Zentralbl Chir 2006; 131(2): 95-96
DOI: 10.1055/s-2006-921575
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Multimodale Therapie solider Karzinome - Evidenz gesichert?

Multimodal Treatment of Solid Carcinoma - Evidence Based?A. Imdahl1 , U. T. Hopt2
  • 1Klinikum Heidenheim, Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Heidenheim
  • 2Chirurgische Universitätsklinik Freiburg, Abt. Allgemein und Viszeralchirurgie, Freiburg
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Publication Date:
13 April 2006 (online)

Vor 5 Jahren erschien im Zentralblatt für Chirurgie ein erstes Schwerpunktheft zu multimodalen Therapieansätzen in der Behandlung solider Karzinome. Nach Fortschritten der vergangenen Jahre ist es gerechtfertigt, jetzt ein zweites Schwerpunktheft diesem Thema zu widmen. Wiederum konnten herausragende Spezialisten gewonnen werden, die den Stand der Erkenntnisse auf ihrem Gebiet übersichtlich darstellen.

Die chirurgische Technik der Behandlung solider Karzinome und ihr perioperatives Management wurden in den letzten Jahren derart perfektioniert, dass von ihrer Weiterentwicklung kein Durchbruch in der Behandlung dieser Karzinome zu erwarten ist - auf die uns durchaus bewusste Problematik der Zentrenbildung und Mindestmengen soll hier nicht eingegangen werden. Von daher war der Gedanke multimodaler Ansätze konsequent. Die Analyse der vorliegenden Erkenntnisse zeigt, dass multimodale Therapieansätze in der Therapie solider Karzinome einen aktuellen Stellenwert haben, aber ihre Effizienz weiterhin umstritten bleibt. Hierfür gibt es verschiedene Gründe.

Es scheint weitgehender Konsens zu bestehen, dass immer nur ein Teil der Patienten von einem multimodalen Therapieansatz profitiert. Klinische Parameter, die einen Vorteil durch diese Therapieansätze voraussagen lassen, sind nicht bekannt. In den vergangenen Jahren wurden allerdings eine Fülle von neuen Erkenntnissen durch molekularbiologische Methoden gewonnen. Es besteht die berechtigte Hoffnung, in naher Zukunft doch maßgeschneiderte, individuelle Patientenprotokolle erstellen zu können. Pars pro toto seien hier die Ergebnisse zur Expression der Thymidilat-Synthetase genannt, die bei hoher Expression beim Magen- und Kolonkarzinom offenbar einen Response der neoadjuvanten Therapie behindert.

Manche Erkrankungen wie z. B. das Ösophaguskarzinom sind so selten, dass nicht damit zu rechnen ist, dass ausreichend große - multizentrische - Studien zu Stande kommen werden, um mit statistischen Mitteln die Effizienz zu beweisen. Dazu kommt, dass die Dynamik in der Entwicklung neuer Medikamente derart schnell ist, dass ausreichende Fallzahlen zur statistischen Evaluation häufig nicht abgewartet werden, da bereits vor Studienende neue potente Medikamente zur Verfügung stehen.

In der Therapie des Magenkarzinoms gibt es neue wichtige Erkenntnisse. Die McDonald-Studie wies nach, dass ein multimodaler, adjuvanter Ansatz bei nicht ausreichender Lymphknotendissektion zu ähnlichen Ergebnissen führt wie die alleinige chirurgische Therapie mit Durchführung einer systematischen Lymphadenektomie (Kompartment I und II). Dies rechtfertigt u. E. aber nicht a priori den chirurgischen Eingriff zu begrenzen. Nach wie vor nicht eindeutig geklärt ist, welchen Stellenwert eine neoadjuvante Therapie beim Magenkarzinom einnimmt.

Offene Fragen gibt es auch in der Behandlung des Kolonkarzinoms. Zwar gilt die adjuvante Chemotherapie stadienabhängig als Standard, ungeklärt ist aber, ob eine postoperative Radio-Chemotherapie beim perforierten Kolonkarzinom hilfreich ist. Letztlich immer noch offen ist die Frage der neoadjuvanten Therapie beim Rektumkarzinom: Kurzzeitbestrahlung versus konventioneller Radio-Chemotherapie.

Wir hoffen, dass die Übersichten in diesem Schwerpunktheft den Leser in seiner Therapieentscheidung unterstützen können. Den Autoren gebührt unser aufrichtiger Dank für das Zustandekommen dieses Schwerpunktheftes. Die rasante Entwicklung auf diesem Gebiet lässt ein weiteres Schwerpunktheft bereits in wenigen Jahren notwendig erscheinen.

Prof. Dr. med. A. Imdahl

Klinikum Heidenheim

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