Notfall & Hausarztmedizin 2006; 32(6): 288-289
DOI: 10.1055/s-2006-948065
Blickpunkt

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mittendrin statt nur dabei - Die neue Approbationsordnung

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Anschrift der Verfasser

cand. med. Christoph Paulus

Täubchenweg 88

04317 Leipzig

Email: paulus2410@hotmail.de

Dr. med. Ulrich Rendenbach

Selbständige Abteilung für Allgemeinmedizin, Universität Leipzig

Philipp-Rosenthal-Str. 55

04103 Leipzig

Publication History

Publication Date:
14 July 2006 (online)

 
Table of Contents

Haben Sie denn das Zweite Staatsexamen schon geschrieben?", so oder ähnlich lauten immer noch die Fragen von Ärzten, an denen die Studienreform im Medizinstudium unbemerkt vorbeigegangen ist. Aus diesem Grund soll erläutert werden, was sich nach Reformierung des Studienganges alles geändert hat beziehungsweise was sich ändern wird.

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Was ändert sich?

Nach der neuen Approbationsordnung werden das bisherige Erste, Zweite und Dritte Staatsexamen zu einer einzigen Abschlussprüfung, der 2. Ärztlichen Prüfung, besser bekannt als "Hammerexamen", zusammengefasst. Dieses wird nun erstmalig im Herbst 2006 geschrieben. Das alte Physikum bestand aus der schriftlichen Prüfung der vorklinischen Grundlagenfächer und der mündlichen Prüfung von zwei ausgelosten Fächern der Bereiche Anatomie, Biochemie, Physiologie und Psychologie. In der neuen mündlichen ersten Ärztlichen Prüfung fällt nun Psychologie als Prüfungsfach weg, die restlichen drei Fächer sind weiterhin Bestandteil der Prüfung. Die zweite Ärztliche Prüfung folgt am Ende des Praktischen Jahres und besteht aus einer schriftlichen und mündlichen Prüfung. Die schriftliche Prüfung besteht nun nicht mehr nur aus IMPP-spezifischen[1] Wissensfragen, sondern verlangt zusätzlich die Beantwortung von themenübergreifenden, fallbezogenen Fragen. Im mündlichen Teil der Prüfung werden die Fächer Innere Medizin und Chirurgie sowie ein individuelles Wahlfach geprüft ([1]. Ob ein zusätzliches viertes Fach geprüft wird, wird vom zuständigen Landesprüfungsamt bestimmt. Die Reform der Approbationsordnung kann als Antwort auf die häufig geäußerte Kritik an fehlender Praxisnähe im Studium verstanden werden. Die Rolle der Vorlesung als zentrales Mittel der Wissensvermittlung rückt deutlich in den Hintergrund. (Block-)Praktika und begleitende Seminare sollen künftig zentrale Bedeutung erlangen, problemorientiertes Lernen in der Gruppe (POL) und der Unterricht am Krankenbett werden ausdrücklich als essentielle Bestandteile des Studiums deklariert. Ebenfalls neu sind die Wahlfächer. Im vorklinischen und im klinischen Studienabschnitt sollen die Studierenden aus einem universitätsspezifischen Angebot ein Fach aussuchen können, das allerdings auchgeprüft und benotet wird. Eine andere wichtige Änderung betrifft den Scheinerwerb: Künftig müssen in allen Fächern explizit so genannte "Leistungsnachweise" erbracht werden, die Tage des "Sitzscheins" sind damit gezählt. Im vorklinischen Abschnitt des Studiums sollen die Dozenten verstärkt klinische Inhalte in ihre Vorlesungen und Seminare einfließen lassen, damit deutlicher wird, warum überhaupt Grundlagen erlernt werden müssen, und welche Zusammenhänge es gibt. Der vorklinische Studienabschnitt umfasst weiterhin zwei Jahre. Im klinischen Abschnitt des Studiums, welcher eine Dauer von vier Jahren hat, gesellen sich zu den 21 Hauptfächern und dem neuen Wahlfach nun zwölf so genannte Querschnittsbereiche, die fächerübergreifend klinische oder ethische Bereiche der Humanmedizin abdecken sollen. In diesem Rahmen müssen künftig Leistungsnachweise unter anderem in "Medizin des Alterns", "Prävention und Rehabilitation", "Gesundheitsökonomie" und ähnlichen Neukonstruktionen erbracht werden, sodass letztendlich 39 klinische Scheine vor dem Ableisten des Praktischen Jahres zu erreichen sind ([2]). Soweit die graue Theorie der neuen Approbationsordnung.

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Eine gute oder schlechte Reform?

Der Gedanke, das Studium praxisnäher zu gestalten, war ohne Zweifel überfällig, jedoch hätte die Reform des Studienganges noch größere Änderungen mit sich bringen müssen. Ist es wirklich notwendig, dass der bundesweite Durchschnitt der Medizinstudenten ihr Studium erst am Ende ihres dritten Lebensjahrzehnts beendet und weit über 30 Jahre alt werden muss, bevor ein Facharzttitel einen ausreichenden Verdienst ermöglicht? Sollte man nicht versuchen, das Studium sowohl fachlich als auch zeitlich effizienter zu gestalten? Man stelle sich folgenden Studienablauf vor: Jeder Anwärter auf einen der begehrten Plätze des Medizinstudiums muss obligatorisch sechs Monate in einem Krankenhaus ein klinisches Praktikum absolvieren, welches mit einem schriftlichen Arbeitszeugnis zu beurteilen ist. Dies hätte den positiven Effekt, jedem Interessierten vorab einen guten Einblick in den medizinischen Alltag zu verschaffen. Danach sollten, von den einzelnen Fakultäten ausgehend, persönliche Auswahlgespräche geführt werden. Jedoch muss man sich hierbei fragen, ob es wirklich Sinn macht, einen schulischen Notendurchschnitt von mindestens 1,8 zur Einladung zu diesen Vorgesprächen vorauszusetzen, wie es die Universität Leipzig in ihren neuen Zulassungsmodalitäten geplant hat. Des Weiteren sind die vorklinischen, naturwissenschaftlichen Fächer nur für Studenten obligat, welche keinen gymnasialen Kurs in der Oberstufe nachweisen können. Somit ist trotz der Einführung eines klinischen Wahlfaches, die Möglichkeit gegeben, das vorklinische Studium um ein Semester zu kürzen. Der klinische Teil des Studiums ist nach Haupt-, Neben- und Querschnittsfächer zu gliedern, was teilweise in der neuen Approbationsordnung schon umgesetzt wird. Jedoch steht der Zeit- und Lernaufwand bei diesen Fächern in keiner sinnvollen Relation. Wo liegt der tiefere Sinn darin, dass absolute Grundlagenfächer wie Pharmakologie oder Chirurgie nur über wenige Wochen im Ausbildungsplan zu finden sind? Fächer wie Geschichte der Medizin, Gesundheitsökonomie oder Prävention hingegen, nehmen eine neue und wichtige Rolle im Studienablauf ein, was sich in der Notwendigkeit eines schriftlichen Leistungsnachweises widerspiegelt. Für die Ausbildung der Mediziner wäre es besser, mehr Zeit in die Hauptfächer Innere Medizin, Chirurgie und Pharmakologie zu investieren und die so genannten Querschnittsfächer in Pflichtseminaren abzuhalten. Darüber hinaus sollte man die Möglichkeit haben, nach seinen Interessen und nicht nach der Anzahl der Mitarbeiter der speziellen Fachrichtung sein Wahlfach nach Absolvierung der 1. Ärztlichen Prüfung festzulegen. Dieses Wahlfach könnte somit zum Bestandteil der 2. Ärztlichen Prüfung werden. Denn nur so kann eine elitäre Ausbildung in einem Fachgebiet, welches später in verkürzter Facharztausbildung zu vertiefen ist, erreicht werden. Um der Aussage von Claude Bernard (1813-1878 franz. Physiologe) gerecht zu werden, der behauptete, das Krankenhaus sei die Vorhalle der wissenschaftlichen Medizin, sollte mit Beginn des klinischen Abschnitts ein Fach "Klinische Studien" eingeführt werden ([3]). Dies wäre eine sinnvolle Möglichkeit, dem Studenten das wissenschaftliche Arbeiten näher zu bringen, mit dem Ziel, eine Promotion zu erleichtern. Es wäre überlegenswert, das letzte klinische Semester nur für die Fertigstellung der Promotion zur Verfügung zu stellen, was erfreulicherweise an einigen Fakultäten schon umgesetzt wird. Man sollte den einzelnen Universitäten durchaus ihre Freiräume bei der Gestaltung des Studiums belassen. Es kann und darf jedoch nicht sein, dass die Anzahl und die Gestaltung der Pflichtprüfungen nicht bundesweit einheitlich geregelt sind und es ins Belieben der jeweiligen Universität gestellt wird, in welchen Fächern Leistungsnachweise erfolgen, beziehungsweise ob ein weiteres Fach Bestandteil der mündlichen Prüfung der zweiten Ärztlichen Prüfung ist.

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Fazit

Auch wenn nicht alles zukunftsorientiert und wohl durchdacht ist, sind wir auf einem guten Weg, der im Moment an einem Scheidepunkt angelangt ist. Jedoch muss sich auch außerhalb der Studienreform einiges ändern, damit nicht die gute Ausbildung in Deutschland nur unseren ausländischen Nachbarn gute Ärzte beschert. Denn auch der deutsche Arzt ist im Ausland zu Gast bei Freunden.

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Literatur

05 IMPP = Institut für medizinisch pharmazeutische Prüfungsfragen

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Anschrift der Verfasser

cand. med. Christoph Paulus

Täubchenweg 88

04317 Leipzig

Email: paulus2410@hotmail.de

Dr. med. Ulrich Rendenbach

Selbständige Abteilung für Allgemeinmedizin, Universität Leipzig

Philipp-Rosenthal-Str. 55

04103 Leipzig

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Literatur

05 IMPP = Institut für medizinisch pharmazeutische Prüfungsfragen

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Anschrift der Verfasser

cand. med. Christoph Paulus

Täubchenweg 88

04317 Leipzig

Email: paulus2410@hotmail.de

Dr. med. Ulrich Rendenbach

Selbständige Abteilung für Allgemeinmedizin, Universität Leipzig

Philipp-Rosenthal-Str. 55

04103 Leipzig