Intensivmedizin up2date 2006; 2(3): 205-214
DOI: 10.1055/s-2006-925071
Allgemeine Prinzipien der Intensivmedizin
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Rationaler Einsatz von Inotropika

Wilhelm  Haverkamp, Elmar  Berendes
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Publication Date:
30 August 2006 (online)

Kernaussagen

Wirkmechanismen. Positiv inotrop wirkende Medikamente gehören, obwohl sie im klinischen Alltag oft unentbehrlich sind, zu den „ungeliebten Kinder” der Intensivmedizin. Für die Catecholamine gilt, dass sie zu einer Zunahme des myokardialen Sauerstoffverbrauchs und einer Steigerung der intrazellulären Calciumkonzentration führen. Beides kann sich nachteilig auf die zelluläre Integrität auswirken (Ischämieauslösung bzw. -verstärkung, Zunahme der myokardialen Dysfunktion aufgrund eines erhöhten Sauerstoffverbrauchs). Die Zunahme der intrazellulären Calciumkonzentration führt darüber hinaus zu einer Steigerung der Arrhythmieneigung (bis zu malignen ventrikulären Tachyarrhythmien, z. B. Kammerflimmern). Auch Phosphodiesterase-III-Hemmer erhöhen die intrazelluläre Calciumkonzentration. Die einzige klinisch einsetzbare Substanz, die diesen Effekt nicht zeigt, ist der Calcium-Sensitizer Levosimendan.

Indikationen. Die Behandlung der akuten Herzinsuffizienz sollte im Sinne einer Stufentherapie erfolgen. Positiv inotrope Pharmaka werden erst dann eingesetzt, wenn sich die Herzinsuffizienz gegenüber der Gabe von Diuretika und Vasodilatatoren (in ausreichender Dosierung) als refraktär erweist. Eine Ausnahme bildet die akute Kreislaufinstabilität, z. B. im Rahmen einer kardiopulmonalen Reanimation.

Die Behandlung mit positiv inotropen Pharmaka ist eine überbrückende Maßnahme, die immer von einer Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung begleitet sein sollte. Frühzeitig sollte auch an den Einsatz nicht-pharmakologischer Maßnahmen (z. B. intraaortale Ballon-Gegenpulsation) gedacht werden. Beim instabilen Koronarsyndrom steht die koronare Intervention als primäre Maßnahme im Vordergrund.

Voraussetzung für den sinnvollen Einsatz von positiv inotropen Pharmaka im Sinne eines differenzialtherapeutischen Vorgehens ist, dass der behandelnde Arzt das pharmakologische Wirkprofil der Substanzen genau kennt.

Kontraindikationen. Eine Hypovolämie kann zu einer Herabsetzung der Wirkung von Catecholaminen führen. Ihr Ausschluss ist gewissermaßen eine Voraussetzung für den Einsatz von Catecholaminen. Nimmt das Ansprechen auf Catecholamine im Verlauf der Therapie ab, sollte der Volumenstatus erneut überprüft werden. Bei Hypovolämie können positiv inotrope Substanzen z. B. eine übermäßige Frequenzsteigerung bewirken, die zu einem stark erhöhten myokardialen Sauerstoffverbrauch und einer erhöhten Arrhythmieneigung führen kann.

Besonders kritisch zu sehen ist der Einsatz von positiv inotropen Substanzen bei Patienten mit einer linksventrikulären Hypertrophie (hypertrophische Kardiomyopathie, Aortenstenose). In solchen Situationen ist für Catecholamine eine relative Kontraindikation gegeben, und sie sollten in solchen Fällen nur im äußersten Notfall eingesetzt werden. Bei einer dekompensierten Aortenstenose sollte möglichst schnell ein operativer Klappenersatz angestrebt werden.

Positive Effekte von inotrop wirkenden Pharmaka auf die Hämodynamik schließen ungünstige Wirkungen auf den Langzeitverlauf im Sinn einer erhöhten Sterblichkeit nicht aus. Der Einsatz positiv inotroper Substanzen sollte daher auch unter diesem Aspekt immer sorgfältig hinsichtlich Nutzen und Risiken abgewogen werden. Die Wiederherstellung suffizienter Kreislaufverhältnisse ist zwar vorrangiges Ziel, die Betrachtung der längerfristigen Prognose darf bei der Indikationsstellung aber nicht außer Acht gelassen werden.

Toleranzentwicklung. Werden Catecholamine längerfristig eingesetzt, sollte die Möglichkeit der Toleranzentwicklung bedacht werden. Ein hämodynamisches Monitoring, das über die alleinige Kontrolle des Blutdrucks hinausgeht, kann bei längerfristiger Gabe notwendig werden (Echokardiographie, pulmonalarterieller Katheter).

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Priv.-Doz. Dr. med. Wilhelm Haverkamp

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