großer Verdienst des deutschen Cochrane-Zentrums, dass es mit seiner Arbeit diese Defizite aufzeigt. Mit der „Handsuche” werden alle kontrollierten Studien in Deutschland erfasst und der internationalen Cochrane Collaboration zugearbeitet. So können nun auch diese Suchergebnisse in die zentrale Datenbank CENTRAL einfließen und stehen für systematische Recherchen und Reviews zur Verfügung.

Es lohnt sich also nach wie vor, bzw. jetzt umso mehr, klinische Studien auch in deutscher Sprache zu publizieren. Dies betrifft natürlich insbesondere Themen der Versorgungsforschung und spezifische Themen, die das deutsche Gesundheitssystem betreffen. Die Publikationen gehen nun nicht mehr verloren, auch wenn sie von Medline oder Embase nicht gelistet werden.

Literatur

  • 1 Blümle A, Antes G. Handsuche nach randomisierten kontrollierten Studien in deutschsprachigen medizinischen Zeitschriften.  Dtsch Med Wochenschr. 2008;  133 230-234

Prof. Dr. med. Martin Middeke

Blutdruckinstitut München

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80805 München

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