Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-2007-995619
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Morbus Crohn: kein wesentlicher Therapievorteil durch Certolizumab Pegol
Publication History
Publication Date:
11 March 2008 (online)
Kommentar zu:
Certolizumab Pegol in der Therapie des Morbus Crohn
Certolizumab Pegol for the Treatment of Crohn’s Disease
Sandborn WJ, Feagan BG, Stoinov S, Honiball PJ, Rutgeerts P, Mason D, Bloomfield R, Schreiber S; Division of Gastroenterology and Hepatology, Mayo Clinic, Rochester, MN 55 905, USA
Erhaltungstherapie mit Certolizumab Pegol bei Morbus Crohn
Maintenance Therapy with Certolizumab Pegol for Crohn’s Disease
Schreiber S, Khaliq-Kareemi M, Lawrance IC, Thomsen OO, Hanauer SB, McColm J, Bloomfield R, Sandborn WJ; Klinik für Innere Medizin, Christian Albrechts Universität, Kiel, Deutschland
Hintergrund: Infliximab und Adalimumab sind mittlerweile in der Therapie des Morbus Crohn etabliert. Certolizumab Pegol ist ein pegyliertes Fab-Fragment eines monoklonalen Antikörpers gegen TNF-α, dem günstigere Eigenschaften zugeschrieben werden: Es bindet stärker an TNF-α, hat kein Fc-Fragment, aktiviert nicht die Komplementkaskade und induziert keine Apoptose von T-Zellen oder Monozyten.
Methoden: In zwei Studien wurde nun untersucht, wie effektiv sich Certolizumab Pegol bei Morbus Crohn einsetzen lässt. Die PRECISE-1-Studie schloss hierzu in einem randomisierten, doppelblinden und plazebokontrollierten Ansatz 662 Erwachsene mit mäßigem bis schwerem Morbus Crohn ein. Sie erhielten eingangs, nach 2 und 4 Wochen sowie in der Folge alle 4 Wochen 400 mg Certolizumab Pegol oder Plazebo als subkutane Injektion. Endpunkte der Untersuchung waren das Ansprechen in Woche 6 sowie in Woche 6 und Woche 26. Die PRECISE-2-Studie schloss 428 Crohn-Patienten ein, die auf eine Therapie mit dem Antikörper (Injektionsschema wie bei PRECISE 1) in Woche 6 angesprochen hatten. Diese erhielten anschließend bis einschließlich Woche 24 randomisiert alle 4 Wochen 400 mg Certolizumab Pegol subkutan oder Plazebo. Die Nachbeobachtung erstreckte sich bis Woche 26.
Ergebnisse: In der PRECISE-1-Studie hatten Patienten mit einem CRP von mindestens 10 mg/l in 37 % (Verum) bzw. 26 % (Plazebo) der Fälle in Woche 6 auf die Behandlung angesprochen. Sowohl in Woche 6 als auch in Woche 26 waren dies 22 % und 12 %. In der Gesamtpopulation lauteten die entsprechenden Zahlen in Woche 6 unter Certolizumab Pegol 35 % und unter Plazebo 27 % sowie 23 % und 16 % in Woche 6 und 26. Die Remissionsraten unterschieden sich nicht wesentlich, auch die Rate an Nebenwirkungen war in beiden Gruppen ähnlich. In der PRECISE-2-Studie hatten unter Verum 62 % (CRP = 10 mg/l) bzw. 63 % (Gesamtpopulation) in Woche 26 angesprochen, unter Plazebo 34 % bzw. 36 %. Eine Remission bestand zu diesem Zeitpunkt bei 48 % (Certolizumab Pegol) und 29 % (Plazebo) der Teilnehmer.
Folgerungen: Certolizumab Pegol verbessert bei moderatem bis schwerem Morbus Crohn im Vergleich zu Plazebo in der Induktions- und Erhaltungstherapie die Ansprechraten mäßig, nicht aber die Remissionsraten. Patienten, die auf die Behandlung angesprochen haben, profitieren von einer weiteren Gabe und zeigen dann höhere Ansprech- und Remissionsraten als unter Plazebo, so die Autoren.
N Engl J Med 2007; 357: 228 - 238 und 239 - 250
Studien zu Antikörpertherapien. In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl von „Biologika”-Studien überwiegend prominent publiziert. Ein Blick auf die tatsächlichen Ergebnisse lohnt: Insbesondere die Langzeitdaten sind ernüchternd. Infliximab als erster zugelassener TNF-Antikörper hat gemäß der Europäischen Leitlinie (ECCO Consensus) einen Stellenwert bei auf immunsuppressive Therapie (Azathioprin, Methotrexat) refraktären Verläufen. Die langfristige Remissionserhaltung gelingt allerdings nur bei etwa 20 % der Patienten (ACCENT I). Für Adalimumab sind die Langzeitdaten marginal besser, es scheint jedoch auch bei Wirkungsverlust von Infliximab bei einem Teil der Patienten erfolgreich zu sein. Noch enttäuschender sind die Ergebnisse zu Natalizumab. Dieser Integrin-Antagonist ist nicht wirksamer als Plazebo in der Remissionsinduktion und die mäßigen Langzeitdaten rechtfertigen auch die remissionserhaltende Therapie nicht (ENACT I und II).
Studien zu Certolizumab Pegol. Stellt Certolizumab Pegol eine bessere Alternative dar? In einer ersten Phase-2-Studie wurde es an fast 300 Patienten mit mäßigem bis schwerem Morbus Crohn in drei Dosierungen gegen Plazebo getestet und hatte sich als unwirksam erwiesen [1]. Nach 12 Wochen lag die Remissionsrate unter optimaler Dosierung bei 27 % und damit nicht signifikant höher als Plazebo. Trotz dieser bescheidenen Wirksamkeit folgten weitere Studien: PRECISE 1 bestätigt das negative Ergebnis der erwähnten Phase-2-Studie und konnte keinen Vorteil für Certolizumab in der Remissionsinduktion feststellen. In der zweiten Studie (PRECISE 2) war die „Response-Rate” (weicher Endpunkt im Vergleich zur „Remissionsrate”) an Woche 6 erstaunlicherweise deutlich höher als in beiden anderen Studien (64 %), ohne dass die Autoren eine einleuchtende Erklärung bieten. Unter Therapie nur dieser „Responder” (Selektionsbias!) mit Certolizumab waren nach 26 Wochen 48 % dieser Patienten in Remission im Vergleich zu 29 % in der Plazebogruppe. Bezogen auf die Gesamtpopulation von PRECISE 2 sind also nur 31 % aller behandelten Patienten nach einem halben Jahr noch in Remission. Zudem war auch in der PRECISE-2-Studie die Rate schwerer Infektionen signifikant höher als unter Plazebo (3 % vs. < 1 %). Unserer Ansicht nach stellt Certolizumab daher keinen wesentlichen Fortschritt in der Therapie des Morbus Crohn dar. Dies spiegelt auch die zurückgestellte Zulassung von Certolizumab Pegol für die Behandlung des Morbus Crohn durch die FDA wider.
Erstpublikation: DMW 2007; 132: 2126
Literatur
- 1 Schreiber S, Rutgeerts P, Fedorak R N. et al . A randomized, placebo-controlled trial of certolizumab pegol (CDP870) for treatment of Crohn’s disease. Gastroenterology. 2005; 129 807-818
PD Dr. med. Klaus Herrlinger
Robert-Bosch-Krankenhaus
Auerbachstraße 110
70376 Stuttgart
Email: zim1@rbk.de