Gesundheitswesen 2006; 68(1): 18-25
DOI: 10.1055/s-2005-859012
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Unabhängige zahnärztliche Patientenberatung - Erfahrungen aus der Beratungsstelle für den Rhein-Neckar-Kreis

The Pressing Need for Advice - Independent Dental Patient Advisory Service for the Rhine-Neckar DistrictU. Niekusch1 , C. Wagner2 , M. Klett3
  • 1Gesundheitsamt Rhein-Neckar-Kreis - Zahnärztlicher Dienst, Heidelberg
  • 2Arbeitsgemeinschaft Zahngesundheit - Zahnärztliche Verbraucher- u. Patientenberatung, Heidelberg
  • 3Gesundheitsamt Rhein-Neckar-Kreis, Heidelberg
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Publication History

Publication Date:
06 February 2006 (online)

Zusammenfassung

Patienten sind im Gesundheitswesen auch „Konsumenten”. Die Stärkung ihrer Rolle als Konsument könnte daher eine Strategie der Veränderung des Gesundheitsverhaltens sein. Hierzu sind unabhängige Informationen zu Versorgungsleistungen, Therapien und Einrichtungen des Gesundheitssystems notwendig. Das von den Spitzenverbänden der Krankenkassen im Rahmen der Förderung nach § 65 b SGB V finanziell unterstützte und hier vorgestellte Modell einer unabhängigen zahnmedizinischen Verbraucher- und Patientenberatung im Gesundheitsamt Rhein-Neckar-Kreis ist hierzu ein Weg. Über 4 000 Ratsuchende haben seit 2001 Informationen zu zahnärztlichen Behandlungen, zu geplanten Therapien oder zu Rechtsfragen erhalten. Mehr als die Hälfte der Ratsuchenden sind zwischen 40 und 70 Jahre alt. Der Anteil der Frauen überwiegt. Der größte Teil der Patienten wünscht eine unabhängige Zweitmeinung, womit auch die Grenzen von Callcentern oder von Internetberatungen verdeutlicht werden. Die Anonymität der Beratung hat einen hohen Stellenwert für die Ratsuchenden. Nicht nur die hohe Zahl der Beratungen, sondern auch die Tatsache, dass die Mehrzahl der Ratsuchenden über ihre jeweilige Krankenkasse auf das Angebot hingewiesen wurde, belegt die gelungene Integration der Beratungsstelle. Aus verschiedenen Gründen kann davon ausgegangen werden, dass es eine steigende Nachfrage nach qualifizierter zahnärztlicher Beratung geben wird. Die Gesundheitspolitik ist daher aufgerufen, gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen und die Finanzierung auf breiter Basis sicher zu stellen. Wo immer möglich kann der öffentliche Gesundheitsdienst die Federführung übernehmen, die Unabhängigkeit der Beratungsstelle sicherstellen und gewährleisten, dass Gruppeninteressen unberücksichtigt bleiben.

Abstract

Patients should be the focus of health care - or so resounds the frequently heard cry of politicians, consumer protection groups and patient representatives. It cannot be denied that the increased co-determination of the insured and of patients in the health service is a sign of the times. Demanding ever increasing health insurance premiums and exacting higher additional contributions from patients on the one hand without increasing their say and their rights on the other hand meets with little sympathy. Spouting like a mantra about “personal responsibility”, the “voice of the patient” or the “sovereignty of the consumer” in talk-shows or studio debates is not sufficient. Words must be followed up by actions in order to give patients the necessary skills to enable them to make autonomous decisions. One step in this direction is the model of an independent dental consumer and patient advisory service in the Rhine-Neckar district health authority presented here and sponsored by the central associations of the health insurance companies in the scope of the funding provided under § 65 b SGB V [Social Security Code]. Since 2001 over 4000 people seeking advice have received information about dental treatment, planned therapies or legal issues. More than half of those seeking advice are between 40 and 70 years old and the number of women outweighs the number of men. The majority of patients want an independent second opinion, demonstrating the limits of call centres or Internet advice services. The anonymity of the consultation is an important factor for those seeking advice. The successful integration of the advisory service is evident, not only from the high number of consultations, but also from the fact that the majority of those seeking advice have been referred to the service by their respective health insurance company. For various reasons it can be assumed that there will be an increasing demand for qualified dental advice. It is therefore incumbent on health policy to create a regulatory framework and to ensure the funding on a broader base. Wherever possible the public health service can take control, ensuring the independence of the advisory service and guaranteeing that group interests remain outside.

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Dr. Uwe Niekusch

Gesundheitsamt Rhein-Neckar-Kreis - Zahnärztlicher Dienst

Kurfürstenanlage 38 - 40

69115 Heidelberg

Email: info@agz-rnk.de

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