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DOI: 10.1055/s-2006-944252
Die „Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin” feiert ihren 80. Geburtstag
The “Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin” Celebrates its 80th Birthday
Prof. Dr. med. Nikolaus Konietzko
Spillheide 78
45239 Essen
eMail: nikolaus.konietzko@t-online.de
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
24. August 2006 (online)
- Hand aufs Herz
- Demnach ist der 24. Mai 1926 der Geburtstag der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin.
Hand aufs Herz
Wer von uns kennt schon die Ursprünge unserer Gesellschaft? Für die meisten von uns, auch die Altvorderen, sind Ort, Zeit und nähere Umstände ihres Entstehens ein Mysterium, verborgen im Dunkel der Geschichte. Und offen gefragt, wen interessiert wirklich, wie alt die DGP, die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin ist, solange sie so prächtig wächst und gedeiht wie derzeit? Einen zumindest beschäftigt das Thema alle Jahre wieder, nämlich den jeweiligen DGP-Tagungspräsidenten. Spätestens dann, wenn er am Geleitwort zu „seiner” Jahrestagung bastelt, beginnt er - exzellenter Pneumologe, aber unbedarfter Historiker - zu rechnen: Er zählt die vorangegangenen Kongresse zusammen, setzt die so gewonnene Zahl mit dem Alter der Gesellschaft gleich und teilt dieses einer staunenden Leserschaft mit. Aber leider ist seine Rechnung falsch. Sie lässt nämlich zwei Fakten außer Acht: Erstens, dass die Tagungen unserer Gesellschaft während der Kriegsjahre ausgesetzt wurden und zweitens, dass ab 1996 der Wechsel von einem zunächst zwei- auf einen einjährigen Rhythmus erfolgte.
#Wie alt ist unsere Gesellschaft denn also wirklich?
Die Antwort findet sich in der Zeitschrift Beiträge zur Klinik der Tuberkulose (siehe Abb. [1 a - d] [*] [*] [*]). Den Hinweis darauf verdanke ich zwei Altpräsidenten, den Herren Werner Maaßen und Rainer Dierkesmann, die Kopien hat mir Herr Kropp aus seinem Tuberkulosearchiv besorgt. Die Zeitschrift Beiträge zur Klinik der Tuberkulose ist die Vorgängerin unserer heutigen Pneumologie. Im Vorwort zum 62. Band beschreibt der Chronist in blumigen Worten und mit einigem nationalem Pathos, wie sich im Mai 1926 in Danzig zwei der drei damals existierenden Tuberkulosegesellschaften, die Vereinigung der Lungenheilanstaltsärzte und die Gesellschaft deutscher Tuberkulosefürsorgeärzte zusammenschlossen, um die Deutsche Tuberkulosegesellschaft zu gründen. Die Deutsche Tuberkulosegesellschaft ist die Vorgängerin unserer heutigen Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. Interessant ist, dass die damalige dritte Kraft im Kampf gegen die Tuberkulose, das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK), erst Anfang der 90er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts den engen Kontakt zur wissenschaftlichen Gesellschaft, der DPG, suchte und auch fand, was übrigens auch darin zum Ausdruck kommt, dass der gewählte Präsident der DGP qua Amt in Personalunion Präsident des DZK ist.
#Demnach ist der 24. Mai 1926 der Geburtstag der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin.
Die Gründung der Deutschen Tuberkulosegesellschaft erfolgte in politisch unruhigen und wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Die junge Weimarer Republik litt damals schwer unter der Last der Reparationszahlungen an die Alliierten und unter der Hypothek der Versailler Verträge, an deren Folgen sie letztlich auch zu Grunde gehen sollte.
Die Gründungsversammlung der Deutschen Tuberkulosegesellschaft fand in Danzig statt. Der Tagungsort Danzig war wohl nicht ohne Vorbedacht gewählt worden, man wollte „Flagge zeigen”. Danzig mit seiner überwiegend deutschsprachigen Bevölkerung war mit dem Vertrag von Versailles vom Deutschen Reich abgetrennt worden. Am 15. November 1920 war es zu einem unabhängigen Staat, der Freien Stadt Danzig, erklärt und unter die Aufsicht des Völkerbunds gestellt worden. „Reichsdeutsche” konnten die Stadt nur über den polnischen Korridor erreichen, wie im geschilderten Fall der 250 Tuberkuloseärzte, die mit einem Sonderzug aus Berlin angereist waren. Diese fraglos schwierige Situation sowie eine Vielzahl weiterer problematischer Verhältnisse gaben immer wieder Anlass für Beschwerden an den Völkerbund. Diese blieben aber zumeist unbeachtet, was wiederum unter der deutschsprachigen Bevölkerung Danzigs nationalistische Ressentiments förderte. Vor diesem historischen Hintergrund sind auch die für heutige Ohren stramm national klingenden Formulierungen in dem Bericht unserer Gründungsväter zu verstehen.
Heute ist Danzig eine polnische Stadt, die sich Gdansk nennt. Gdansk hat seine neue Rolle in der Brückenfunktion zwischen Ost und West in der Europäischen Union gefunden. Die Rolle von Gdansk ist damit nicht unähnlich der unserer Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. Die Einbindung der Kollegen aus dem Osten Europas in die pneumologische Gemeinschaft ist für die DGP eine Notwendigkeit, aus historischer Erfahrung gewonnen. Ein friedlich zusammenwachsendes Europa darf in Zukunft künstliche Inseln und widernatürliche Enklaven wie einst Danzig und Berlin oder heute Königsberg, durch verfehlte Politik entstanden, nicht mehr zulassen. Insofern erscheint mir die Beschäftigung mit der Geschichte unserer Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin doch nicht ganz uninteressant, im besten Fall vielleicht sogar nützlich.
Prof. Dr. med. Nikolaus Konietzko
Spillheide 78
45239 Essen
eMail: nikolaus.konietzko@t-online.de
Prof. Dr. med. Nikolaus Konietzko
Spillheide 78
45239 Essen
eMail: nikolaus.konietzko@t-online.de