Gesundheitswesen 2006; 68(4): 257-264
DOI: 10.1055/s-2006-926723
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Merkmale von Risikogruppen einer unzureichenden Inanspruchnahme zahnmedizinischer Leistungen - Ergebnisse der Study of Health in Pomerania (SHIP)

Characteristics of Risk Groups with an Insufficient Demand for Dental Services - Results of the Study of Health in Pomerania (SHIP)G. Born1 , S. E. Baumeister1 , S. Sauer1 , E. Hensel2 , T. Kocher2 , U. John1
  • 1Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Greifswald
  • 2Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Universitätsklinikum Greifswald
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Publication Date:
17 May 2006 (online)

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Zusammenfassung

Ziel: Ziel der Arbeit war es, Merkmale von Risikogruppen einer unzureichenden Inanspruchnahme zahnmedizinischer Leistungen sowie möglicher Einflussgrößen für das gewünschte Inanspruchnahmeverhalten zu identifizieren. Methoden: Datenbasis war die Querschnittstudie „Study of Health in Pomerania” (SHIP) an der erwachsenen Bevölkerung (Alter 20 - 79 Jahre) einer Region im Nordosten Deutschlands. 4310 von 7008 zufällig ausgewählten Einwohnern der Region nahmen an den Untersuchungen teil (Responserate 68,8 %). Die Inanspruchnahme zahnmedizinischer Leistungen im letzten Jahr wurde mittels logistischer Regression, basierend auf dem konzeptuellen Modell nach Andersen/Newman, analysiert. Ergebnisse: Das zentrale Resultat unserer multivariaten Analyse ist, dass der Besitz eines Bonusheftes mit OR = 8,2 und die Bonussysteme privater Krankenversicherungen mit OR = 2,6 als begünstigende Faktoren auf die Inanspruchnahme wirken, objektiver Hilfebedarf mit OR = 1,02 weniger stark prädiktiv wirkt als subjektive Einstellungen, wie z. B. zur Notwendigkeit regelmäßiger Zahnarztbesuche zur Vorsorge. Das Vorhandensein eigener (natürlicher) Zähne ist mit einem OR = 3,3 mit der Inanspruchnahme verbunden, d. h. im Umkehrschluss, dass sich Zahnlose bzw. Vollprothesenträger möglicher Mundgesundheitsprobleme nicht bewusst sind und nicht mindestens einmal im Jahr zum Zahnarzt gehen. Als disponierende Variablen bleiben nur Geschlecht und Bildung als signifikante Einflussgrößen auf die Inanspruchnahme bestehen. Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse zum signifikanten Einfluss subjektiver Einstellungen und zur positiven Wirkung des Führens eines Bonusheftes oder der Mitgliedschaft in privaten Krankenversicherungen auf die gewünschte, mindestens einmal jährliche Inanspruchnahme zahnmedizinischer Leistungen sind für das Gesundheitswesen bedeutsam. Finanzielle Anreizstrukturen und die Motivierung zur Vorsorge sollten demnach beibehalten und ausgebaut werden. Eine Zielgruppe bei der Gestaltung von Maßnahmen zur Verbesserung der Inanspruchnahme müssen Angehörige niedriger Bildungsschichten sein, auch der unzureichenden Inanspruchnahme zahnmedizinischer Leistungen durch Männer sollte gezielt entgegengewirkt werden. Ein wesentlicher Bestandteil zukünftiger Bemühungen muss die Verankerung des Begriffes „Mundgesundheit” anstelle von „Zahngesundheit” in der Bevölkerung sein, sodass objektiver Bedarf, der auch bei Zahnlosigkeit besteht, bewusst wird und regelmäßige Vorsorge zur Erhaltung einer hohen Lebensqualität führt.

Abstract

Aim: The purpose of this study was to identify risk groups for low dental care utilisation and to highlight adequate determinants for necessary action. Methods: The database was the “Study of Health in Pomerania” (SHIP), a cross-sectional sample drawn from the adult population (20 - 79 years) in a northeast region of Germany. 4310 of 7008 randomly selected inhabitants participated in the examinations (response rate 68.8 %). The use of dental care in the last year was analysed using logistic regression according to the conceptual model by Andersen and Newman. Results: Multivariate analysis revealed that participation in the bonus scheme system of the statutory sickness funds (OR = 8.2) and participation in the bonus system of the private health insurance companies (OR = 2.6) as “enabling resources” predicted dental care use in the last year. “Objektive need” (OR = 1.02) is weaker associated with dental care utilisation than “subjective need”, for instance the attitude towards need of regular dental checkups. Presence of own teeth is a significant predictor for dental care utilization (OR = 3.3), whereas edentulous persons, those with complete denture prosthesis, don't think about possible oral problems and don't visit the dentist at least once a year. Among “predisposing factors“ only gender and education were significant determinats for dental care utilization. Conclusions: The conclusions concerning the significant influence of subjective need and promotional impact of the bonus scheme are important for health care. Financial incentives and motivation for regular prevention should be continued and upgraded. Measures to improve preventive dental care utilization should focus on persons with low educational levels and on men with inadequate dental care utilisation. The mental anchorage of the term “oral health” rather than the conventional term “dental health” is important, so that edentulous persons become conscious of regular prevention pointers to maintain a high quality of life.