psychoneuro 2006; 32(5): 269
DOI: 10.1055/s-2006-947142
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Kein Anlass zur Entwarnung - Drogen- und Suchtbericht 2006

Jürgen Fritze1
  • 1Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)
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Publication Date:
01 June 2006 (online)

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing, hat am 03.05.2006 den Drogen- und Suchtbericht 2006 vorgestellt. Zurecht sieht sie „keinen Anlass zur Entwarnung”. Die Zahl der offiziell als solche erfassten Drogentoten ist zwar 2005 gegenüber 2004 erneut um 4 % gesunken, liegt aber - betrachtet man einen längeren Zeitraum als der Bericht - „brutal” hoch. Schön wäre immerhin, wenn - wie die Drogenbeauftragte ausführte - der Rückgang tatsächlich dem Ausbau niedrigschwelliger Beratungsangebote für Opiatabhängige und der Substitutionsbehandlung (inklusive des Modellprojektes Heroinsubstitution) zu verdanken ist. Ursächlich eindeutig zuordnen lässt sich das nicht.

Tabakrauchen, Alkohol, Cannabis, Psychostimulanzien und Ecstasy sind unverändert die Brennpunkte. Die Raucherquote der 12- bis 17-Jährigen ist von 28 % im Jahr 2001 immerhin im Jahr 2005 auf 20 % gesunken. Dazu kann die Tabaksteuererhöhung beigetragen haben. Warum wird sie nicht konsequent fortgesetzt? Warum nicht auch zumindest bei konzentrierten alkoholischen Getränken? Warum wird - im Widerspruch zum europäischen Recht - das Tabak-Werbeverbot nicht durchgesetzt? Warum werden die pharmakologischen Möglichkeiten, die Alkoholabstinenz zu fördern, derart unzureichend (Fritze J. Psychopharmaka-Verordnungen - Ergebnisse und Kommentare zum Arzneiverordnungsreport 2005. Psychoneuro 2006; 32: 44-53) genutzt? Die immer gleiche Antwort liegt auf der Hand: blanke - halbherzig eingestandene - Armut. Oder doch Sparsamkeit - an der falschen Stelle?

Die Studienergebnisse des „Modellprojektes heroingestützte Behandlung” in den Städten Hamburg, Hannover, Bonn, Köln, Frankfurt, Karlsruhe und München sind bei www.heroinstudie.de veröffentlicht, der Drogen- und Suchtbericht bei www.drogenbeauftragte.de.

Abb. 1

Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. med. Jürgen Fritze

Gesundheitspolitischer Sprecher

Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)

Asternweg 65

50259 Pulheim