psychoneuro 2005; 31(4): 178
DOI: 10.1055/s-2005-869456
Blickpunkt

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer - Einsatz unter echten Bedingungen

Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
09. Mai 2005 (online)

 
Inhaltsübersicht

Reboxetin ist der derzeit einzige Noradrenalin Reuptake Inhibitor (NARI) zur Behandlung von Depressionen. Zusätzlich zur antidepressiven Wirksamkeit hat er einen positiven Effekt auf noradrenerg gesteuerte Funktionen des Zentralnervensystems: Antrieb, Kognition (Aufmerksamkeit, Konzentration, Gedächtnis), Vigilanz und die Fähigkeit zur sozialen Interaktion. Darin unterscheidet sich der Wirkstoff grundsätzlich von serotonerg wirksamen Antidepressiva (SSRI), die vor allem Impulsivität, Sexualfunktion oder Appetit beeinflussen. Spricht die Symptomatik eines depressiven Patienten für einen Mangel an Noradrenalin, ist deshalb eine Behandlung mit dem NARI Reboxetin effizient. Die betreffenden Symptome sind insbesondere Antriebshemmung, sozialer Rückzug, Vigilanzstörungen und kognitive Defizite.

#

Aktuelle Anwendungsbeobachtung

Wirksamkeit und Verträglichkeit von Reboxetin wurden in klinischen Studien bereits mehrfach nachgewiesen und auch unter ambulanten Praxisbedingungen bestätigt: So das Ergebnis einer multizentrischen Anwendungsbeobachtung (AWB), die im Januar 2005 im Fachjournal CNS Drugs veröffentlicht wurde. Ziel der AWB war es, den Einsatz von Reboxetin unter Praxisbedingungen ("real world conditions") zu überprüfen. An der AWB beteiligten sich 644 neurologisch-psychiatrische, allgemeinmedizinische und internistische Arztpraxen in Deutschland mit insgesamt 1835 Patienten, die eine depressive Symptomatik aufwiesen.

Während der AWB wurden die Patienten für mindestens acht Wochen mit therapeutischen Standarddosen von durchschnittlich 6,9 mg/Tag Reboxetin (Solvex®) behandelt. Zum Start der Beobachtungszeit wurden 65% der Patienten anhand der Clinical Global Impression als deutlich, schwer oder äußerst schwer krank eingestuft. Dieser Anteil verringerte sich im Verlauf von acht Wochen auf 6%. Der mittlere HAMD-Gesamtscore verbesserte sich von 22,2 Punkten (mittelschwere Depression) zu Beginn der Therapie auf 6,1 Punkte (gesund) in Woche acht. Der Anteil der Responder, definiert als mindestens 50%ige Reduktion des HAMD-Gesamtscore, war mit 83% sehr hoch.

Das Fazit der beteiligten Ärzte: 86% beurteilten die Wirksamkeit von Reboxetin nach Ablauf der Beobachtungszeit als "sehr gut" und "gut". Die Verträglichkeit von Reboxetin wurde von 92% der behandelnden Ärzte als "sehr gut" und "gut" eingestuft. Unerwünschte Ereignisse, die im Zusammenhang mit Reboxetin gesehen wurden, traten während der Beobachtungszeit bei nur 4% der Teilnehmer auf. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Agitiertheit, Schlafstörungen, Übelkeit, vermehrtes Schwitzen, Mundtrockenheit, Schlaflosigkeit, Angst, Obstipation und Schwindel.

Da Reboxetin per se nicht sedierend ist, profitieren beruflich oder familiär geforderte Patienten besonders von einer Behandlung mit dem NARI. Wichtig: Um Nebenwirkungen zu verhindern, hat sich - auch in der AWB - eine einschleichende Dosierung bewährt. Die Therapie sollte mindestens sechs Monate über Symptomfreiheit hinaus erfolgen.

pm

Quelle: Messer T, Schmauss M, Lambert-Baumann J. Efficacy and tolerability of reboxetine in depressive patients treated in routine clinical practice. CNS Drugs 2005; 19(1): 43-54