psychoneuro 2004; 30(12): 661-666
DOI: 10.1055/s-2004-862340
Schwerpunkt

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die virale Meningoenzephalitis - Aktuelles zu Klinik und Therapie

Viral meningoencephalitis with clinical and therapeutic aspectsUta Meyding-Lamadé1 , Francisco Martinez-Torres1 , Dorothee Völcker1
  • 1Neurologische Universitätsklinik Heidelberg
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Korrespondenzadresse:

PD Dr. U. Meyding-Lamadé

Neurologische Universitätsklinik

Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Im Neuenheimer Feld 400

69120 Heidelberg

Email: uta_meyding-lamade@med.uni-heidelberg.de

Publication History

Publication Date:
13 January 2005 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Meistens entstehen Infektionen des zentralen Nervensystems auf dem Boden einer Allgemeininfektion, die bei zerebraler Manifestation zu Enzephalitis, Meningitis, Myelitis, Radikulomyelitis oder isolierten Hirnnervenläsionen führen kann. Die häufigste entzündliche Erkrankung des ZNS stellt die virale Meningitis dar. Diese verläuft meist recht blande, und wird daher oft nicht diagnostiziert. Abhängig von Erreger und Immunstatus des Patienten kann die virale Meningoenzephalitis sogar lebensbedrohliche Verläufe nehmen und schwere Folgeschäden zeigen. Durch moderne bildgebende Verfahren sowie durch neue molekularbiologische und infektiologische Nachweismethoden wurde die Diagnostik erheblich erleichtert. Durch die sehr spezifische und sensitive Methode der PCR (Polymerase-Ketten-Reaktion) lässt sich das Virus in der Mehrzahl der Fälle nachweisen. Als Therapiemöglichkeiten gibt es spezifisch antivirale Substanzen, wie Aciclovir bei Herpesvirusinfektionen oder Pleconaril bei Enterovirusinfektionen. Oft liegt der Schwerpunkt der Behandlung von viralen Meningoenzephalitiden aber bei Allgemeinmaßnahmen und in der symptomatischen Therapie. Durch verändertes Reiseverhalten der Bevölkerung, veränderte klimatische Gegebenheiten und durch Spontanmutationen können neue Epidemien ausgelöst werden. Ein Beispiel für die potenzielle Gefahr dieser Viren zeigt die vor kurzem aufgetretenen Enzephalitis-Epidemien durch das Enterovirus Typ 7, das West-Nile-Virus und das Nipah-Virus.

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Summary

Viral infections of the Central Nervous System (CNS) usually evolve in the setting of general infection and may lead to meningitis, encephalitis, myelitis, radiculomyelitis, cranial nerve palsy, or combinations of these syndromes. Though viral meningitis is the most common viral infection of the CNS, its relatively benign evolution often causes missing diagnosis. Viral meningoencephalitis may be a severe and even life threatening infection and its outcome depends upon the specific virus and the immune state of the patient. Due to modern neuroradiology, infectiology and molecular biology techniques, the diagnosis can be confirmed precisely and fast. The specific virus may be identified using highly sensitive methods like polymerase chain reaction (PCR). Actually , the viral agent can be found in the majority of cases with PCR, and we are able to offer specific antiviral therapies for certain causative viruses such as Aciclovir for herpesvirus infections and Pleconaril for enterovirus infections. Often a general and symptomatic treatment remains the most important therapeutic standard. Spontaneous mutations, new travel habits and climatic changes are supposed to be a cause for emerging epidemics. The recent epidemics of Enterovirus Type 71, West-Nile-Virus and Nipha-Virus show the danger of such viral outbursts.

Charakteristisch für die virale Meningitis ist häufig ein blander Verlauf. Die virale Meningoenzephalitis kann einen schweren Verlauf nehmen, der sehr stark von einer frühen Diagnosesicherung und dem frühen Ansetzen von antiviralen Substanzen abhängt. Bei den meisten Enzephalitiden beschränkt sich die Therapie jedoch auf Allgemeinmaßnahmen, da keine spezifische Therapie möglich ist.

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Akute virale Meningitis

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Epidemiologie und Pathogenese

Die Viren stellen weltweit die häufigste Ursache für Meningitiden dar [14]. Meist gehen sie mit einem gutartigen Verlauf und einer günstigen Prognose einher [10]. Die geschätzte Inzidenz liegt bei 10-20 Fällen/10000 pro Jahr [14] [3]. Oft wird die virale Meningitis aufgrund ihres blanden Verlaufs nicht diagnostiziert. Zu ihrem häufigsten Erregerspektrum zählen in erster Linie Enteroviren (Coxackie A, B und Echo-Viren, 50-80 %), gefolgt von Mumps (ohne Impfschutz in 10-20 % der Fälle), Arboviren, Herpesviren, HIV und das lymphozytäre Choriomeningitisvirus (LCMV).

Von der viralen Meningitis ist die postpunktionelle aseptische Meningitis zu unterscheiden. Die Infektion erfolgt entweder hämatogen durch primär nicht neurotrope Viren oder seltener intra- bzw. transneuronal. Über Hirnnerven (z.B. N. olfactorius) kann eine neuronale Übertragung der Viren erfolgen.

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Klinik

Die klinischen Leitsymptome bestehen aus Kopfschmerzen, Fieber und meningealer Reizung. Der Fieberverlauf kann biphasisch sein, wobei sich der erste Gipfel mit der systemischen Manifestation der Virusinfektion zeigt, und der zweite später in der kurzen Remissionsphase parallel zum Auftritt der viralen Meningitis. Oft sind die meningitischen Zeichen im Gegensatz zur bakteriellen Meningitis schwächer ausgeprägt und können bei Säuglingen, Kleinkindern, Immunsupprimierten oder alten Menschen sogar fehlen [2]. Besonderes Augenmerk gilt einer möglichen Begleitsymptomatik, die wichtige Hinweise auf den speziellen Erreger geben kann. Die meisten viralen Meningitiden (90 % der Fälle) verlaufen über 10-14 Tage, einen protrahierten Verlauf findet man nur in 10 % der Fälle [9].

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Diagnostik

Sehr wichtig für die Diagnosestellung ist eine lymphozytäre Pleozytose im Liquor. In der Anfangsphase sind auch Granulozyten vorhanden, dann dominiert ein lymphozytäres Zellbild [3] [Tab. 2]. Die lymphozytäre Pleozytose beläuft sich auf 20-1500 Zellen/μl, kann aber auch Werte über 3000 Zellen/μl annehmen. Der Liquor selbst ist klar, höchstens leicht getrübt, aber nie eitrig. Es finden sich manchmal leichte Erhöhungen des Liqoreiweiß, aber nur selten Werte bis zu 500 mg/dl. Die Liquorglukose ist oft höher als 50 % des Blutzuckers, kann bei Infektionen durch Viren wie HSV, Mumps, Entero, und LCM aber erniedrigt sein. Im Blutbild findet sich zuweilen eine Leukopenie und eine relative Lymphozytose oder aber auch ein normaler Befund. EEG-Veränderungen (wie Allgemeinbefunde und Herdbefunde) sind ein Hinweis für eine enzephalitische Mitbeteiligung. Die neuroradiologische Bildgebung ermöglicht den Ausschluss eines Hydrozephalus oder anderer Ursachen (s. Differentialdiagnosen: [Tab. 3]).

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Therapie

Zu den Basismaßnahmen gehören die antipyretisch und analgetische Therapie [Tab. 4]. Die unkomplizierte virale Meningitis erfordert keine spezielle Therapie. Bei der unkomplizierten viralen Meningitis ist eine spezielle Behandlung nicht indiziert. Oft wird nach Diagnose einer viralen Meningitis unklarer Ätiologie bis zum endgültigen Nachweis bzw. Ausschluss von Herpes-Viren mit Aciclovir therapiert [10]. Die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme wird kontrovers diskutiert, bislang existieren keine klaren Richtlinien.

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Virale Enzephalitis

Die klinischen Leitsymptome der Enzephalitis sind qualitative und quantitative Bewusstseinsstörungen, Herdsymptome und Fieber. Man spricht meistens von einer Meningoenzephalitis, da häufig die angrenzenden Hirnhäute in Mitleidenschaft gezogen werden. Ausschlaggebend für die Symptomatik sind Lokalisation und Entwicklungstempo des entzündlichen Prozesses. Die rasche Entstehung eines Ödems führt früh zu auftretenden Bewusstseinsstörungen. Durch den erhöhten Hirndruck kann es zu einem sehr schweren Verlauf kommen mit letalem Ausgang.

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Diagnose

Eine frühe Diagnose und ein rascher Therapiebeginn sind ausschlaggebend für die Prognose der viralen Meningoenzephalitis [8] [13]. Die Differentialdiagnosen sind in [Tabelle 6] festgehalten.

Die Diagnosesicherung erfolgt durch den klinischen Verlauf, die Liquordiagnostik und mit neuroradiologischen Untersuchungen. Der Virusnachweis im Liquor erfolgt mittels PCR (häufige Erreger siehe [Tab. 1]). Der typische Liquorbefund ist in der Tabelle 2 dargestellt. Mit Hilfe des Antikörperspezifitätsindex (ASI) lässt sich die lokale Synthese erregerspezifischer Antikörper berechnen [4].

ASI = (spezifische Antikörper im Liquor) x (Serum-IgG) / (Liquor-IgG) x (spezifische Antikörper im Serum)

Erregerspezifische Antikörper können allerdings über Jahre im Liquor persistieren und zur Fehldiagnose einer ZNS-Infektion führen [6].

Die kraniale MRT- Untersuchung hat einen besonders hohen Stellenwert in der Differentialdiagnostik. Es liefert Hinweise, die die Krankheit von anderen abgrenzen lässt [5]. Wichtig ist auch die Berücksichtigung von Malignomen, Grunderkrankungen, Hautauffälligkeiten, Endokarditis und weiteren klinischen Zusammenhängen z.B. durchgemachte Infekte, Zeckenstich, Immunsuppression, Reisen, Jahreszeit oder auftretende Epidemien.

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Therapie

Nur gegen manche Erreger der viralen Meningoenzephalitiden gibt es antivirale Medikamente. Oft beläuft sich die Therapie auf Basismaßnahmen wie Monitoring, engmaschige Kontrollen von Atmungsfunktion und Ventilationsparametern, sowie die Senkung eines erhöhten Hirndrucks und des Fiebers, als auch die Kontrolle von Elektrolyten und des Wasserhaushalts.

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Behandlung von Anfällen

Bei Anfällen oder bei Verdacht auf nonkonvulsive Anfälle sollte eine antiepileptische Therapie eingeleitet werden.

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Intrakanielle Druckerhöhung

Der Oberkörper sollte hochgelagert werden, und der Patient unter Intubation hyperventiliert werden. Zur Reduktion des Hirnödems werden Steroide oder Mannitol zur Osmotherapie eingesetzt. In schweren Fällen kann wegen der fokalen Hirnschwellung auch eine Trepanation sehr wirksam sein [15].

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Chronisch lymphozytäre Meningitis

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Begriff und Pathogenese

Man spricht von einer chronischen Meningitis, wenn eine Entzündung der Meningen mit einer Liquorpleozytose und neurologischen Auffälligkeiten über vier Wochen andauert [7]. Charakteristisch ist ein langsamer Verlauf mit enzephalitischen und myelitischen Symptomen sowie Hirnnervenausfällen. Zu den Erregern von chronischen lymphozytären Meningitiden zählen Viren wie: HSV, CMV, VZV, JCV/SV40, HIV, Echo, LCM und SSPE. Eine kurze Übersicht über das nicht-virale Erregerspektrum chronisch lymphozytärer Meningitiden ist in Tabelle 5 gegeben.

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Diagnostik

Besonders wichtig ist die genaue Untersuchung anderer Organsysteme (wie Ophthalmologie, Innere Medizin, Dermatologie usw.), da ein vorhandener Mitbefall bei der Ursachenfindung des meningitischen Prozesses beitragen kann. Eine chronische Meningitis kann sehr unterschiedlich verlaufen. Treten Vaskulitiden auf, kommt es zu einer chronischen Verschlechterung mit sich zuspitzenden Krisen, bei der Mollaret Meningitis und bei Abszessrupturen besteht zwischen den rezidivierenden Krisen jedoch Beschwerdefreiheit. Aber auch eine akute virale Meningoenzephalitis kann chronifizieren. Hingegen können chronische Infektionen wie die Kryptokokkose bei immunsupprimierten Patienten oft akut verlaufen. Gesichert wird die Diagnose durch eine Blut-Hirn-Schrankenstörung und einer lymphozytären Pleozytose des Liquors, wobei weniger als 50 Zellen/μl gegen eine infektiöse Ursache sprechen, über 200 Zellen/μl jedoch eher dafür. Es findet sich immer eine Erhöhung des Liquoreiweiß, bei sehr hohen Werten sollte auch an ein Hydrozephalus oder an eine Ruptur von Zysten gedacht werden. Der EEG-Befund dient nicht der Diagnostik, sondern viel mehr der Verlaufskontrolle unter Therapie.

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Therapie

Umfassende Basismaßnahmen, wie die Kontrolle der Vitalfunktionen, der Elektrolyte oder die Anlage einer externen Ventrikeldrainage stehen im Vordergrund. Der EEG-Befund alleine rechtfertigt keine antiepileptische Therapie, sondern erst das Auftreten eines Anfalls. Bei infektiösen Ursachen wird antimikrobiell behandelt. Die Vorgehensweisen bei chronischer Meningitis wurden bisher jedoch nicht durch Studien standardisiert. Allgemein verläuft die chronische Meningitis prognostisch günstig, und es empfiehlt sich die Gabe von Cortison über einen längeren Zeitraum [7].

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Herpes-simplex-Virus-Enzephalitis (HSVE)

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Pathogenese

Bei der Herpes-simplex-Virusenzephalitis handelt es sich mit einer Inzidenz von 5/100000 um die häufigste sporadische Enzephalitis in Westeuropa. Bei immunkompetenten Patienten wird die HSVE meistens durch HSV-1 hervorgerufen, wobei bei zwei Drittel der Patienten bereits Antikörper gegen HSV gibt, und eine Primärinfektion schon stattgefunden hat. Das Auftreten eines Herpes labialis korreliert nicht mit dem Auftreten einer Herpes Enzephalitis. Nase und Mund dienen als Eintrittspforte des Virus, das nach Infektion dann über den Bulbus olfactorius die mittlere Schädelgrube erreicht. Die daraus entstehende fokale Enzephalitis ist gekennzeichnet durch eine frontobasale Lage, eine erhebliche Hirnschwellung und hämorragische Nekrosen.

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Klinik

Nach einem variablen 1- bis 4-tägigen Prodromalstadium, kommt es durch erhöhten Hirndruck oder Herniation oft zu einem Symptomkomplex bestehend aus Persönlichkeitsstörungen, fokal neurologischen Symptomen und erheblichen Bewusstseinsveränderungen.

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Diagnostik

Die Prognose hängt ganz besonders von der frühen Diagnose und dem sofortigen Einsatz einer antiviralen Therapie ab [13]. Im MRT lassen sich am besten morphologische Veränderungen schon früh erkennen, vor allem am unteren mesialen Anteil des Temporallappens, am Thalamus, der Inselrinde, am Gyrus cinguli und am frontobasalen Kortex. Auch der charakteristische Liquorbefund mit einer lymphozytären Pleozytose von 15-200 Zellen/μl, einer starken Eiweißerhöhung (> 80 %) und dem oftmaligen Vorkommen von Plasmazellen, einer mononukleären Pleozytose und Erythrozyten, Siderophagen und Xanthochromie ist typisch. Die PCR liefert in der Frühphase in >95 % der Fälle den Nachweis virusspezifischer DNA, wobei jedoch kein Zusammenhang zwischen Zahl der Viruskopien und Krankheitsgrad besteht. Im weiteren Verlauf kommt es zu einem Anstieg der HSV-spezifischen Antikörper im Liquor, hingegen kann die HSV-PCR dann wieder negativ sein. Die Diagnose kann im Verlauf gesichert sein, wenn ein ASI > 1,5 oder ein 4-facher HSV-Antikörperanstieg im Liquor vorhanden ist.

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Therapie

Das Mittel der Wahl ist die sofortige Gabe von Aciclovir, wodurch die Virusreplikation gehemmt wird. Die Letalität wurde dadurch auf 20 % gesenkt, es bestehen aber trotz antiviraler Therapie nach durchlaufener HSVE meist schwere Folgeschäden.

Antiviral wirksam bei HSVE sind bei Aciclovir-Resistenz auch Foscarnet oder Arabinosid (auch unter Vidarabin, Arabinosidmonophosphat oder Ara-A erhältlich). Foscarnet appliziert man erst als Bolus (20 mg/kgKG über 30 Min.), mit anschließender 2-3-wöchiger Dauerinfusion (230 mg/kgKG). Unerwünschte Wirkungen beinhalten Anämien, Provokation von Anfällen und Nierenfunktionsstörungen. Das Arabinosid ist bei erhöhtem Hirndruck eher von Nachteil, da es hohe Volumengaben fordert.

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Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)

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Pathogenese

Die FSME wird durch ein Arbovirus verursacht, übertragen meist über kleine Wildnager und Vektorzecken. Ihr saisonales Auftreten lässt sich durch den Entwicklungszyklus der Zecken (Ixodes ricinus) erklären. Sie tritt deswegen meist im Frühjahr und Sommer auf, und hat mit einer Inzidenz von 276 Fällen im Jahr 2003 einen neuen Höchststand erreicht. Die Hauptendemiegebiete sind Süddeutschland, Tschechien, Österreich, Ungarn und die Slowakei. Eine aktuelle Karte ist unter www.rki.de/INFEKT/epibull/2003-karte-03.PDF zu finden. Klinisch manifestiert sich die FSME nur in 30 % der Fälle und dann in Form einer Meningitis, Myelitis, Meningoenzephalitis, wobei das pathologische Korrelat eine fleckförmige Polioenzephalitis ist. Zu den Manifestationsorten zählen Dienzephalon, Kleinhirn, Hirnstamm, Vorderhörner, Hals- und Thorakalmark.

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Klinik

Nach einem grippeähnlichen Prodromalstadium (3-7 Tage), durchlaufen 10 % der Patienten nach einem symptomfreien Intervall eine Phase mit neurologischer Symptomatik bestehend aus Kopf-Gliederschmerzen und einem hohen Krankheitsgefühl. Es kann zu einer Mitbeteiligung des Hirnstamms kommen, sowie zu Hirnnervenausfällen, Lähmungen, Krampfanfällen und Myoklonien. Die Restitutionsphase zeigt eine kontinuierlich Besserung über 1-2 Wochen. Die Mortalität liegt beim westlichen Typ um 1-2 %, bei der myelitischen Form jedoch sogar bis zu 20 %. Aminoglykoside können die FSME zum Exazerbieren bringen.

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Diagnostik

Bei der Diagnose stützt man sich auf den Nachweis intrathekaler Antikörpersynthese mittels ASI.

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Therapie

Die früher empfohlene binnen 96 Stunden durchzuführende passive Immunisierung mit Immunglobulin (FSME IMMUN Neu®) ist obsolet, da die Erfolgsrate nur bei 50-60 % liegt und sogar Exazerbationen beschrieben sind. (STIKO, www.rki.de). Eine aktive Immunisierung ist angebracht bei Personen, die sich in Risikogebieten oder Hochrisikogebieten und beruflich oder in der Freizeit in Zeckenbiotopen aufhalten. Hierbei ist jetzt in den Wintermonaten der empfohlene Zeitpunkt für den Beginn einer Impfung. Diese ist dann im Frühjahr und Sommer bereits wirksam.

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Tollwut

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Epidemiologie

Trotz hoher Bekämpfungsmaßnahmen sterben jährlich ca. 100.000 Menschen an Tollwut. Vor allem nach Hundebissen infizierter Tiere gelangt das Virus nach Replikation im Muskelgewebe und Bindung an Acetylcholin-Rezeptoren über die Nerven bis zum Vorderhorn, von wo aus es sich dann in die Speicheldrüsen und das sympathische Nervensystem ausbreitet.

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Klinik

Nach 10-20 Tagen kommt es zum charakteristischen Verlauf bestehend aus Prodromal-, Akut- und neurologischer Phase. Der Tod tritt meist nach höchstens zehn Tagen durch Atemlähmung ein.

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Diagnose

Ausschlaggebend für die Diagnose ist der Erregernachweis in Liquor, Speichel oder Urin und die klinische Symptomatik. Die Tollwut ist jedoch immer letal, sobald sie sich klinisch manifestiert.

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Prophylaxe

Vor allem Personen aus Risikogruppen (z.B. Jäger oder Tierärzte) sollten sich präexpositionell impfen lassen. Indikation für eine passive Impfung besteht sofort nach Biss eines verdächtigen Tieres.

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Röteln

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Pathogenese

Bei den Röteln handelt es sich um RNA-Viren aus der Familie der Toga-Viren. Das Virus wird über Tröpfcheninfektion übertragen oder transplazentär. Besonders eine Infektion im ersten Trimenon der Schwangerschaft führt in bis zu einem von 100000 Kindern zu schwerer Rötelnembryopathie oder dem Gregg-Syndrom. Zu einer Enzephalitis kommt es in bis zu 1/24000 Fällen. Diese kann in eine akute Enzephalitis oder eine parainfektiöse Enzephalitis münden.

Da in den neuen Bundesländern früher nicht gegen Röteln geimpft wurde, unterlag die Erkrankung einer natürlichen Durchseuchung, die aber nach einer Verdichtungswelle 1989 zu Zeiten der Wiedervereinigung (560 Fälle/100000) von einer Impfimmunität (im Jahr 2000 nur noch 5,4 Fälle/100000) abgelöst wurde.

Die aktuellen Impfrichtlinien empfehlen eine Kombinationsimpfung (MMR: Masern-Mumps-Röteln) zwischen 12. und 15. Lebensmonat spätestens bis zum 2. Lebensjahr, und eine Auffrischung zur Erfassung von Nonrespondern (5 %) frühestens vier Wochen nach der ersten Impfung, möglichst im 2. Lebensjahr.

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Klinik

Nach 14-21 Tagen kommt es zur Schwellung nuchaler und retroaurikulärer Lymphknoten, einem kleinfleckigen makulopapulösen Exanthem und grippaler Symptomatik. Die Infektiösität besteht eine Woche vor und nach Auftreten der Krankheit. Kommt es zu einer Röteln-Enzephalitis entwickelt sich diese plötzlich. Die Patienten fallen vor allem durch einen Blickrichtungsnystagmus auf. Bei der fortschreitenden Panenzephalitis steht ein geistiger Abbau oft über Jahre im Vordergrund.

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Diagnose

Die Diagnose erfolgt durch virusspezifischen Antikörpernachweis (IgG- und Ig-M) mittels ELISA. Bei der Panenzephalitis sichert man die Diagnose durch den Nachweis einer intrathekalen Synthese erregerspezifischer Antikörper (ASI).

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Therapie und Vorsorge

Geimpft wird ein Lebendimpfstoff als zweimalige Gabe meist in Kombination mit Masern und Mumps.

Seronegativen Müttern wird die passive Immunisierung durch Gabe von Immunglobulinen empfohlen in bis zu sieben Tagen nach Exposition. Sie liefert jedoch nur eingeschränkten Schutz.

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Rechtliche Aspekte

Zur Vermeidung von Epidemien sollte immer die Meldepflicht eingehalten werden. Neurologisch wichtige Infektionen sind: FSME, Gelbfieber, Influenza, Polio, Rabies, Lassa, Masern, CJD und Adenoviren.

Laut § 6 ist auch eine Meldepflicht indiziert, bei Infektionen mit Gefahrenpotential und Epidemiecharakter, wie es bei viralen Meningoenzephalitiden der Fall sein kann.

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Abb. 1 Die hyperintense Läsion nimmt links den Bereich von Inselrinde und Teilen des Temporallappens ein und ist zum Putamen hin scharf abgesetzt. Eine ähnliche, wenn auch kleinere Läsion besteht auch rechts.

Tab. 1 Häufige Erreger viraler Meningoenzephalitiden und besondere klinische Symptome (nach [9])

Enteroviren

Coxsackie-A-Virus

Fieberhafte Herpangina (Bläschen auf Tonsillen, vorderem Gaumenbogen, weichem Gaumen und Uvula, Zunge), gelegentlich polioähnliche Verläufe mit guter Prognose, häufig Myokardbeteiligung

Coxsackie-B-Virus

„Bornholmer Krankheit”, Pleurodynie, Fieber, Muskelschmerzen, gelegentlich Myokarditis

ECHO-Viren

Gastroenteritis, Konjunktivitis, Exanthem, gutartige Meningoenzephalitis (häufig bei ECHO-Virus Nr. 9), polioähnliche Verläufe, oft Leberbeteiligung

Herpesviren

HSV-1, HSV-2, VZV

siehe Text

CMV

50 % der Bevölkerung seropositiv, bei Immunkompetenten meist nur gutartige Meningitis, bei Immunsupprimierten siehe Kapitel HIV und AIDS

EBV

siehe Text

Paramyxoviren und „Kinderkrankheiten”

Mumps

Parotitis (auch asymptomatisch), Orchitis, Pankreatitis, Meningitis kann der Parotitis auch vorausgehen

Masern

siehe Text

Röteln

siehe Text

Influenza-A- und -B-Virus, Parainfluenza

Grippaler Infekt, hohes Fieber, Arthralgien, Rhinitis, Pharyngitis, Bronchiolitis, Laryngotracheobronchitis

Arbovirosen

FSME

siehe Text

Andere Arbovirosen:

In Deutschland meist nur als „Reisekrankheit”, vor allem Flaviviren

Adenoviren

Konjunktivitis, Keratokonjunktivitis epidemica, Lymphadenopathie, Fieber, Pharyngitis, Rhinitis, atypische Pneumonie, Fieber

HIV

LCM

Lymphozytäre Choriomeningitis, Arena-RNA-Virus, durch Nagetiere übertragen, langes Prodromalstadium mit Müdigkeit, Rückenschmerzen, Muskelschmerzen, Fallberichte schwerer Enzephalitisverläufe

Tollwut

siehe Text

Tab. 2 Typische Liquorbefunde einer viralen Meningoenzephalitis

Zellen

Pleozytose: 20-1500/μl (selten < 3000)

Zytologie

initial granulozytär, später mononukleär

Protein

meist < 150 mg/l (selten bis 500 mg/dl)

Laktat

< 2,5 mmol/l

Glukose

> 60 (L/S in %)

Tab. 3 Differentialdiagnosen bei der Abklärung einer viralen Meningitis
  • Listeriose

  • Anbehandelte eitrige Meningitis

  • Mykobakterien- und Pilzmeningitis

  • Hirnabszess

  • Septisch-metastatische Herdenzephalitis

  • Lues

  • Zerebrales Lymphom

  • Sarkoidose

  • Hirninfarkt

  • Reizpleozytose nach Lumbalpunktion oder Operation am ZNS

  • Sympathische Meningitis (entzündlicher Mittelohr-, Innenohr- oder Nasenenbenhöhlenprozess)

Tab. 4 Basistherapie der akuten viralen Meningitis: analgetische und antipyretische Behandlung (nach [9])

Medikament

Dosis

Nebenwirkung

Tageskosten (€)

Acetylsalicylsäure (Aspisol®)

500-1000 mg i.v.

Magenblutung, Thrombozytopenie, Transaminasenanstieg, Überempfindlichkeit, Bronchospasmus

0,09

Paracetamol (Benuron®)

500 mg-1 g, max. 50 mg/kgKG

Überempfindlichkeitsreaktionen, Überdosierung, cave: Leberzellnekrosen bis zum Leberkoma

0,42

Tab. 5 Nicht-virale Ursachen chronisch lymphozytärer Meningitiden

Infektiöse nicht virale Ursachen

Pilze

Aspergillus, Candida, Cryptococcus neoformans

Bakterien

Borrelien, Mykobakterien, Spirochäten, Brucellen, Actinomyceten, Nocardien, Rickettsien, Tuberkulose

Parasiten

Toxoplama, Helminthen

Erkrankungen mit vaskulitischem oder autoimmunem Hintergrund

Granulomatöse Angiitis, Riesenzellarteriitis, Sarkoidose, M. Behcet, Kollagenosen, Vogt-Koyanagi-Harada Syndrom, primär zerebrale Vaskulitis, M. Boeck

Prionenerkrankungen

Chronische Meningitis selten als isoliertes Syndrom

Medikamente

Kontrastmittel, intrathekale Medikamente, nicht-steroidale Antiphlogistika, Penicillin, Ciprofloxacin, Trimethoprim, Sulfonamide

Neoplasien

Primärer ZNS-Tumor, Meningeosis lymphomatosa und carcinomatosa, rupturierte Epidermoidzyste

Tab. 6 Aciclovirtherapie (nach [8])

Medikament

Dosis

Nebenwirkungen

Tageskosten (€)

Bemerkungen

Aciclovi

(Zovirax®)

10 mg/kgKG i.v. alle 8 h, Infusionsdauer 1

Kreatininclearance 25-50 ml/h: Dosierungsintervall alle 12

Kreatininclearance 25-10 ml/h: Dosierungsintervall alle 24

Kreatininclearance < 10 ml/h: Dosierungsintervall halbe Dosis alle 24 h

Hautausschläge, Schwindel, Verwirrtheitszustände, Schläfrigkeit, Psychosen, Krampfanfälle, Kopfschmerzen

311,9

pro g Aciclovir sollte der Patient 1 l Flüssigkeit ausscheiden; optimale Therapiedauer unbekannt, üblich sind 10-14 Tage, bei eingeschränkter Nierenfunktion Dosisanpassung, Probenecid hemmt die Ausscheidung

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Literatur

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Korrespondenzadresse:

PD Dr. U. Meyding-Lamadé

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Korrespondenzadresse:

PD Dr. U. Meyding-Lamadé

Neurologische Universitätsklinik

Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Im Neuenheimer Feld 400

69120 Heidelberg

Email: uta_meyding-lamade@med.uni-heidelberg.de

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Abb. 1 Die hyperintense Läsion nimmt links den Bereich von Inselrinde und Teilen des Temporallappens ein und ist zum Putamen hin scharf abgesetzt. Eine ähnliche, wenn auch kleinere Läsion besteht auch rechts.