NOTARZT 2006; 22(1): 18-20
DOI: 10.1055/s-2005-915335
Fortbildung
Der toxikologische Notfall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Fauliger Fisch an Knoblauch

F.  Martens1
  • 1Charité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow Klinikum, Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin (Direktor: Prof. Dr. Ulrich Frei), Berlin
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Publication Date:
20 February 2006 (online)

Fall 1

Die Notärztin wird unter dem Stichwort „Bewusstlosigkeit” in ein Einfamilienhaus alarmiert. Die Ehefrau hatte den Rettungsdienst alarmiert, nachdem ihr Ehemann wiederholt erbrochen hatte und schließlich kaum ansprechbar auf dem Fußboden der Toilette liegengeblieben war. Die Symptomatik hatte etwa zwei Stunden vor der Alarmierung begonnen.

Im Badezimmer des Einfamilienhauses liegt der Patient in Seitenlage auf dem Fußboden. Er zeigt eine deutliche Zyanose, Sättigung 88 % unter Raumluft; die peripheren Pulse sind kaum tastbar bei RR 80/55 und einer langsamen Herzfrequenz von 55/min. Er ist ansprechbar, kann jedoch nur mühsam sprechen und er gibt starke Bauchschmerzen an. Auffällig ist in dem Raum ein knoblauchartiger Geruch, der von dem Patienten auszugehen scheint. Das inzwischen angelegte Monitor-EKG zeigt einen Sinusrhythmus; ein EKG mit zwölf Ableitungen ergibt keine Hinweise auf Myokardinfarkt.

Da von der Ehefrau jegliche, ernste Vorerkrankungen ihres Mannes verneint werden und die Symptomatik aus plötzlichem Wohlbefinden heraus entstanden war, vermutet die Notärztin eine Vergiftung. Das Erbrechen, der langsame Puls und die Bauchschmerzen lassen sie an eine Alkylphosphatvergiftung denken. Sie lässt daher den noch ansprechbaren Patienten aufgeschwemmte Aktivkohle trinken und injiziert über eine Venenverweilkanüle insgesamt 3 mg Atropin. Darunter kommt es zu einem Anstieg der Herzfrequenz, jedoch bleiben die Bauchschmerzen und die deutliche Zyanose bestehen. Letztere verschwindet erst nach Anlegen einer Gesichtsmaske mit 15 l O2/min.

Die Ehefrau des Patienten berichtet auf entsprechende Fragen, dass sie als einziges Gift im Gartenhaus Mittel gegen Wühlmäuse besäßen. Auf der schließlich herbeigebrachten Packung wird als Wirkstoff Zinkphosphid ermittelt. Ein Anruf der Notärztin bei der Giftinformationszentrale ergibt, dass die vorliegende Symptomatik durchaus mit einer Vergiftung durch Zinkphosphid vereinbar sei. Spezifische Maßnahmen gäbe es nicht - Ingestion derartiger Mittel sei mit hoher Letalität belastet. Daher wird der Patient in notärztlicher Begleitung in ein nahe gelegenes Krankenhaus der Maximalversorgung transportiert.

Unter intensivmedizinischer Überwachung kommt es dort drei Stunden später zu einem ausgeprägten Lungenödem, das Intubation und Beatmung erfordert. Wiederholte Kammertachykardien sind nur mit elektrischer Kardioversion zu beseitigen - medikamentöse Therapie mit Magnesium und Amiodarone bleibt ohne Erfolg. Trotz Volumenzufuhr und Katecholaminen lässt sich die bereits initial bestehende Hypotonie nicht bessern. Unter dem Bild des Lungen- und Kreislaufversagens kommt es zu einer finalen, pulslosen Kammertachykardie, die auch durch längerdauernde Reanimationsmaßnahmen nicht zu beseitigen ist und an der der Patient schließlich verstirbt. Die Obduktion ergibt stark blutgefüllte Lungen - weitere pathologische Befunde werden nicht erhoben.

Literatur

  • 1 Suman R L, Savani M. Pleural effusion - A rare complication of Aluminium phosphide poisoning.  Indian pediatrics. 1999;  36 1161-1163
  • 2 Popp W, Mentfewitz J, Götz R, Voshaer T. Phosphine poisoning in a german office.  Lancet. 2002;  359 1574
  • 3 Lauterbach M, Solak E, Kaes J, Wiechelt J, Mach M A von, Weilemann L S. Epidemiology of hydrogen phosphide exposures in humans reported to the poison center in Mainz, Germany, 1983 - 2003.  Clin Toxicol (Phila). 2005;  43 (6) 575-581
  • 4 IPCS (International Programme on Chemical Safety) .Poisons Information Monograph 865,. http://www.inchem.org/documents/pims/chemical/pim865.htm
  • 5 Sudakin D L. Occupational exposure to Aluminium phosphide and phosphine gas? A suspected case report and review of the literature.  Human & Experimental Toxicology. 2005;  24 27-33

Priv.-Doz. Dr. Frank Martens

Charité - Universitätsmedizin Berlin · Campus Virchow Klinikum · Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin

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