Handchir Mikrochir Plast Chir 2006; 38(4): 217-223
DOI: 10.1055/s-2006-924419
Originalarbeit

Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prävaskularisationsstrategien im Tissue Engineering[1]

Prevascularisation Strategies in Tissue EngineeringE. Polykandriotis1 , A. Arkudas1 , S. Euler1 , J. P. Beier1 , R. E. Horch1 , U. Kneser1
  • 1Abteilung für Plastische und Handchirurgie, Universitätsklinikum Erlangen
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Publication History

Eingang des Manuskriptes: 26.3.2006

Angenommen: 21.6.2006

Publication Date:
21 September 2006 (online)

Einführung

Seit den Anfängen des Tissue Engineerings konzentrierten sich die Forschungsbemühungen vornehmlich auf drei Hauptelemente, denen die entscheidende Bedeutung für eine erfolgreiche Gewebsneuzüchtung beigemessen wurde: Zellen, Matrix und bioaktive Moleküle [[14]]. Es wurde sehr früh erkannt, dass die Interaktion der Matrix mit dem umgebenden Gewebe auf zellulärer Ebene eine Schlüsselrolle spielt. Um diese Interaktionen zielgerichtet zu modulieren, fokussierte sich die biomolekulare Forschung beim Tissue Engineering auf die Verbesserung der Applikation von Wachstumsfaktoren und bioaktiven Proteinen. Auf dem Höhepunkt dieser Technologien werden Zellen und Matrizes so modifiziert oder konstruiert, dass sie selber Wachstumsfaktoren freisetzen können [[16]].

Die ex vivo Technologien wurden mit viel versprechenden Resultaten in einen in vivo Ansatz transferiert. Es wurden Modelle der ektopen und orthotopen Implantation entwickelt, und viele Konstrukte zeigten in experimentellen Untersuchungen viel versprechende Eigenschaften [[10], [12], [20]]. Bei diesen Experimenten wurde jedoch zumeist das Verhältnis von Volumen zu Oberfläche klein gehalten und die Implantation fand an Empfängerstellen mit günstigen Perfusionscharakteristika statt; mit anderen Worten: kleine Konstrukte in gesunden Empfängern. Die Matrizes wurden schnell von Kapillaren des lokalen Gefäßnetzwerks durchsetzt, das wiederum die funktionelle Interaktion und Biointegration der Konstrukte sicherte.

Die klinische Realität unterscheidet sich signifikant von den oben genannten Implantationsmodellen. Gewebedefekte sind oft das Resultat von radikalen Tumorexzisionen, fulminanten Infektionen oder großen Gewebstraumata. In diesen Fällen gibt es entweder eine anhaltende Inflammation aufgrund aufgebrauchter Immunreserven oder eine ausgeprägte Fibrose mit nur noch minimalem lokalen angiogenetischen Potenzial. Ein weiteres Risiko in Gebieten mit mangelhafter Perfusion stellt eine bakterielle Inokulation dar. Jede Art der Gewebesubstitution sollte daher zur Förderung der Heilung und zur Wiederherstellung der Funktionalität eigene Vaskularisation in den Defekt mit einbringen. Die Standardbehandlung derzeit ist die mikrochirurgische plastische Rekonstruktion mittels freier Lappenplastiken wie zum Beispiel vaskularisierten Knochentransplantaten [[1], [8]].

Diese Verfahren sind jedoch mitunter mit einer signifikanten Hebemorbidität verbunden. Weiterhin gibt es Limitationen betreffend Größe und Form des verfügbaren Gewebes; dies gilt für alle Gewebe und in besonderem Maße für Knochentransplantate. Daher steht die Entwicklung von alternativen Verfahren zur Reduktion des Hebedefektes im Fokus der Forschung auf dem Gebiet der plastischen und rekonstruktiven Chirurgie. Moderne Operationstechniken beinhalten hierbei zum Beispiel Perforans-Lappenplastiken [[5]] und präfabrizierte freie Lappenplastiken [[9]].

Die Kombination von Methoden des Tissue Engineerings mit Präfabrikations- und Vaskularisationsstrategien mit dem ultimativen Ziel der Schaffung von vaskularisierten bioartefiziellen Knochenersatzgeweben ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zu rekonstruktiven Ansätzen mit minimiertem Hebedefekt. Derartige Verfahren sind Gegenstand der experimentellen Forschung an unserer Klinik.

In Vorstudien wurde in vitro und in vivo die Knochenbildung von Osteoblasten in Hartmatrizes untersucht. In diesen Studien zeigte sich in vitro eine gute Knochenbildung, jedoch führte die Transplantation von osteogenen Zellen in osteokonduktiven Hartmatrizes im Kalottendefektmodell aufgrund des suboptimalen initialen Zellüberlebens zu keiner signifikant gesteigerten Knochenbildung. In den weiteren Studien wurden daher mikrochirurgische Prinzipien verwendet, um die initiale Vaskularisierung der Matrix zu verbessern und somit bessere Voraussetzungen für eine Beladung der Matrix mit osteogenen Zellen zu erzielen.

1 Nach einem Vortrag anlässlich der gemeinsamen Jahrestagung der VDPC, VDÄPC und ÖGPÄRCH in München, 27. September bis 1. Oktober 2005

1 Teile dieser Arbeit sind bereits in internationalen Fachzeitschriften im Druck

Literatur

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  • 20 Warnke P H, Springer I N, Wiltfang J, Acil Y, Eufinger H, Wehmoller M, Russo P A, Bolte H, Sherry E, Behrens E, Terheyden H. Growth and transplantation of a custom vascularised bone graft in a man.  Lancet. 2004;  364 766-770

1 Nach einem Vortrag anlässlich der gemeinsamen Jahrestagung der VDPC, VDÄPC und ÖGPÄRCH in München, 27. September bis 1. Oktober 2005

1 Teile dieser Arbeit sind bereits in internationalen Fachzeitschriften im Druck

Dr. med. Elias Polykandriotis

Abteilung für Plastische und Handchirurgie
Universitätsklinikum Erlangen

Krankenhausstraße 12

91054 Erlangen

Email: elias.poly@chir.imed.uni-erlangen.de

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