Der Klinikarzt 2006; 35(11): 443
DOI: 10.1055/s-2006-958643
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Differenzialdiagnose Dyspnoe

Matthias Leschke
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
29. November 2006 (online)

Das Leitsymptom Dyspnoe ist eine der häufigsten, aber auch anspruchsvollsten Anlässe einer ärztlichen Konsultation bzw. einer notfallmäßigen Vorstellung in der Klinik. Dabei wird dem behandelnden Arzt ein hohes Maß an differenzialdiagnostischen Kenntnissen, klinischer Erfahrung und Auffassungsgabe abverlangt, um zeitlich adäquat eine prognostisch relevante Erkrankung mit akuter Dyspnoe und unmittelbar einzuleitenden therapeutischen Maßnahmen von Erkrankungen mit weniger drängendem Therapiebedarf, aber auch von harmlosen Formen, wie einer funktionellen Dyspnoe oder Dyspnoe infolge Trainingsmangel, abzugrenzen.

Gerade beim älteren Patienten mit Dyspnoe treffen häufig eine chronische Bronchitis und ein Emphysem neben kardialen ätiologischen Faktoren, wie eine arterielle Hypertonie, mit einer diastolischer Dysfunktion - eventuell mit zusätzlicher koronarer Herzkrankheit - zusammen. Diese klinische Konstellation unterstreicht nochmals, welcher großen Erfahrung und exzellenten Ausbildung es bedarf, um in der Praxis oder Klinik die angemessenen diagnostischen und therapeutischen Entscheidungen zu treffen. Inwieweit der reformierte aktuelle internistische Ausbildungsweg diese klinische Erfahrung und Expertise auch in Zukunft ermöglicht, bleibt abzuwarten.

Obwohl die Dyspnoe neben dem akuten Brustschmerz das am häufigsten anzutreffende Symptom in Notfallsituationen ist, liegen im Gegensatz zum akuten Thoraxschmerz bzw. akuten Koronarsyndrom keine prospektiv evaluierten evidenzbasierten Therapiealgorithmen vor. Gerade in einer von Leitlinien geprägten Medizin gilt es aber mehr denn je, die individuelle ärztliche Kunstfertigkeit bei der Differenzialdiagnose und Therapie der Dyspnoe mit hoher Verantwortung zu pflegen.

Doch wie steht es mit Ihnen? Sind Sie zum Beispiel mit den aktuellen kardiopulmonalen Funktionsuntersuchungen zur Abklärung der Dyspnoe vertraut? Hierzu kann ich Ihnen nur den Beitrag von H.-W.M. Breuer, Malteser Krankenhaus St. Carolus Görlitz, ans Herz legen, der Sie neben der Echokardiografie mit der anspruchsvollen Methode der Spiroergometrie vertraut macht. Im Kontext mit den zur Verfügung stehenden diagnostischen Methoden sollte es durchaus gelingen, die Ursache der Dyspnoe zu finden. In einem eigenen Beitrag zur Dyspnoe aus kardiologischer Sicht haben wir darauf hingewiesen, dass es - trotz gezielter Anamnese - häufig nur in 50 % der Fälle gelingt, die Diagnose der Herzinsuffizienz bei Vorliegen einer Dyspnoe bzw. von Ödemen korrekt zu stellen bzw. auszuschließen.

Alle Autoren dieses Heftes haben sich zur Aufgabe gemacht, ihre klinische Erfahrung in ihre Beiträge einfließen zu lassen - ein Anspruch, dem R. Dierkesmann und J. Weber, Klinik Schillerhöhe, Gerlingen, im Rahmen ihres Beitrags zur Erstdiagnostik und Therapie der Dyspnoe aus Sicht des Pneumologen auf hervorragende Weise gerecht werden. Sie belegen, dass es trotz der vielfältigen pneumologischen Differenzialdiagnosen in der Regel bereits mit der Anamnese und wenigen technischen Untersuchungen gelingen kann, eine endgültige Diagnose zu stellen. Einen speziellen Beitrag als „Chamäleon” der Inneren Medizin verdient die Lungenembolie. M.P. Heintzen aus dem Städtischen Klinikum Braunschweig weist in seinem Artikel zum akuten Cor pulmonale bei Lungenarterienembolie ebenfalls noch einmal auf die Notwendigkeit einer zielgerechten und adäquaten Therapie hin, zumal die Lungenarterienembolie noch immer nicht richtig oder zumindest nicht schnell genug diagnostiziert wird.

Die Autoren dieser Ausgabe hoffen, Ihr Interesse an dem Leitsymptom Dyspnoe geweckt zu haben, und freuen sich, wenn Sie in Ihrer täglichen Arbeit davon profitieren.

Prof. Dr. Matthias Leschke

Esslingen (Gasteditor)

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