Zentralbl Chir 2007; 132(1): 15
DOI: 10.1055/s-2007-970594
Originalarbeiten und Übersichten

© J. A. Barth Verlag in Georg Thieme Verlag KG

Kommentar auf Anforderung der Schriftleitung

I. Gastinger 1
  • 1Chirurgische Klinik Carl-Thiem-Klinikum Cottbus Thiemstr.111 03048 Cottbus
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Publication Date:
16 February 2007 (online)

Daten kontrollierter Studien zur laparoskopischen Appendektomie (LAE) sind rar bzw. widersprüchlich. Das gleiche gilt für die Ergebnisse multizentrischer Beobachtungsstudien. Auch das von M. Müller et al. analysierte unizentrische Krankengut (n=642) eines 3-Jahreszeitraumes bringt in dieser Situation keinen entscheidenden Erkenntnisgewinn, zumal die vorgelegten Ergebnisse mit Vorsicht interpretiert werden müssen. So sind beispielsweise die Entzündungsstadien nur klinisch definiert ,eine histologische Bestätigung fehlt. In dem Krankengut der Autoren wird bei fast 40% der Patienten (n=242) wegen chronisch rezidivierender rechtsseitiger Unterbauchbeschwerden eine Appendektomie durchgeführt. Auch die Einbeziehung der Appendicitis phlegmonosa in die schwersten Entzündungsformen ist zumindest ebenso problematisch wie die Gruppenbildung „Akute und chronisch rezidivierende Appendizitis“ vs. „Komplizierte Appendizitis“. Dabei wurden in die letztere Gruppe neben nur 13 Perforationen (2%) und 9 Appendixabszessen 110 nicht histologisch bestätigte (!) phlegmonöse Appendizitiden einbezogen. Es muss also konstatiert werden, dass sich das vorliegende Krankengut mit anderen Untersuchungen nur schwer vergleichen lässt. Um so mehr verwundert es, dass an Hand dieser Daten von den Autoren die LAE als Regel - und Ausbildungseingriff empfohlen wird. Bei einer solchen Empfehlung muss zunächst daran erinnert werden, dass die Appendektomie als dringlicher bzw. notfallmäßiger Eingriff der Regelversorgung überall und nicht nur in sog. Zentren der Minimal Invasiven Chirurgie rund um die Uhr in gleicher Qualität durchgeführt werden muss. Aus Gründen der Ablauforganisation besonders in zentralen interdisziplinären OP- Abteilungen und der Personalsituation („surgeon volume“) würde das regelhafte laparoskopische Vorgehen in vielen Kliniken die Patientensicherheit gefährden. Darum sollte im Zweifelsfall auch aus forensischer Sicht immer das offene Standardverfahren vorgehalten werden. Hinsichtlich dieser Ausführungen wird in Abb. [1] die Entwicklung der Appendektomien (n=2013) in der eigenen Klinik des Zeitraumes 1997-2005 dargestellt. Kontinuierlich wurde mit gleichzeitiger Ausbildung von 12 Operateuren die Rate der LAE innerhalb von 6 Jahren auf 70% angehoben. Bei steigender postoperativer Morbidität, in erster Linie verursacht durch zu viele Konversionen wurde die Zahl der Operateure auf 8 reduziert. Seitdem werden bei einer Konversionsrate von unter 10% noch die Hälfte der Appendektomien bei akzeptablen out-come laparoskopisch durchgeführt. Im Gegensatz zu dem von Müller et al. vorgestellten Krankengut registrierten wir allerdings 14% Perforationen und 20% histologisch gesicherte nicht akut entzündliche Befunde. Neben den aufgezeigten ablauforganisatorischen und personellen Bedingungen sind zwei weitere Voraussetzungen zu erfüllen, damit die LAE zum Regeleingriff werden kann. Am wichtigsten erscheint hier die Etablierung einer standardisierten Operationstechnik. Diese hat neben der Patientensicherheit, das Ausbildungsregime und die Vergleichbarkeit von Ergebnissen zu berücksichtigen.Es muss eine leicht erlernbare Technik mit schnellem Handling (OP-Zeit!)sein. Ferner ist ein universeller Einsatz bei der Versorgung des Appendixstumpfes und des Mesenteriolums ohne Verwendung der Elektrochirurgie zu fordern. Diese Anforderungen erfüllt derzeit in allen Belangen nur die Klammernahttechnik. Entschieden widersprochen werden muss den Ausführungen von Müller et al. hinsichtlich des Einsatzes der LAE bei der perforierten Appendizitis. Die technische Machbarkeit steht außer Zweifel. Allerdings ist die aktuelle Datenlage hinsichtlich einer Beeinflussung septischer Befunde durch das Pneumoperitoneum sehr widersprüchlich! Unbedingte Voraussetzung vor routinemäßiger Anwendung der LAE bei der Perforation sind weitere kontrollierte Studien zur Bakteriämie und Endotoxinämie im Zusammenhang mit einem Pneumoperitoneum. Abschließend kann festgestellt werden, dass die LAE trotz noch fehlender Standardisierung der OP-Technik als therapeutische Option im Rahmen der diagnostischen Laparoskopie bei der Abklärung unklarer Unterbauchbeschwerden und Vorliegen einer unkomplizierten Appendizitis bereits heute als Regel - und Ausbildungseigriff angesehen werden kann. Dies wird auch durch die von Müller et al. vorgelegten Daten bestätigt. Auf Grund der erwähnten noch fehlenden Voraussetzungen aber kann die LAE in der dringlichen Versorgungschirurgie und bei Vorliegen einer komplizierten Appendizitis noch nicht als Routineeingriff empfohlen werden. Standard ist nach wie vor die offene Appendektomie.

Abb. 1