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DOI: 10.1055/s-2004-830954
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Traditionelle vs. atypische Neuroleptika - Geld oder Nutzen?
SchizophreniePublication History
Publication Date:
04 August 2004 (online)
Können wir uns die moderne Schizophreniebehandlung noch leisten? Unter dieser Fragestellung hatte die Psychiatrische Universitätsklinik Heidelberg im Mai dieses Jahres einen breit gefächerten Kreis von Experten, Ärzten aus Klinik und Praxis und Patientenvertretern geladen. Gerade in Zeiten knapper Kassen und Reformbestrebungen im Gesundheitswesen wird die Berücksichtigung gesundheitsökonomischer und -politischer Implikationen bei der Behandlung schizophrener Patienten zu einem Thema, dem sich alle Beteiligten nicht verschließen können.
Im Brennpunkt stand die Auseinandersetzung um die Anwendung sogenannter atypischer Neuroleptika. Deren hohe Wirksamkeit bei deutlich weniger Nebenwirkungen im Vergleich zu traditionellen Neuroleptika, z. B. Haloperidol, gilt mittlerweile allgemein als unbestritten. Sie erhöhen die Lebensqualität und erlauben oft die Wiedereingliederung in das gewohnte soziale Umfeld. Damit einher geht - das bekräftigten Stimmen aus der Praxis - eine hohe Akzeptanz von Seiten der behandelten Patienten.
Dem gegenüber steht der Kostenfaktor: Die modernen Medikamente sind um ein Vielfaches teurer als ihre Vorläufer und drohen die engen Budgets der niedergelassenen Ärzte zu sprengen - Regressandrohungen seitens der Leistungsträger stehen im Raum. Ein Drahtseilakt?
Dr. Reinhold Kilian, Ulm, stellte den Benefit atypischer Neuroleptika nicht in Frage, forderte jedoch eine fundiertere gesundheitsökonomische Datenlage ein: "Die Bestimmung der Kosteneffektivität neuropsychiatrischer Behandlungsmethoden erfordert die Diskussion über die Bewertung des Nutzens. Gegenwärtige Instrumente bilden dies nur unzureichend ab; wir brauchen mehr Studien über längere Zeiträume, im naturalistischen Setting. Es macht keinen Sinn, sich darauf zu konzentrieren, immer das Billigste zu suchen, sondern es geht tatsächlich um die Frage "Was nützt etwas?" und welchen Preis wir zu bezahlen bereit sind."
Für Prof. Jürgen Fritze, Köln, ist die Überlegenheit atypischer Neuroleptika außer Zweifel: "Sie sind es." In einem gesundheitspolitisch pointierten Beitrag legte er als Mittel zur Effizienzsteigerung die dringend erforderliche Definition von clinical pathways als Grundlage einer integrierten Versorgung schizophren Erkrankter dar (vgl. psychoneuro 2003; 29: 535-537): "... in der alle an der Behandlung Mitwirkenden sich unter einem Dach zusammengeschlossen haben, die Leistungserbringer machen einer Krankenkasse ein Angebot; einbezogen sein sollte auch betreutes Wohnen und die Arzneimittelversorgung - hier kann ein Versorgungsnetz über Sonderkonditionen die Kosten potenziell dramatisch senken."
"Natürlich brauchen wir immer neue Studien", so Fritze in der Abschlussrunde, "Aber Probleme haben wir hier und jetzt. Wenn wir uns dahinter zurückziehen: "Die Datenlage reicht nicht aus", dann überlassen wir die Entscheidungen anderen."
Trotz des breiten Spektrums der Teilnehmer und vertretenen Thesen kristallisierte sich in Heidelberg als Antwort auf die Fragestellung "Können wir ...?" letztendlich ein klares "Wir müssen!" heraus.
BB
Symposium "Können wir uns die moderne Schizophreniebehandlung noch leisten?" am 14.5.04 in Heidelberg, unterstützt von AstraZeneca