psychoneuro 2004; 30(12): 667-671
DOI: 10.1055/s-2004-862341
Schwerpunkt

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Klinik und Therapie der septisch-embolischen Herdenzephalitis

Clinical signs and therapy of septic-embolic encephalitisLukas Cepek1 , Erik Bahn2 , Hilmar Prange1
  • 1Abteilung für Neurologie, Universitätsklinik Göttingen
  • 2Abteilung für Pathologie, Universitätsklinik Göttingen
Further Information
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Korrespondenzadresse:

Dr. Lukas Cepek
Abt. für NeurologieProf. Dr. Hilmar Prange
Abt. für NeurologieDr. Erik BahnAbt. für Pathologie

Universitätsklinik Göttingen

Robert-Koch-Straße 40

37099 Göttingen

Email: lcepek@gwdg.de

Publication History

Publication Date:
13 January 2005 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Bei der septisch-embolischen Herdenzephalitis (SEH) handelt es sich um ein Krankheitsbild, das sich auf dem Boden eines septischen Allgemeingeschehens entwickelt. Die SEH entsteht in der Regel als Folgekrankheit der bakteriellen Endokarditis. Der noxiöse Prozess besteht in der ischämischen Infarzierung und gleichzeitigen bakteriellen Infektion von vorzugsweise supratentoriellen Hirnstrukturen. Bei der septisch-embolischen Herdenzephalitis dominieren von Anfang an fokale Ausfälle. Die Diagnostik erfolgt vor allem durch die Echokardiographie (transthorakal und transösophageal), Aufdeckung sonstiger septischer Streuherde, Lumbalpunktion und bildgebende Verfahren wie cCT und MRT. Die Therapie besteht initial bis zum Erhalt des Resistogramms in einer Kombination von Flucloxacillin oder Rifampicin und Ceftriaxon. Bei Vorliegen einer Kunstklappen-Endokarditis werden Ceftriaxon, Vancomycin und ein Aminoglykosid miteinander kombiniert. Der Einsatz von Heparin hat bei der septisch-embolischen Herdenzephalitis mit größter Vorsicht zu erfolgen. Die Prognose der septisch-embolischen Herdenzephalitis ist ungünstig, da in der Hälfte der Fälle der Verlauf letal endet.

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Summary

The septic-embolic encephalitis (SEH) is caused by a general septic condition and bacteraemia. Often SEH occurs because of an underlying bacterial endocarditis. The process includes ischemic infarction and bacterial infection of the cerebrum mainly. Clinical signs were in most of the cases focal neurological deficits. Echocardiography (transesophageal and transthoracal), lumbar puncture and neuroradiologic imaging can support to detect the septic focus. Till the receipt of the bacterial resistance the medical treatment consists of a combination of flucloxacillin or rifampicin and ceftriaxone. In case of endocarditis on prosthetic valves therapy should be combined of ceftriaxone, vancomycin and an aminoglycosid. The use of high-dose anticoagulation is not recommended for treatment of SEH. Nearly fifty percent of patients with SEH die due to the infection or due to the complication, which is why the course of SEH is so awkwardly.

Bei septischen Prozessen ist eine Beteiligung des Zentralnervensystems keinesfalls selten. Die folgenden als eigene Krankheitsentitäten auftretenden Manifestationsformen sind heute bekannt:

  • septisch-embolische Herdenzephalitis (SEH): fokales neurologisches Defizit plus akuter Symptomatik plus entzündlichem Liquor plus/minus neuroradiologischem Nachweis eines Hirninfarktes (oft multiple)

  • septisch-metastatische Herdenzephalitis (SMH): zumeist langsam progrediente Symptomatik plus entzündlichem Liquor minus neuroradiologischem Nachweis eines Infarktes

  • septische Enzephalopathie (SE): diffuse neurologische Symptomatik minus neuroradiologischem Nachweis eines Infarktes minus entzündlichem Liquor [1].

Die nachfolgenden Ausführungen befassen sich mit dem besonders schwerwiegenden Krankheitsbild der septisch-embolischen Herdenzephalitis (SEH). Bei diesem Leiden erfolgt der ZNS-Befall durch Bakterienembolie oder durch bakterientragende Thrombemboli. Emboliequelle sind hierbei nahezu immer infizierte Herzklappen. Sollte ein hämodynamisch relevanter Vorhofseptumdefekt vorliegen, kann das Kapillarbett der Lunge umgangen werden, und es können infizierte Emboli ausgehend von einem septischen Fokus auch aus dem venösen Schenkel direkt in das ZNS eindringen. Herzvitien, kongenitale Herzerkrankungen, Diabetes mellitus, Hypertonus, koronare Herzkrankheit, Alkoholismus, immunsuppressive Therapie oder dialysepflichtige Niereninsuffizienz zählen zu den prädisponierenden Krankheiten [14]. Etwa 50 % der betroffenen Patienten haben ein vorbestehendes Herzvitium. Ein Teil der Erkrankten (10-30 %) sind Träger von Herzklappenimplantaten [9] [12]. Von den vier Herzklappen sind zumeist ulzerierende Veränderungen an der Mitralklappe, seltener auch der Aortenklappe zu sehen. An diesen kommt es zu warzenähnlichen, fibrinösen Vegetationen, die durch ihre Oberflächenstruktur zahlreiche Erreger enthalten. Sie werden in der transösophagealen Echokardiographie (TEE) erfasst. Umgekehrt kann eine unauffällige TEE eine Endokarditis als Ursache einer ZNS-Infektion nahezu sicher ausschließen [3].

Die Vegetationen an den Klappen führen zu Turbulenzen bei jeder Herzaktion und fluktuieren zum Teil in der Auswurfbahn der jeweiligen Klappe, sodass Teile vom Blutstrom ab- und mitgerissen werden. Der dabei entstehende Embolus passiert Aorta und Karotisarterien und erreicht unter anderem das zerebrale Gefäßsystem. In der Mehrzahl der Fälle kommt es zu einem thrombembolischen Verschluss der Arterien der vorderen Hirnzirkulation. Etwas seltener spielt sich der thrombembolische Prozess im vertebrobasilären Stromgebiet ab.

Häufig tritt eine Fragmentation des Embolusmaterials ein, wodurch sich der septisch-embolische Gefäßverschluss in kleinere Arterien und Arteriolen verlagert. Anschließend entsteht dort eine lokale Ischämie [8]. Die hohe Erregerdichte im Embolus induziert eine lokale pyogene Arteriolitis [7]. Dieser entzündlicher Prozess greift auf das Parenchym über und erzeugt dort pyoseptische Herde [Abb. 1], welche vorwiegend durch granulozytäre Infiltrate um kleine Gefäße im neuropathologischen Präparat gekennzeichnet sind [Abb. 2]. Eine unspezifische enzephalitische Reaktion ist das Auftreten von Knötchen-ähnlichen Mikrogliaagglomeraten. Durch die septische Lokalreaktion kommt es anschließend zu Destruktionen der elastischen Gefäßanteile mit konsekutiven Gefäßrupturen und parenchymatösen Hirnblutungen [8].

Durch den beschriebenen Pathomechanismus sind eine Vielzahl von neuropathologischen Veränderungen denkbar, dazu zählen zerebrale Ischämien, intrazerebrale, subarachnoidale oder subdurale Blutungen, mykotische Aneurysmen und entzündliche Läsionen im Sinne von Meningitis oder Hirnabszess.

Bei den Erregern im Embolus handelt es sich vorrangig um Staphylococcus aureus oder Staphylococcus epidermidis, Enterokokken, b-hämolysierende Streptokokken, und Streptococcus agalactiae. Im Gegensatz zur Streptokokkendominanz bei der bakteriellen Endokarditis im allgemeinen, herrscht bei den Patienten, die als Komplikation eine embolische Herdenzephalitis entwickeln, eine Staphylococcus-aureus-Genese vor [Tab. 2] [7] [12] [16].

Möglicherweise begünstigt die Synthese der Koagulase und des „clumping factor” [5] durch Staphylococcus aureus im besonderen Maße die Entwicklung von Klappenvegetationen. Die Koagulase bindet an Prothrombin und erreicht dabei keinen proteolytischen, sondern einen allosterischen Effekt. Das nunmehr entstehende Produkt verhält sich wie Thrombin und fördert die Gerinnungskaskade. Der „clumping factor”, ein zellwandständiges Protein, wirkt wie ein Fibrinogenrezeptor und erzeugt eine Quervernetzung („clotting”) des gebundenen Fibrinogen, ohne dass auf enzymatischem Wege Fibrin entstehen muss. In diesem Fibrinogengerinnsel hüllen sich die Staphykokken ein. Sie entziehen sich dabei der körpereigenen Abwehr.

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Symptomatik

Besonders häufig (ca. 88 %) sind subfebrile und bei Endokarditiden auch septische Temperaturen; die klinische Symptomatik kann sich bis hin zum septischen Schock (13 %) entwickeln [11]. Weitere häufige Allgemeinsymptome sind Abgeschlagenheit, Herzgeräusche, dekompensierte Herzinsuffizienz, Splenomegalie, Gewichtsabnahme und Veränderungen am Augenhintergrund oder Hauteffloreszenzen (Osler-Spots [Abb. 3], Splinter-Hämorrhagien, Janeway-Läsionen).

Ausgelöst durch die Embolie imponieren neurologisch die fokalen oder teilweise auch die multifokalen Symptome mit Hemiparesen, Sprachstörungen, Hemianopsie. Manchmal sind die ersten Krankheitszeichen des ZNS-Befalls transitorisch-ischämische Attacken.

Bei einem verteilten flächigen Läsionsmuster manifestieren sich Zeichen einer diffusen Hirnschädigung mit Schläfrigkeit, Meningismus, kognitiven Störungen und deliranten Krankheitsbildern. Epileptische Anfälle sind relativ selten. Die einzelnen klinisch-neurologischen Symptome werden in [Tabelle 1] geordnet nach Häufigkeit ausgeführt [11].

Im Mittel beträgt die Differenz zwischen Beginn der allgemeinen und der neurologischen Symptomatik etwa drei Monate. In Einzelfällen wird das Grundleiden erst zwölf Monate nach den ersten Allgemeinsymptomen aufgedeckt. Im speziellen Fall von Patienten mit Endocarditis lenta ist der Krankheitsverlauf vor Ausbildung der neurologischen Symptome oft recht lang.

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Diagnostik

Augenmerk liegt in der Suche nach dem septischen Fokus mit dem Ziel eines kulturellen Erregernachweises und Aufdeckung der ZNS-Beteiligung durch bildgebende Verfahren und Liquoranalytik.

Die Erreger-Diagnostik erfolgt vor allem aus Blutkulturen, die möglichst wiederholt während der Phase des Temperaturanstieges entnommen werden. Auch Liquor, Urinproben oder auch Pus aus Abstrichen, Phlegmonen und Abszessen oder Punktion kleiner eingeschmolzener Zentren in den Osler-Spots an Finger oder Zehen sind zur kulturellen Diagnostik geeignet. Die umgehende Gramfärbung nach Entnahme ist immer zu fordern.

Allgemeine Entzündungszeichen lassen sich mit erhöhten Werten für C-reaktives Protein, Fibrinogen und Procalcitonin nachweisen, ebenso eine Leukozytose wie auch eine beschleunigte Blutsenkungsgeschwindigkeit. Gerinnungsstörungen im Sinne einer disseminierten intravasalen Koagulopathie (DIC) sind bei einem Teil der Patienten vorhanden und schränken die weiterführenden, invasiven Untersuchungen, insbesondere die diagnostische Lumbalpunktion ein.

Die Untersuchung des Liquor cerebrospinalis erbringt initial zumeist eine granulozytäre und im weiteren Verlauf eine gemischtzellige oder lymphomonozytäre Pleozytose mit bis zu etwa 500 Zellen/μl. Das Gesamtprotein liegt im Mittel zwischen 1000 und 1500 mg/l. Das Liquorlaktat ist in der Regel leicht erhöht. Eine lokale Immunglobulinproduktion ist meistens nicht vorhanden. In Einzelfällen bleibt die Liquoranalytik ohne Normalabweichungen.

Die bildgebenden Verfahren sind von besonderer Bedeutung für den Nachweis des ZNS-Befalls. Falls eine Abszedierung eintritt, wird die frühe Phase, die sog. Zerebritis (oder Hirnphlegmone) [2], in der oft keine neurologischen Auffälligkeiten registriert werden, in der neuroradiologischen Bildgebung nur unzureichend erfasst; es stellt sich lediglich ein unscharfes Ödem mit Zeichen einer Raumforderung dar. Ab der zweiten Woche zeigt der Übergang der Zerebritis in eine Abszedierung meist eine zentrale Nekrose mit ringförmiger Zone eines Granulationsgewebes [15]. Zu einem späteren Zeitpunkt des Krankheitsverlaufes ist der Hirnabszess mit rückläufigem Ödem auch nativ sichtbar. Bildmorphologisch finden sich die Abszedierungen häufig an der Grenze der grauen zur weißen Substanz [15].

Die Computertomographie (CT) bietet initial die Möglichkeit andere Ursachen eines fokal-neurologischen Defizits im Rahmen der sofortigen Notfallversorgung auszuschließen. Bei einer SEH lassen sich jedoch typischerweise mehr multiple als solitäre Hirninfarkte mit einer Größe bis zu einem Zentimeter zum Teil mit auch hämorrhagischer Transformation detektieren [Abb. 4]. Intrazerebrale Blutungen sind teilweise bereits im initialen cCT identifizierbar, vereinzelt kann es zu einer SAB kommen. Im Verlauf demarkieren sich rekurrierende Hirninfarkte bei etwa zwei Drittel der Patienten.

Der Vorteil der Magnetresonanztomographie (MRT) besteht darin, dass kleinere embolische Ischämien unter anderem auch im Hinstammbereich zuverlässiger erfasst werden können. Ein weiterer Vorteil ist, dass bevor die oben beschriebenen entzündlichen Veränderung einsetzen, zu einem sehr frühen Zeitpunkt embolische Ischämien durch die bakteriellen Thrombembolie in T2- oder diffusionsgewichteten Sequenzen noch vor der lokaler Entzündung zu sehen sind [15]. Spezielle Wichtungen in der Kernspintomographie können das perifokale Ödem (T2 und diffusionsgewichtete Sequenz) [4], die Abszessmembran (T1 mit Kontrastmittel) [6] oder mykotische Aneurysmen (MR-Angiographie), die meist an kortikalen oder meningealen Ästen der Arteria cerebri media gelegen sind, zur Darstellung bringen.

Zur Abklärung einer Endokarditis reicht die alleinige Durchführung des transthorakalen Echokardiogramms (TTE) nicht aus. Oftmals werden Vegetationen oder sonstige Herzklappenveränderungen erst mittels transösophagealer Echokardiographie entdeckt. Ist auf diesem Wege die Endokarditis ausgeschlossen, so muss nach weiteren septischen Streuherden gefahndet werden (Röntgen Thorax, CT-Thorax, Sonographie Abdomen). Sie spielen bei Vorliegen eines kardialen Rechts/ Links-Shunts eine Rolle.

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Therapie

Wegen dem oft abrupten Auftreten des Symptomkomplexes einer septisch-embolischen Herdenzephalitis ist die Behandlung mit kontinuierlichem Monitoring der vitalen Parameter auf einer Intensiv- oder Überwachungsstation (z.B. Stroke Unit) streng indiziert. Wesentlich für den Therapieerfolg ist die Sanierung des septischen Fokus gegebenenfalls mittels einer Operation, die allerdings erst nach einem Intervall von 8-14 Tage, wenn vertretbar, durchgeführt werden sollte.

Von entscheidender Bedeutung für die Prognose der SEH ist die frühzeitige, gezielte und ausreichend hoch dosierte antibiotische Behandlung. Sie beginnt unmittelbar nach Entnahme der Blutkulturen.

So lange der Erreger noch nicht identifiziert ist, sollte behandelt werden mit einer Kombination aus Flucloxacillin (6 x 2g/d) oder Rifampicin (1 x 600 mg/d) plus einem Cephalosporin der dritten Generation (z.B. Ceftriaxon initial 4 g/d, später 2 g/d). Bei einer septisch-embolischen Herdenzephalitis, die sich durch bakterielle Besiedlung einer künstlichen Herzklappe oder eines anderen Kunststoffimplantats entwickelt hat, wird Flucloxacillin oder Rifampicin durch Vancomycin in einer Dosis von 3x1g/d ersetzt. Zusätzlich empfiehlt sich ein Aminoglykosid (z.B. Gentamicin für zwei Wochen) zu verabreichen. Falls die Erreger Oxacillin-resistente Koagulase-negative Staphylokokken sind, können Rifampicin und Vancomycin kombiniert eingesetzt werden [13]. Bei Erregern der HACEK-Gruppe (Haemophilus aphrophilus, H. paraprophilus, Actinobacillus actinomycetemcomitans, Cardiobacterium hominis, Eikenella corrodens und Kingella kingae) sollte Ceftriaxon (4 g/d, später 2 g/d) oder Ampicillin (3 x 2 g/d) mit einem Aminoglykosid kombiniert werden [10].

Nach der Bestimmung der Erregerempfindlichkeit in vitro wird die Therapie dem Erregerspektrum und Resistogramm angepasst.

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Prognose

Die Prognose der SEH ist unterschiedlich. Das Leiden verläuft in ca. 45 % der Fälle letal. Die hohe Letalität der septisch-embolischen Herdenzephalitis ist wenigstens teilweise durch zu späte Krankheitserkennung bedingt. Die Letalität beruht häufig auf kardiologischen Komplikationen oder Hirnblutungen mit konsekutivem Anstieg des intrakraniellen Druckes.

Ein weiterer hoher Letalitätsfaktor ist eine unkritische high dose-Heparinisierung [1]. Eine Heparindosierung mit aPTT-Verlängerung sollte vermieden werden, sofern aus nicht-neurologischer Sicht vertretbar, da bei Patienten mit infizierter Embolie oder mykotischem Aneurysma ein erhöhtes Risiko der intrakraniellen Blutung vorliegt. Eine intrazerebrale oder subarachnoidale Blutung auf dem Boden eines mykotischen Aneurysmas stellt eine neurochirurgische Operationsindikation dar. Bei zufällig entdeckten Aneurysmen, aus denen es bisher nicht geblutet hat, kann zunächst unter antibiotischer Behandlung und seriellen angiographischen Kontrollen zugewartet werden. Diese Aneurysmen bilden sich manchmal spontan unter der antibiotischen Therapie zurück.

Schwere Residualsyndrome mit persistierenden Paresen und/oder psychopathologischen Störungen weisen gut 40 % der Überlebenden auf, eine Restitutio ad integrum wird nur selten erreicht. Etwa ein Drittel der Überlebenden behalten leichte Residualsymptome zurück.

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Abschließende Fakten

  • Symptome: akute, fokal-neurologische Symptome mit Endokarditis

  • Diagnostik: Blutkultur, Erregernachweis aus Wunden, Sepsis-Laborparameter, LP, cCT, cMRT, TEE

  • Erreger: Staphylococcus aureus oder epidermidis, Enterokokken, β-hämolysierende Streptokokken, Streptococcus agalactiae, Erreger der HACEK-Gruppe.

  • Therapie: sofort nach Blutkultur und LP

  • Ohne Erreger: Flucloxacillin oder Rifampicin plus z.B. Ceftriaxon

  • Künstliche Klappenendokarditis: Vancomycin plus z.B. Ceftriaxon plus ggf . Gentamicin

  • Oxacillin resistente Koagulase neg. Staphylokokken: Rifampicin plus Vancomycin

  • HACEK-Gruppe: Ceftriaxon oder Ampicillin plus Aminoglykosid

  • CAVE erhöhte Letalität bei der therapeutischen Heparinisierung.

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Kasuistik

Ein 58jähriger Vertreter war zuletzt verstärkt ermüdbar, häufig gereizt und vermindert belastbar. Er klagte über Gewichtsverlust, ständiges Durstgefühl und Herzbeschwerden. Es entwickelten sich bei ihm passagere Verwirrtheit, Dysarthrie, Wort- und Handlungsperseverationen, schließlich wurde er somnolent. Die neurologische Untersuchung erbrachte eine leichte armbetonte Hemiparese links und eine homonyme Hemianopsie nach rechts, jedoch keinen Meningismus. Weitere auffällige Befunde waren Fieber bis 40 °C, Sinustachykardie (Puls 150 pro Minute), Kussmaulsche Atmung, 3/6 Systolikum mit Fortleitung in die Karotisarterien, Osler-Spots an mehreren Fingern, Hyperglykämie (> 400 mg/dl), Hinweise für eine disseminierte intravasale Gerinnung (DIC), massive CRP-Erhöhung und polyklonale γ-Globulinerhöhung in der Serumelektrophorese, Liquorpleozytose mit granulozytärem Zellbild sowie Protein- und Laktaterhöhung. Kulturell wurde ein Staphylococcus aureus aus Blut- und Liquorproben angezüchtet. Das kraniale CT zeigte mehrere hypodense Areale, die vor allem links parieto-okzipital, rechts parietal, rechts frontal und in der rechten Kleinhirnhemisphäre lokalisiert waren. Teilweise hatte es in die Herde eingeblutet. Im Echokardiogramm stellten sich Vegetationen der Aortenklappe dar. Unter der Behandlungsdiagnose Endokarditis durch Staphylococcus aureus und einer septisch-embolischen Herdenzephalitis wurde unter intensivmedizinischen Maßnahmen antibiotisch mit Vancomycin mit wechselnden Kombinationspartnern therapiert. Vier Wochen später konnte der Patient in stabilem Zustand in gebessertem Neurostatus in eine Rehabilitationseinrichtung verlegt werden.

Entlassungsdiagnose: Septisch-embolische Herdenzephalitis bei bakterieller Endokarditis

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Abb. 1 Gyrus-dentatus (a) und Stratum pyramidale (b) des Cornu ammonis (Ammonshorn) (HE-Färbung, 100 x Vergrößerung)

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Abb. 2 Entzündliches Infiltrat aus neutrophilen Granulozyten, Mikrogliazellen und umgebender reaktiver Astrozytose (HE-Färbung, 400x Vergrößerung)

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Abb. 3 Osler-Spots (subunguale Einblutungen) bei septisch-embolischer Herdenzephalitis ausgehend von einer Endokarditis

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Abb. 4 Hypodense Areale, entsprechend embolischen Infarzierungen rechts frontal und parieto-okzipital; links parietal größere Einblutung

Tab. 1 Erste neurologische Symptome bei SEH mit einer Häufigkeit des Auftretens > 4 %

Neurologische Symptome

Prozentuale Häufigkeit ( %)

Hemiparese

63

Somnolenz

38

Aphasie

29

Meningismus

21

Hemianopsie

12,5

hirnorganisches Psychosyndrom

21

konjugierte Blickdeviation

8

Koma

8

(nach [11])

Tab. 2 Erregerspektren bei bakterieller Endokarditis und Herdenzephalitis

isolierter Keim

bakterielle Endokarditis

septisch-embolische Herdenzephalitis

 

n = 106

( %)

n = 29

( %)

Streptokokken

29

(27,4)

6

(20,7)

Enterokokken

18

(17)

4

(13,8)

Staphylokokken

33

(31,1)

10

(34,5)

Staph. aureus

18

(17)

7

(24,1)

koagulase-negativ

15

(14,1)

3

(10,3)

andere

12

(11,3)

4

(13,8)

kultur-negativ

14

(13,2)

5

(17,2)

(nach [1] [16])

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Literatur

  • 1 Bitsch A, Nau R, Hilgers RA. et al. . Focal neurologic deficits in infective endocarditis and other septic diseases.  Acta Neurol Scand. 1996;  94 279-286
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  • 11 Prange H, Bitsch A. Septische Herdenzephalitiden - Pathogenese, Symptomatik, Diagnose und Therapie. In: Prange H., Bitsch A (Hrsg.). Bakterielle ZNS-Erkrankung bei systemischen Infektionen. Darmstadt: Steinkopff 1997: 65-82
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  • 13 Simon C, Stille W. Antibiotika-Therapie in Klinik und Praxis. Stuttgart: Schattauer-Verlag 1997: 371-380
  • 14 Syrjänen J. Central nervous system complications in patients with bacteriemia.  Scand J Infect Dis. 1989;  21 285-296
  • 15 Weber W, Henkes H. et al. . Septic-embolic and septic metastatic brain abscess.  Radiologe. 2000;  40 1017-28
  • 16 Werner GS, Schulz R, Fuchs JB. et al. . Infective endocarditis in the elderly in the era of transesophageal echocardiography: clinical features and prognosis compared with younger patients.  Am J Med. 1996;  100 90-97
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Korrespondenzadresse:

Dr. Lukas Cepek
Abt. für NeurologieProf. Dr. Hilmar Prange
Abt. für NeurologieDr. Erik BahnAbt. für Pathologie

Universitätsklinik Göttingen

Robert-Koch-Straße 40

37099 Göttingen

Email: lcepek@gwdg.de

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Literatur

  • 1 Bitsch A, Nau R, Hilgers RA. et al. . Focal neurologic deficits in infective endocarditis and other septic diseases.  Acta Neurol Scand. 1996;  94 279-286
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Abb. 1 Gyrus-dentatus (a) und Stratum pyramidale (b) des Cornu ammonis (Ammonshorn) (HE-Färbung, 100 x Vergrößerung)

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Abb. 2 Entzündliches Infiltrat aus neutrophilen Granulozyten, Mikrogliazellen und umgebender reaktiver Astrozytose (HE-Färbung, 400x Vergrößerung)

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Abb. 3 Osler-Spots (subunguale Einblutungen) bei septisch-embolischer Herdenzephalitis ausgehend von einer Endokarditis

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Abb. 4 Hypodense Areale, entsprechend embolischen Infarzierungen rechts frontal und parieto-okzipital; links parietal größere Einblutung