psychoneuro 2004; 30(8): 434-437
DOI: 10.1055/s-2004-833662
Schwerpunkt

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

M. Parkinson im hohen Lebensalter

Parkinson's disease in the elderly - diagnosis and managementJörn Peter Sieb1 , Thomas Günnewig2
  • 1Klinik für Neurologie, Geriatrie und Palliativmedizin, Hanse-Klinikum Stralsund
  • 2Abteilung Geriatrie/Neurologie, Elisabeth Krankenhaus, Recklinghausen
Further Information
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Korrespondenzadresse:

Priv.-Doz. Dr. J. P. Sieb

Chefarzt der Klinik für Neurologie, Geriatrie und Palliativmedizin

Hanse-Klinikum

Große Parower Straße 47-53

18410 Stralsund

Email: j.sieb@klinkum-hst.de

Publication History

Publication Date:
17 September 2004 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Thema dieser Übersichtsarbeit ist der geriatrische Parkinson-Patient. Die Differentialdiagnose des M. Parkinson bei Patienten im hohen Lebensalter wird dargestellt. Klinisch finden sich bei betagten Parkinson-Patienten sehr häufig erhebliche Begleiterkrankungen, wie eine dementielle Entwicklung. Die Anti-Parkinson-Therapie wird bei dieser Patientengruppe insbesondere durch psychiatrische Komplikationen bzw. durch eine autonome Dysregulation erschwert. Kontrollierte Therapiestudien fehlen bei dieser Patientengruppe weitestgehend. Auf die pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Besonderheiten der Anti-Parkinson-Medikamente im hohen Lebensalter wird hingewiesen.

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Summary

The goals of this overview are (1) to discuss the general principals of differential diagnosis In the elderly parkinsonian patients; (2) to describe the clinical phenotype an the clinical Problems of aged parkinsonian patients, with regard to frequent comorbidities, the incidence of dementia and psychiatric disturbances (3) to discuss the currently available treatment in elderly parkinsonian patients, with regard to the paucity of controlled studies, the differences in the pharmakinetic an pharmacodynamic of antiparkinsonian drugs in this population.

Diagnose und Behandlung des M. Parkinson bei geriatrischen Patienten erweist sich nicht selten als besonders schwierig. Die Parkinson-Erkrankung ist vorangeschritten und die Anti-Parkinson-Therapie wird durch Begleiterkrankungen weiter erschwert. Eine optimale Betreuung ist zumeist nur interdisziplinär möglich. Grundlage ist die systematische Erfassung der medizinischen, funktionellen und psychosozialen Probleme und Ressourcen des betagten Parkinson-Patienten als so genanntes geriatrisches Assessment [Tab. 1]. Leider ist jedoch die Betreuung von geriatrischen Parkinson-Patienten häufig nicht hinreichend. In dieser kurzen Übersicht werden einige wichtige Aspekte des M. Parkinson bei alten Patienten dargestellt.

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Häufigkeit, Diagnose und klinisches Bild

Der M. Parkinson ist eine Alterserkrankung mit einer kontinuierlichen Zunahme der Krankheitshäufigkeit zwischen dem 60. und 80. Lebensjahr [9]. Geriatrische M. Parkinson-Patienten teilen sich in zwei Gruppen auf: Dies sind zum einen Patienten, die erst im hohen Lebensalter erkranken, und zum anderen Patienten mit einem früheren Erkrankungsbeginn, die nun mit Fortschreiten der Erkrankung ein hohes Lebensalter erreicht haben. [Tabelle 2] fasst die Krankheitscharakteristika bei einem Erkrankungsbeginn in hohem Lebensalter zusammen und zeigt, dass der M. Parkinson dann besonders rasch voranschreitet, in mindestens 15 % der Fälle mit einer Demenz assoziiert ist und trotzdem in der klinischen Praxis eher zurückhaltend behandelt wird.

Gerade im hohen Lebensalter ist klinisch die Diagnose des M. Parkinson schwierig. Das normale Altern führt zu Veränderungen u.a. des Gangbildes, die an einen M. Parkinson erinnern können. Auch können zum Beispiel durch eine Arthrose bedingte Schmerzen eine Bradykinesie vertäuschen. Das Bestehen von mindestens zwei Kardinalsymptomen, d.h. Ruhetremor, Rigor und Bradykinesie, sowie eine eindeutige Besserung unter einer Levodopa-Medikation sollten deshalb zur Diagnose eines M. Parkinson bei betagten Patienten vorliegen.

Zu den besonders wichtigen Differentialdiagnosen gehört bei alten Patienten das Medikamenten-induzierte Parkinsonoid, das beispielsweise in Pflegeheimen erschreckend häufig ist [4]. Neben Neuroleptika, auch bei Einnahme als Antivertiginosum, können insbesondere Metoclopramid und Kalziumantagonisten, wie Verapamil oder Cinnarizin, zu einem Parkinsonoid führen. Auch wurde das Auftreten eines Parkinson-Syndroms unter Lovastatin beschrieben. Weitere wichtige Differentialdiagnosen des M. Parkinson sind das vaskulär-bedingte Parkinson-Syndrom, die Lewy Körperchen-Demenz und der Normaldruck-Hydrozephalus. Bei der Lewy Körperchen-Demenz findet sich charakteristisch ein im Krankheitsverlauf frühzeitig einsetzender dementieller Abbau mit deutlicher Fluktuation der kognitiven Leistungen, optische Halluzinationen, die anders als beim M. Parkinson nicht medikamentös induziert sind, und ein zunächst eher milde ausgeprägtes motorisches Parkinson-Syndrom. Zu beachten ist, dass ein nicht unerheblicher Teil der Alzheimer-Patienten ebenfalls extrapyramidale Auffälligkeiten aufweist. Differentialdiagnostisch muss daneben auch neurologisch an die Möglichkeit einer Multisystem-Atrophie bzw. einer progressiven supranukleären Blickparese gedacht werden.

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Medikamentöse Anti-Parkinson-Therapie

Bei Parkinson-Patienten im hohen Lebensalter bestehen folgende besondere Therapieprobleme:

  • Interkurrente Erkrankungen, wie Infekte, können sehr rasch zu einer deutlichen Verschlechterung des M. Parkinson führen

  • Die Risiko von Einnahmefehlern ist bei geriatrischen Patienten hoch. Komplexe Einnahmeschemata überfordern häufig alte Patienten

  • Sehr häufig bestehen Begleiterkrankungen, deren medikamentöse Behandlung zusammen mit der Anti-Parkinson-Medikation zur Polypharmazie führt mit einem hohen Risiko unerwünschter Begleitwirkungen und Interaktionen

  • Unerwünschte Arzneimittelnebenwirkungen sind häufiger im Alter, beispielsweise durch eine veränderte Pharmakokinetik mit abnehmender Nierenfunktion.

Kontrollierte Studien zur Therapie von alten Parkinson-Patienten fehlen. Es ist gängige Praxis und es entspricht den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), alte Parkinson-Patienten eher zurückhaltend und in erster Linie mit einer Levodopa-Monotherapie zu behandeln (11). Folgende Therapieeinleitung wird von der DGN empfohlen:

  • Standardtherapie: Levodopa-Monotherapie

  • Beginn: 50 mg L-Dopa (in Kombination mit Decarboxylase-Hemmer), morgens

  • Steigerung: 50 mg alle 3 Tage

  • Gesamtdosis: 3-4 x 100-200 mg

  • Die Levodopa-Tagesdosis soll üblicherweise 600 mg nicht überschreiten.

Das therapeutische Ansprechen auf Levodopa ist im hohen Alter im Vergleich zu jüngeren Parkinson-Patienten allgemein schlechter, was am ehesten auf begleitende zerebrovaskuläre Veränderungen zurückzuführen ist [1]. Bei Einsetzen von Wirkfluktuationen unter einer Levodopa-Therapie wird zusätzlich Entacapon eingesetzt. Entacapon verstärkt die Wirkung von Levodopa, indem dessen Abbau durch die Catechol-O-Methyltransferase (COMT) in der Peripherie gehemmt wird. Seit Anfang 2004 ist eine Dreifachkombination aus Levodopa, dem Decarboxylase-Hemmer Carbidopa und Entacapon als Stalevo® verfügbar. Durch den Einsatz von Stalevo® kann die Anzahl der täglich einzunehmenden Tabletten reduziert werden, was gerade bei alten Patienten die Compliance maßgeblich verbessern kann [10].

Allgemein werden Dopamin-Agonisten bei alten Parkinson-Patienten eher zurückhaltend eingesetzt. Im Vergleich zu Levodopa ist bei den Dopamin-Agonisten die Eindosierung schwierig und die Rate erheblicher Nebenwirkungen, wie z.B. von Psychosen, hoch. In einer retrospektiven Untersuchung zeigte sich, dass lediglich jeder zweite alte Parkinson-Patient länger als sechs Monate mit einem Agonisten therapiert werden kann [15].

Keiner der verfügbaren Dopamin-Agonisten bietet für die Behandlung alter Parkinson-Patienten besondere Vorteile. Zunehmend wird berichtet, dass es unter Ergolin-Agonisten, wie Cabergolin (Cabaseril®) und Pergolid (Parkotil®), zu Herzklappenfibrosen als erheblicher Nebenwirkung kommen kann [7]. Gerade unter dem Non-Ergolin-Agonisten Pramipexol (Sifrol®) kann es nach der Beobachtung bei eigenen Patienten zu sexuellen Verhaltensauffälligkeiten kommen [2]. Apomorphin (Apogo®), das als einziger Dopaminagonist subkutan appliziert werden kann, ist eine wichtige Therapieoption für den Parkinson-Patienten in einem weit fortgeschrittenen Krankheitsstadium. Im Vergleich zu Großbritannien wird jedoch mit Apomorphin in Deutschland nur selten therapiert [14].

Bei milder Parkinson-Symptomatik empfiehlt die DGN alternativ zu Levodopa eine Monotherapie mit Amantadin bzw. Selegilin. Die Amantadin-Gesamtdosis sollte 400mg Amantadin-HCI bzw. 600mg Amantadinsulfat nicht übersteigen. Amantadin sollte nicht nach 16:00 Uhr eingenommen werden. Eine kompensierte Niereninsuffizienz stellt im Alter eine relative Kontraindikation für Amantadin wegen der Kumulationsgefahr mit folgendem Delir dar. Selegilin soll in einer Einzeldosis von 5 mg gegeben werden. Bei Einsatz der Selegilin-Schmelztablette Xilopar® ist die erforderliche Dosis geringer, da durch die orale Resorption die hohe first-pass-Metabolisierung in der Leber umgangen wird. Unbedingt sollte der Einsatz von Anticholinergika bei alten und kognitiv eingeschränkten Parkinson-Patienten unterbleiben.

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Autonome Störungen

Störungen von autonomen Funktionen können maßgeblich die Lebensqualität von Parkinson-Patienten reduzieren. Das Spektrum ist vielfältig. Dazu gehören u. a. Dysphagie, Störungen der Magen-Darm-Motilität mit Obstipation, orthostatische Dysregulation, Blasenentleerungsstörungen und eine gestörte Schweißsekretion. Entgegen der Situation bei der Multiplen Systematrophie kommt es beim M. Parkinson erst später zu einer maßgeblichen autonomen Dysregulation mit Verstärkung im weiteren Krankheitsverlauf. Deshalb sind alte Parkinson-Patienten besonders von einer autonomen Dysregulation betroffen [12].

Parkinson-Patienten weisen häufig eine erhebliche arterielle Hypotonie mit orthostatischer Dysregulation auf, die durch eine dopaminerge Medikation weiter akzentuiert wird. Insbesondere die Kombination von Levodopa mit Selegilin wirkt blutdrucksenkend. Besonders ist auf Studiendaten hinzuweisen, die einen direkten Zusammenhang zwischen arterieller Hypotonie und einem kognitiven Leistungsabbau nahe legen [8]. Diagnostisch ist die Standard-Blutdruckmessung keineswegs ausreichend, um eine hypotone Kreislaufdysregulation zu erfassen. Leider finden selbst einfache kardiovaskuläre Funktionstests, wie der Schellong-Test mit Bestimmung des so genannten 30:15-Werts zur Erfassung der Pulsvariabilität bei Orthostase, zu selten Anwendung. Zur Hebung des Blutdrucks sind häufig einfache Maßnahmen erstaunlich wirksam. Dies sind z.B. die Sicherstellung einer ausreichenden Salz- und Volumenzufuhr und das Schlafen mit erhöhtem Oberkörper. Domperidon (Motilium®) kann den Blutdruck durch eine Hemmung der Vasodilatation unterstützen. Andere medikamentöse Maßnahmen, wie z.B. der Einsatz von Mineralokortikoiden, weisen gerade bei alten Patienten ein hohes Risiko unerwünschter Wirkungen auf.

Eine Sialorrhoe, die übrigens durch Clozapin verstärkt wird, bessert sich meist mit einer intensivierten Anti-Parkinson-Therapie.

Folgen einer bei alten Parkinson-Patienten häufigen Dysphagie sind:

  • Gewichtsverlust

  • unregelmäßige Medikamenteneinnahme

  • ängstliche und abweisende Reaktionen während der Mahlzeiten sowohl beim Patienten als auch bei den Pflegenden

  • Beeinträchtigung sozialer Kontakte

  • Aspirationspneumonie als häufige Todesursache.

Die Ursachen einer Dysphagie sind vielfältig und nur durch eine eingehende Diagnostik aufzudecken. Sie reichen u. a. von einer Störung der Armmotilität, einer veränderten Kopf- und Halsstellung, einer verlangsamten oralen Bolusformation und Beeinträchtigung von Schluckreflexinitiation und Kehlkopfschluss. Zunehmend wird Essen und Trinken lästig und ermüdend. Das langsame Esstempo führt zu einer vorzeitigen Sättigung. Bei alten Parkinson-Patienten sind deshalb Mangel- und Unterernährung keineswegs selten.

Viele Parkinson-Patienten beklagen eine quälende Obstipation. Falls diätetische Maßnahmen nicht ausreichen, empfiehlt sich für Parkinson-Patienten insbesondere Macrogol (Movicol®) als Laxans. Dies ist wesentlich, da bei einer Obstipation die Resorption und somit die Wirkung der Anti-Parkinson-Medikamente reduziert ist. Es sei erwähnt, dass es unter COMT-Hemmern, also Entacapon (Comtess®, Stalevo®) und Tolcapon (in Deutschland nicht verfügbar), zu einer störenden Diarrhoe kommen kann. Bei Blasenfunktionsstörungen sollte eine detaillierte urologische Diagnostik erfolgen. Häufig findet sich bei Parkinson-Patienten eine Detrusorhyperreflexie.

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Therapie der Parkinson-assoziierten Psychose

Die wichtigste Nebenwirkung der medikamentösen Anti-Parkinson-Therapie ist die Psychose-Induktion. Gerade bei alten Patienten ist das Risiko hoch [3] und steigt bei bestehender Demenz weiter an. Alte Parkinson-Patienten und deren Angehörige sollten mit der Einleitung einer Anti-Parkinson-Medikation über die mögliche Entwicklung psychotischer Symptome informiert werden. Die Patienten sollen möglichst frühzeitig bei einer sich abzeichnenden psychotischen Entwicklung den Arzt konsultieren, so dass rechtzeitig gegengesteuert werden kann. Psychotische Symptome entwickeln sich in der Regel zeitlich in den folgenden Phasen:

  • Unruhiger Schlaf, lebhafte Träume

  • Illusionäre Verkennungen

  • Halluzinationen

  • Paranoide Symptome

  • Verwirrtheitszustände.

Bereits das Auftreten lebhafter Träume erfordert kurzfristig eine sorgfältige Verlaufsbeobachtung. Das Auftreten von illusionären Vorerkennungen/Pseudohalluzinationen erfordert die sofortige differenzierte Therapie. Die allgemeinen Maßnahmen umfassen insbesondere die ausreichende Hydratation und gegebenenfalls den Ausgleich einer Elektrolytentgleisung. Bei Hinweisen auf einen bakteriellen Infekt sollte frühzeitig antibiotisch behandelt werden.

Tritt eine Psychose erstmals im Rahmen einer Medikationsänderung auf, sollte zunächst die letzte Änderung der Medikation zurückgenommen werden. Gegebenenfalls ist jedoch auch eine Reduktion der Anti-Parkinson-Medikation erforderlich. Diese sollte in der folgenden Reihenfolge durchgeführt werden:

  1. Absetzen von Anticholinergika und Antidepressiva

  2. Absetzen oder Reduktion von Selegilin, Amantadin, Budipin

  3. Absetzen oder Reduktion von Dopamin-Agonisten

  4. Absetzen oder Reduktion von COMT-Hemmer

  5. Als letzte Maßnahme Reduktion von L-Dopa auf die niedrigstmögliche Dosierung.

Diese Medikamentenreduktion ist nicht unproblematisch. Das abrupte Absetzen von Anticholinergika, Amantadin bzw. von Antidepressiva mit anticholinerger Komponente birgt die Gefahr eines Entzugssyndroms mit akzentuierter Verwirrtheit. Eine allzu rasche und übermäßige Reduktion dopaminerger Medikamente kann die Motorik maßgeblich verschlechtern.

Unter den antipsychotischen Medikamenten wird bevorzugt Clozapin eingesetzt. Die Tagesdosen liegen mit 6,25-100 mg/Tag für die Behandlung medikamentös induzierter Psychosen bei Parkinson-Patienten deutlich niedriger als die in der Schizophrenie-Behandlung erforderlichen Dosen. Seit kurzem ist Clozapin (Leponex®) auch ausdrücklich zur Behandlung von Psychosen im Verlauf eines M. Parkinson zugelassen. Wegen der Restriktionen beim Einsatz von Clozapin, insbesondere wegen des Agranulozytoserisikos wird in jüngerer Zeit aus pragmatischen Gründen z.T. Quetiapin (Seroquel®) als Alternative eingesetzt. Hier beginnt man mit 25-50 mg Quetiapin zur Nacht und steigert die Dosis, falls erforderlich, unter EKG-Kontrolle um 25 mg jeden 2. bis 3. Tag bis zu einem Maximum von 2 x 125 mg pro die. Die Verwendung von anderen so genannten atypischen Antipsychotika wie Olanzapin und Risperidon, wird nicht empfohlen, da diese Medikamente ausgeprägte akinetisch rigide Symptome, auch in niedriger Dosierung, hervorrufen können. Kontraindiziert sind selbstredend alle klassischen Neuroleptika bei Parkinson-Patienten.

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Depression und Demenz

Das Bestehen einer Depression bzw. eine beginnende dementielle Entwicklung wird erfahrungsgemäß allzu häufig bei Parkinson-Patienten übersehen. Hinsichtlich der Parkinson-assozierten Depression sei auf die umfassende Darstellung von M.R. Lemke in diesem Heft verwiesen. Parkinson-Patienten sind daneben überdurchschnittlich häufig von einer dementiellen Entwicklung betroffen, wobei wie auch ansonsten die Demenzhäufigkeit mit dem Lebensalter zunimmt. Kognitive Test, wie der verbreitete Mini-Mental-Status-Test (MMSE) oder der Uhrentest (Clock completion), gehören deshalb zur Basisdiagnostik gerade bei alten Parkinson-Patienten. In einer neueren Untersuchung zur Demenzhäufigkeit bei älteren Parkinson-Patienten fand sich bei einem Durchschnittsalter von 74 Jahren in 44 % eine Demenz [6]. Bemerkenswerterweise erbrachte in dieser Studie der CAMCOG-Test (Cognitive Section of the Cambridge Examination for Mental Disorders) eine höhere Sensitivität bei der Demenzerkennung als der MMSE. Leider ist die Studienlage zum Einsatz von Antidementiva bei Parkinson-Patienten zwar nicht hinreichend, jedoch zeigen kleinere Fallserien den günstigen Effekt von Cholinesterase-Inhibitoren auch bei Parkinson-Patienten [5].

Tab. 1 Vorschlag für ein Basis-Assessment bei geriatrischen Parkinson-Patienten
  • Körpergewicht

  • Schellong-Test

  • Klinisch-neurologische Untersuchung

  • Unified Parkinson's Disease Rating Scale (UPDRS) - Motorische Untersuchung

  • Mini-Mental Status Test (MMSE)

  • Geriatrische Depressions-Skala (GDS)

  • Barthel Activities of Daily Living-Index

  • Dauer einer Gehstrecke von 10 Metern

  • PDQL-Skala zur Einschätzung der Lebensqualität

Tab. 2 Krankheitscharakteristika

 

Erkrankt im hohen Lebensalter (n=40)

Erkrankt im mittleren Lebensalter (n=40)

UPDRS[*] Gesamtscore

51,33 ± 31,88

41,63 ± 33,1

Hoehn und Yahr-Score

2,563 ± 1,03

2,262 ± 1,15

Levodopa-Monotherapie

55 % (22/40)

15 % (6/40)

Dopaminagonisten-Monotherapie

0

43 % (17/40)

Kombinationstherapie mit mindestens

45 % (18/40)

43 % (17/40)

2 Anti-Parkinson-Medikamenten

 

 

Levodopa-Tagesdosis

≤ 300 mg

48 % (19/40)

27 % (7/40)

> 300 mg

53 % (21/40)

73 % (19/40)

Dyskinesien

8 % (3/40)

30 % (12/40)

Demenz

15 % (6/40)

3 % (1/40)

Depression

28 % (11/40)

20 % (8/40)

Krankheitscharakteristika bei 40 Parkinson-Patienten mit einem Erkrankungsbeginn im fortgeschrittenen Lebensalter von 76,1 ± 3,7 Jahre (Durchschnitt ± Standardabweichung) im Vergleich zu einer Kontrollgruppe von Patienten gleichen Geschlechts und Krankheitsdauer, die im mittleren Lebensalter von 56,1 ± 6,8 Jahren erkrankten. In beiden Gruppen betrug die Krankheitsdauer 4,7 ± 4,0 Jahre [modifiziert übernommen aus [13]]

1 UPDRS: Unified Parkinson's Disease Rating Scale

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Literatur

  • 1 Arevalo GG, Jorge R, Garcia S, Scipioni O, Gershanik O. Clinical and pharmacological differences in early- versus late-onset Parkinson's disease.  Mov Disord. 1997;  12 277-284
  • 2 Berger C, Mehrhoff FW, Beier KM, Meinck HM. Sexuelle Delinquenz und Morbus Parkinson.  Nervenarzt. 2003;  74 370-375
  • 3 Friedman A. Old-onset Parkinson's disease compared with young-onset disease: clinical differences and similarities.  Acta Neurol Scand. 1994;  89 258-261
  • 4 Friedman JH, Fernandez HH, Trieschmann MM. Parkinsonism in a nursing home: underrecognition.  J Geriatr Psychiatry Neurol. 2004;  17 39-41
  • 5 Giladi N, Shabtai H, Gurevich T, Benbunan B, Anca M, Korczyn AD. Rivastigmine (Exelon) for dementia in patients with Parkinson's disease.  Acta Neurol Scand. 2003;  108 368-373
  • 6 Hobson P, Meara J. The detection of dementia and cognitive impairment in a community population of elderly people with Parkinson's disease by use of the CAMCOG neuropsychological test.  Age Ageing. 1999;  28 39-43
  • 7 Horvath J, Fross RD, Kleiner-Fisman G, Lerch R, Stalder H, Liaudat S, Raskoff WJ, Flachsbart KD, Rakowski H, Pache JC, Burkhard PR, Lang AE. Severe multivasculare heart disease: A new complication of the ergot derivative dopamine agonists.  Mov Disord. 2004;  19 656-662
  • 8 Kenny RA, Allcock L. Autonomic problems. In: Playfer JR, Hindle JV (Hrsg.). Parkinson's disease in the older patient. London, Arnold 2001: 165-183
  • 9 Kuopio AM, Marttila RJ, Helenius H, Rinne UK. Changing epidemiology of Parkinson's disease in southwestern Finland.  Neurology. 1999;  52 302-308
  • 10 Müller T, Sieb JP. Die fixe Kombination von Levodopa/Carbidopa mit Entacapon in der Parkinson-Therapie.  Nervenheilkunde. 2004;  23 174-180
  • 11 Oertel WH, Deuschl G, Eggert K, Gasser T, Arnold G, Baas H, Przuntek H, Reichmann H, Riederer P, Spieker S, Trenkwalder Parkinson-Syndrom. C. In: Diener HC (Hrsg.). Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Stuttgart, NewYork, Thieme 2003: 38-57
  • 12 Orskov L, Jakobsen J, Dupont E, de OB Fine, Christensen NJ. Autonomic function in parkinsonian patients relates to duration of disease.  Neurology. 1987;  37 1173-1178
  • 13 Papapetropoulos S, Argiriou AA, Ellul J. Clinical characteristics of late-onset Parkinson disease.  Arch Neurol. 2003;  60 1815-1816
  • 14 Poewe W, Wenning GK. Apomorphine: an underutilized therapy for Parkinson's disease.  Mov Disord. 2000;  15 789-794
  • 15 Shulman LM, Minagar A, Rabinstein A, Weiner WJ. The use of dopamine agonists in very elderly patients with Parkinson's disease.  Mov Disord. 2000;  15 664-668
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Korrespondenzadresse:

Priv.-Doz. Dr. J. P. Sieb

Chefarzt der Klinik für Neurologie, Geriatrie und Palliativmedizin

Hanse-Klinikum

Große Parower Straße 47-53

18410 Stralsund

Email: j.sieb@klinkum-hst.de

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Literatur

  • 1 Arevalo GG, Jorge R, Garcia S, Scipioni O, Gershanik O. Clinical and pharmacological differences in early- versus late-onset Parkinson's disease.  Mov Disord. 1997;  12 277-284
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Korrespondenzadresse:

Priv.-Doz. Dr. J. P. Sieb

Chefarzt der Klinik für Neurologie, Geriatrie und Palliativmedizin

Hanse-Klinikum

Große Parower Straße 47-53

18410 Stralsund

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