Hebamme 2006; 19(2): 77
DOI: 10.1055/s-2006-947843
Editorial

© Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Wie wissenschaftlich ist die Hebammenforschung?

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Publication Date:
05 December 2006 (online)

Üblicherweise gilt eine der jährlichen Ausgaben dieser Zeitschrift den aktuellen Hebammenforschungsprojekten im deutschsprachigen Raum. Dies geschieht in Anlehnung an das Programm des 16. Forschungsworkshops für Hebammen, der am 29.10.2005 in Fulda stattfand.

Zusätzlich ist in diesem Heft eine aktuelle Leserinnenumfrage enthalten, die ihrerseits belegt, wie sehr Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, am wissenschaftlichen Gehalt der Beiträge gelegen ist. So wird es im Kontakt mit Frauen und Fachpersonal mehr und mehr auch für Hebammen selbstverständlich, evidenzbasiert zu argumentieren. Es geschieht immer häufiger, dass Kolleginnen Schwangere informieren mit Sätzen wie »Studien haben gezeigt, dass ...« Aus den erfahrungsbasierten Ratschlägen wird heute zunehmend evidenzbasiertes Beraten und Betreuen. Üblicherweise beziehen sich diese Ratschläge auf Betreuungsmaßnahmen, die nachgewiesenermaßen einen Einfluss auf das Geburtsergebnis haben.

Über Jahre haben sich mehrere Evidenzklassifikationssysteme entwickelt. Ein typisches Beispiel der »ersten Generation« [1] lautet:

Evidenz-Typ

II a wenigstens ein systematischer Review auf der Basis methodologisch hochwertiger, kontrollierter, randomisierter Studien (RCTs)

I b wenigstens ein ausreichend großer, methodisch hochwertiger RCT

II a wenigstens eine hochwertige Studie ohne Randomisierung

II b wenigstens eine hochwertige Studie eines anderen Typus quasi-experimenteller Studien

III mehr als eine methodisch hochwertige nichtexperimentelle Studie

IV Meinungen und Überzeugungen von angesehenen Autoritäten; Expertenkommissionen; beschreibende Studien

Auf den Forschungsworkshops werden häufig empirische Befunde für Betreuungsmaßnahmen generiert, die nicht selten das Ergebnis der ersten Gehversuche im wissenschaftlichen Arbeiten darstellen. Überaus spannend wird es, wenn dies systematisch und regelgeleitet auf dem aktuellen Wissensstand geschieht. Hebammen sind durch die Phänomenvielfalt des täglichen Erlebens gute Hypothesenbildner. Dies wird sehr deutlich nachvollziehbar am Beitrag von Claudia Oblasser, ob Schwangere am Termin mit Blasensprung liegend transportiert werden sollten oder nicht s. S. 90.

Blättert man in wissenschaftlichen Fachzeitschriften, so werden empirische Arbeiten nach exakten Kriterien gegliedert. Die Einleitung mit dem derzeitigen Abriss der wissenschaftlichen Literatur führt zum Ziel der Untersuchung und der Fragestellung. Daran anschließend folgt die Methodik mit einer kurzen Darstellung des analytischen Vorgehens. Im Ergebnisteil werden alle Resultate geschildert, die in der daran anschließenden Diskussion interpretiert werden. Die Zusammenfassung mit 200 bis 250 Wörtern folgt den gleichen Kriterien. Bei nichtempirischen Arbeiten kann diese Regelung etwas abweichen, sollte jedoch immer den Einführungsteil mit dem Ziel der Untersuchung beinhalten.

Der beschriebene Gliederungsvorschlag soll Hebammenschülerinnen ermutigen, ihren Beitrag für den vom Hippokrates Verlag ausgeschriebenen Justina-Siegemund-Preis s. S. 128 nach den Kriterien Einleitung, Methode, Ergebnisse, Diskussion und Literatur vorzubereiten. In diesem Heft wurde diese Art der Gliederung bereits in dem Beitrag zur Sichtweise der Frauen mit Kind in Beckenendlage umgesetzt s. S. 103.

Nimmt man die Ergebnisse der Leserinnenumfrage, so rangiert das Editorial auf dem hintersten Platz in der Wichtigkeit der Leserinnen. - Umso mehr wünsche ich Ihnen, dass Sie beim Lesen der Beträge noch mehr Freude haben als beim Lesen des Editorials.

Literatur

  • 1 McCormick KA, Fleming B. Clinical practice guidelines. The Agency for Health Care Policy and Research fosters the development of evidence-based guidelines.  Health Prog. 1992;  73 30-34